Publication Date:
2020-02-12
Description:
Von Juli 1998 bis Juni 1999 wurde im zentralen Tibet-Plateau die geowissenschaftliche Feldkampagne INDEPTH-3/GEDEPTH-2 durchgeführt, in deren Rahmen 57 seismische Stationen zur Registrierung von Erdbeben für knapp ein Jahr im Feld belassen wurden. Der hierbei gewonnene Datensatz von Registrierungen teleseismischer Beben bildet die Grundlage für eine detaillierte Studie der seismischen Struktur von Kruste und oberem Mantel in Zentral-Tibet. 51 Stationen wurden entlang eines ungefähr linearen Profils von 30,5°N bis 33,8°N installiert, welches sich damit über die nördliche Hälfte des Lhasa- sowie die südliche Hälfte des Qiangtang-Blockes in Zentral-Tibet erstreckte und die Banggong-Nujiang-Sutur etwa in seiner Mitte überquerte. Zusätzlich zu den Daten des INDEPTH-3/GEDEPTH-2-Experimentes wurden Daten eines neuen Stationsnetzes in Indien analysiert, was einen Vergleich besonders der Struktur des oberen Mantels ermöglicht. Die Bestimmung der seismischen Struktur erfolgte durch die Isolation von Wellen, welche bei Streuung an stationsseitigen Untergrundstrukturen von P nach S konvertiert wurden (sog. Receiver-Function-Methode). Auf der Grundlage von über 4000 Reeiver-Functions hoher Qualität konnten verschiedene Aspekte der Krustenstruktur im zentralen Tibet-Plateau untersucht werden. Dazu wurde ein Migrationsverfahren entwickelt, welches eine hohe laterale Auflösung ermöglicht. Ein CDP-Stacking-Verfahren wurde weiterentwickelt, um Strukturen auch bei lateral variablen Geschwindigkeiten in ihre korrekte Tiefe projizieren zu können. Die Krustenmächtigkeit nimmt vom zentralen Lhasa-Block bis in den zentralen Qiangtang-Block nahezu linear von 69 km im Süden auf 62 km im Norden ab. Ein postulierter Sprung in der Moho-Tiefe an der Banggong-Nujiang-Sutur konnte widerlegt werden. Das durchschnittliche krustale Poisson-Verhältnis liegt bei ca. 0,25 im Lhasa- sowie bei 0,28 im Qiangtang-Block, schwankt entlang des INDEPTH-3-Profils aber in einem Bereich von 0,24 bis 0,29. Der P-S-Konversionskoeffizient der Moho variiert stark entlang des Profils. Er ist im Bereich des Qiangtang-Blockes ungefähr doppelt so groß wie im Lhasa-Block, wobei ein Zusammenhang zwischen hohem Poisson-Verhältnis und großem Konversionskoeffizienten zu bestehen scheint. Dieser wird als laterale Variationen der S-Geschwindigkeit besonders in der unteren Kruste interpretiert. Entlang des gesamten Profils werden in ca. 15 bis 30 km Tiefe P-S-Konversionen mit negativem Vorzeichen beobachtet. Diese entsprechen einer Inversion der S-Geschwindigkeiten, welche sich wahrscheinlich auf partielles Schmelzen oder Fluide in der mittleren Kruste zurückführen lässt. Diese Interpretation wird gestützt durch den Vergleich migrierter Receiver-Functions mit Ergebnissen magnetotellurischer Messungen in der Umgebung der Banggong-Nujiang-Sutur, der eine weitestgehende Übereinstimmung der Lage der Geschwindigkeitsinversion mit der Obergrenze einer konduktiven Schicht in der mittleren Kruste ergab. Die Interpretation als partielles Schmelzen bzw. Fluide wird dadurch zusätzlich untermauert. Unter dem nördlichen Qiangtang-Block konnte der nach Süden subduzierte asiatische lithosphärische Mantel abgebildet werden. Dieser stellt offenbar die untere Begrenzung einer Schicht stark verminderter S-Geschwindigkeiten dar, die nach oben bis fast an die Kruste reicht. Diese Schicht wird als heiße Asthenosphäre interpretiert. Die Konversionszeiten der Manteldiskontinuitäten in 410 und 660 km Tiefe liegen im indischen Schild nahe denen des globalen IASP91-Modelles, jedoch deutlich über den Zeiten, die in anderen präkambrischen Schilden gemessen werden. Dies wird auf eine anomal dünne indische Lithosphäre zurückgeführt. Der Vergleich mit den entsprechenden Konversionszeiten in Tibet führt nach Anwendung einer Krustenkorrektur auf deutlich kleinere Konversionszeiten, die sich auf eine unter Süd-Tibet verdickte Lithosphäre zurückführen lassen. Die Konversionszeiten entlang des INDEPTH-3/GEDEPTH-2-Profils wiederum sind erheblich größer, mit einem leichten Anstieg nach Norden. Diese Verzögerung wird auf eine Zone reduzierter Geschwindigkeit im oberen Mantel von Zentral-Tibet zurückgeführt, die wahrscheinlich nicht tiefer als 200 km reicht.
Keywords:
550 - Earth sciences
Type:
info:eu-repo/semantics/other
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