Publication Date:
2021-03-08
Description:
Die Erde befindet sich in einem kontinuierlichen Wandel, der aus verschiedenen variierenden dynamischen Prozessen und einwirkenden Kräften resultiert. Die globale Erderwärmung, der Anstieg des Meeresspiegels oder tektonische Verschiebungen sind einige der globalen Phänomene, die diesen Veränderungsprozess sichtbar machen. Um diese Veränderungen besser zu verstehen, deren Ursachen zu analysieren und um geeignete Präventivmaßnahmen abzuleiten, ist ein eindeutiger Raumbezug zwingend notwendig. Der International Terrestrial Reference Frame (ITRF) als globales erdfestes kartesisches Koordinatensystem bildet hierbei die fundamentale Basis für einen eindeutigen Raumbezug, zur Bestimmung von präzisen Satellitenorbits oder zum Detektieren von Verformungen der Erdkruste. Die 2015 verabschiedete Resolution „A global geodetic reference frame for sustainable development“ (A/RES/69/266) der Vereinten Nationen (UN) verdeutlicht den hohen Stellenwert und die Notwendigkeit eines solchen globalen geodätischen Bezugssystems. Das Global Geodetic Observing System (GGOS) wurde 2003 durch die International Association of Geodesy (IAG) gegründet. „Advancing our understanding of the dynamic Earth system by quantifying our planet’s changes in space and time“ lautet die 2011 formulierte Zielsetzung, auf die alle Arbeiten von GGOS ausgerichtet sind, um die metrologische Plattform für sämtliche Erdbeobachtungen zu realisieren. Die Bestimmung eines globalen geodätischen Bezugsrahmens, der weltweit eine Positionsgenauigkeit von 1mm ermöglicht, ist eine der großen Herausforderungen von GGOS. Das Erreichen dieses Ziels setzt neben der technischen Weiterentwicklung und dem infrastrukturellen Ausbau geodätischer Raumverfahren das Identifizieren und Quantifizieren von systematischen Abweichungen sowohl im lokalen als auch im globalen Kontext voraus. Die Bestimmung eines globalen geodätischen Bezugsrahmens erfolgt durch eine kombinierte Auswertung aller geodätischen Raumverfahren. Da diese untereinander nur eine geringe physische Verknüpfung aufweisen, stellen lokal bestimmte Verbindungsvektoren, die auch als Local-Ties bezeichnet werden, eine der wesentlichen Schlüsselkomponenten bei der Kombination dar. Ungenaue, fehlerbehaftete und inaktuelle Local-Ties limitieren die Zuverlässigkeit des globalen geodätischen Bezugssystems. In der vorliegenden Arbeit werden ein Modell sowie verschiedene Lösungsverfahren entwickelt, die eine Verknüpfung der geometrischen Referenzpunkte von Radioteleskopen bzw. Laserteleskopen mit anderen geodätischen Raumverfahren durch prozessbegleitende lokale terrestrische Messungen erlauben. Während Radioteleskope zur Interferometrie auf langen Basislinien (VLBI) verwendet werden, ermöglichen Laserteleskope Entfernungsmessungen zu Erdsatelliten (SLR) oder zum Mond (LLR). Die Bestimmung des geometrischen Referenzpunktes von Laser- und Radioteleskopen ist messtechnisch herausfordernd und erfordert eine indirekte Bestimmungsmethode. Bestehende geometrische Methoden sind entweder auf eine bestimmte Teleskopkonstruktion beschränkt oder erfordern ein spezielles Messkonzept, welches ein gezieltes Verfahren des Teleskops voraussetzt. Die in dieser Arbeit hergeleitete Methode weist keine konstruktionsbedingten Restriktionen auf und erfüllt zusätzlich alle Kriterien der durch das GGOS angeregten prozessintegrierten in-situ Referenzpunktbestimmung. Hierdurch wird es möglich, den Referenzpunkt kontinuierlich und automatisiert zu bestimmen bzw. zu überwachen. Um die Zuverlässigkeit von VLBI-Daten zu erhöhen und um die Zielsetzung von 1mm Positionsgenauigkeit im globalen Kontext zu erreichen, wird das bestehende VLBI-Netz gegenwärtig durch zusätzliche Radioteleskope unter dem Namen VLBI2010 Global Observing System (VGOS) erweitert. Die hierbei entstehenden VGOS-Radioteleskope zeichnen sich u. a. durch eine sehr kompakte Bauweise und hohe Rotationsgeschwindigkeiten aus. Weitgehend ununtersucht ist das Eigenverformungsverhalten dieser Teleskope. Während für konventionelle Radioteleskope bspw. Signalwegänderungen von z. T. mehreren Zentimetern dokumentiert sind, existieren nur wenige vergleichbare Studien für VGOS-Radioteleskope. Hauptgründe sind zum einen die erhöhten Genauigkeitsanforderungen und zum anderen fehlende Modelle zur Beschreibung der Reflektorgeometrien, wodurch eine direkte Übertragung bisheriger Mess- und Analyseverfahren erschwert wird. In dieser Arbeit werden für VGOS-spezifizierte Radioteleskope Modelle erarbeitet, die eine geometrische Beschreibung der Form des Haupt- und Subreflektors ermöglichen. Basierend auf diesen Modellen lassen sich u. a. Änderungen der Brennweite oder Variationen der Strahllänge infolge von lastfallabhängigen Deformationen geometrisch modellieren. Hierdurch ist es möglich, wesentliche Einflussfaktoren zu quantifizieren, die eine Variation des Signalweges hervorrufen und unkompensiert vor allem zu einer systematischen Verfälschung der vertikalen Komponente der Stationskoordinate führen. Die Wahl eines geeigneten Schätzverfahrens, um unbekannte Modellparameter aus überschüssigen Beobachtungen abzuleiten, wird häufig als trivial und gelöst angesehen. Im Rahmen dieser Arbeit wird gezeigt, dass neben messprozessbedingten systematischen Abweichungen auch systematische Abweichungen durch das gewählte Schätzverfahren entstehen können. So resultieren aus der Anwendung eines Schätzverfahrens, welches ausschließlich in linearen Modellen Gültigkeit besitzt, i.A. keine erwartungstreuen Schätzwerte bei nichtlinearen Problemstellungen. Insbesondere in der Formanalyse des Hauptreflektors eines VLBI-Radioteleskops zeigt sich, dass die resultierenden Schätzwerte verzerrt sind, und diese Verzerrungen Größenordnungen erreichen, die als kritisch zu bewerten sind.
