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Neue sinnesbiologische beobachtungen an spinnen

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Zeitschrift für Morphologie und Ökologie der Tiere Aims and scope Submit manuscript

XIII. Zusammenfassung

Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse meiner Arbeit herausstellen: (Es sind nur die wesentlichsten Ergebnisse berücksichtigt worden).

  1. I.

    Die Stridulationsorgane von Steatoda bipunetata L. und Steatoda castanea Cl. treten nur bei den männlichen Tieren, und zwar bei denen auch erst nach der letzten Häutung auf.

    Das Stridulationsorgan setzen die Männchen bei der Werbung in Tätigkeit. Es dient also ausschließlich Werbezwecken. Bei beiden männlichen Tieren besteht das Stridulationsorgan aus einer auf der vorderen Fläche des Abdomens liegenden starken Chitinleiste und aus einer auf dem Hinterende des Cephalothorax liegenden Fläche, aus der sich viele einzelne Chitinleisten erheben. Die Fläche ist ihrerseits durch ein breites Band in zwei Hälften zerlegt.

    Der Ton entsteht durch vertikale Bewegungen des Abdomens gegen den Cephalothorax. Dabei streicht die im Abdomen gelegene Chitinleiste über die einzelnen, im Cephalothorax gelegenen Chitinleisten.

    Der Stridulationston, den das Männchen von Steatoda bipunctata erzeugte, wurde als „e” (348 Schw.), der, den das Männchen von Steatoda castanea erzeugte, als „a” (435 Schw.) festgestellt. Der Tonunterschied der beiden Stridulationstöne ist aus dem verschiedenen Bau ihrer Organe zu erklären.

    Der Tonunterschied und die verschiedene Stärke der Stridulationstöne sprechen für eine Tonerzeugung durch Schwingen der im Abdomen liegenden Chitinleiste.

    Es muß die Frage offen gelassen werden, womit die Weibchen dieser Spinnen die Töne ihrer Männchen percipieren.

    Die Triehobothrien kommen dafür nicht in Frage.

  2. II.

    Die Annahme von Versuchsgegenständen der weiblichen Wolfsspinnen an Stelle ihrer Eikokons hängt in erster Linie vom Gewicht ab, weniger von der Umhüllung und der GrösBe des Versuchsobjektes. Auf die Form kommt es dabei überhaupt nicht an.

    Die Aufnahme eines Versuchsgegenstandes ist auch nur dann von der Umhüllung abhängig, wenn der chemische Sinn der Wolfsspinne seine Wirkung entfalten kann. Ist das der Fall, so ist der mütterliche Instinkt des Tieres noch schwach entwickelt. Die Reaktionsfähigkeit des chemischen Sinnes bei Aufnahme eines Versuchsobjektes steht zur Stärke des mütterlichen Instinktes in einem reziproken Verhältnis. Die Stärke des mütterlichen Instinktes nimmt bei den Wolfsspinnen von der Eiablage bis zum Ausschlüpfen der Jungen zu. Sie ist also kurz nach dem Ausschlüpfen der Jungen am stärksten. Die Stärke des mütterlichen Instinktes ist nicht nur für die einzelnen Arten, sondern auch für die Individuen verschieden.

    Der Instinkt, einen Eikokon oder einen Versuchsgegenstand aufzunehmen, wird bei den Wolfsspinnen nach Ausschlüpfen ihrer Jungen schwächer, um dann nach etwa zwei Tagen ganz zu verschwinden.

    Die Wolfsspinnenmutter ist nicht fähig, ihre Jungen von denen einer anderen Art, ja selbst nicht von denen einer anderen Familie zu unterscheiden, wenn die jungen Tiere nicht allzusehr in der Größe differieren.