Description:
Several varying forces and dynamic processes continuously affect the shape and the figure of the planet Earth. The process of global change of the Earth becomes visible by, e. g., the global climate change and global warming, the sea-level rise, or the tectonic plate movement. In order to gain a better understanding of these global changes, to analyse their causes, and to derive suitable preventive measures, a reliable global spatial reference system is mandatory. The International Terrestrial Reference Frame (ITRF) is the most accurate global Earth-fixed Cartesian reference frame. It provides the global spatial information for suitable positioning on Earth, for precise satellite orbits, or for in-depth analysis of deformations of the Earth’s crust or tectonic changes. In 2015, the United Nations (UN) adopted the resolution on „A global geodetic reference frame for sustainable development“ (A/RES/69/266) and emphasized the importance of a global terrestrial reference frame. The Global Geodetic Observing System (GGOS) was established by the International Association of Geodesy (IAG) in 2003. Since 2011, the vision of GGOS has been „Advancing our understanding of the dynamic Earth system by quantifying our planet’s changes in space and time“. GGOS is perceived as the metrological basis of Earth observations. One of the challenging tasks is to provide a global geodetic frame of reference having a position accuracy of 1mm on the global scale for the ITRF. To achieve the accuracy aim, on the one hand, technical improvements of the space geodetic infrastructure are necessary, but on the other hand, systematic errors caused by the measurement and analysis procedures must be identified and quantified on the local as well as on the global scale. A global geodetic reference frame is derived by combining several space geodetic techniques. To overcome the weak physical connection between the space geodetic techniques during the frame derivation, the reference points and their geometrical relations are needed for inter-technique combination. In this contribution, a mathematical model and several solving procedures are derived to determine the conventional reference point of radio telescopes, used for Very Long Baseline Interferometry (VLBI), and laser telescopes, used for Satellite Laser Ranging (SLR) as well as Lunar Laser Ranging (LLR), by local terrestrial surveying methods. The geometrical relations defined between two reference points are realized by a spatial vector also known as local-tie. Since local-ties are crucial components within the inter-technique combination, these vectors must be known within the highest level of accuracy. Inaccurate, outdated, or erroneous local-ties bias the global frame. The determination of the reference point of radio telescopes or laser telescopes is a challenging task and requires indirect methods. Existing methods are based on modelling simple geometrical shapes. These geometrical methods are restricted to a specific type of telescope construction or require a special observation procedure including predefined rotations of the telescope. The mathematical model derived in this thesis overcomes the constructional restrictions. Moreover, it allows for in-process reference point determination as envisaged by GGOS. Therefore, for the first time an automated and continues in-situ reference point monitoring becomes possible. The legacy VLBI network is insufficient to reach the 1mm goal envisaged by GGOS. For that reason, new radio telescopes, which are of a more compact and stiffer design and are able to move faster, are designed and enlarge the existing VLBI network. These new radio telescopes will form the backbone of the next generation geodetic VLBI system, often referred to as VLBI2010 Global Observing System (VGOS) radio telescopes. On the one hand, several investigations focusing on systematic errors of large legacy VLBI radio telescopes exist, e. g., the signal path variation caused by deformation of the reflectors. On the other hand, equivalent studies that evaluate the deformation behaviour of new VGOS radio telescopes are rare. Main reasons are the higher-level accuracy requirements but also the lack of mathematical models that rigorously describe the shape of the reflectors. Thus, existing observation and analysis procedures derived and proved for legacy radio telescopes cannot be applied directly to the new VGOS class. In this investigation, new mathematical models are developed to parametrize the three dimensional shape of main reflectors as well as the shape of sub-reflectors of VGOS-specified radio telescopes. Based on these models, variations of, e. g., the focal length or the ray path caused by the reflector’s dead load and different structural loads can be modelled and used to derive the geometrical component of the resulting signal path variation. The estimation of unknown parameters is often regarded as trivial. However, it will be demonstrated that the estimated results are biased, if the statistical properties of a linear substitute-problem are transferred to its underlying nonlinear model. In particular, the order of magnitude of the bias becomes critical in analysing the shape of the main reflector.
Type:
info:eu-repo/semantics/doctoralThesis
Format:
application/pdf
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