    Umgekehrt, sind auch die jungen Wolfsspinnen nicht in der Lage, ihre Mutter von Spinnen anderer Arten oder Familien zu unterscheiden, wenn diese in der Größe etwa der Mutter gleichen. Der mütterliche Instinkt ist bei Agalena labyrinthica Cl., Tegenaria domestica Walck, Cyrtophora citricola Forsk infolge der nicht so stark entwickelten Brutpflege nicht in dem Maße entwickelt, wie bei den Lycosiden. Trotzdem konnte festgestellt werden, daß die Tiere Plastilinakugeln, mit ihrem Gespinst überzogen, annahmen.

    Phyllonethis lineata nahm Plastilinakugeln ohne Gespinstüberzug an.

    Bei Holocnemus rivulatus Forsk ist der mütterliche Instinkt stärker entwickelt als bei Pholcus phalangioides Fuess.

  3. III.

    Atypus piceus Sulz zeigt starke Empfindlichkeit gegen Sonnenlicht, ist dagegen unempfindlich gegen Bogenlicht. Die Jungen von Atypus piceus Sulz sind etwa acht Tage lang im Verlaufe ihrer Entwicklung gegen Sonnenlicht nicht nur unempfindlich, sondern sie wenden sich zu ihm hin. Das gleiche gilt für Bogenlicht.

    Atypus piceus zeigt fast während seiner ganzen Lebenszeit positiven Geotropismus. Nur die Jungen zeigen in diesen acht Tagen negativen Geotropismus. Die jungen Wolfsspinnen wenden sich dem Licht zu.

  4. IV.

    Der sexuelle Instinkt wird bei Zodarion elegans Simon durch Licht und Wärme verstärkt.

  5. V.

    Als Mittel zur Auffindung der Geschlechter spielt der chemische Sinn bei Netzspinnen die wichtigste Rolle.

    Die Netze reifer Spinnen unterscheiden sich wahrscheinlich von denen unreifer durch ein Sekret, das reife Tiere beim Anlegen ihres Netzes mit ausscheiden. Dieses Sekret haftet vermutlich auch der Haut der letzten Häutung an, wie die Beobachtungen an Clubioniden zeigten.

    Daß Spinnen Geruchs- und Geschmackssinn haben, konnte durch verschiedene Experimente gezeigt werden.

    Für Auffinden und Einspinnen der Beute sind bei Radnetzspinnen vibratorische und taktile Reize nötig, doch kann die Beute auch durch Belastung der Netzfäden gefunden werden. Dann können chemische Reize, die dem Tier angenehm sind, den Reflex zum Einspinnen der Beute auslösen.

  6. VI.

    Der Werbe- und Begattungsinstinkt beim Männchen von Meta segmentata Cl. wird durch Vibrationsreize, die Masse eines im weiblichen Netze hängenden Körpers und durch ein sich in unmittelbarer Nähe befindliches Weibchen ausgelöst.

  7. VIII.

    Gedächtnisleistungen konnten für einige Spinnen nachgewiesen werden.

  8. IX.

    Plastizität der Instinkte konnte für Aranea diademata Cl., Linyphia triangularis Cl. und Argiope lobata Fall. gezeigt werden. Aranea diademata nahm ein fremdes Netz ihrer Art als eigenes an, obwohl es bedeutend grösBer war, ja, sie machte sogar Jagd auf Beute in einem Cyrtophora-Netz. Linyphia triangularis fing Fliegen in einem Meta-Netz.

  9. X.

    Aranea diademata Cl. und Argiope lobata Pall. brauchen nicht unbedingt in der Warte zu sitzen, um sich gegen vibratorische Reize zu orientieren. Der Befestigungsfaden ihrer Spinnwarzen an die Nabe spielt für die Orientierung gegen Vibrationsreize keine Rolle.

    Aranea diademata reagiert auf Reize erstens, die die Fangfäden, zweitens die die Radien und drittens die die Spannseile vermitteln.

    Sichere Orientierung von Aranea diademata ist schon dann möglich, wenn solche Reize nur ein Bein der Spinne treffen. Das gleiche gilt für Zilla-x-notata Cl.

    Daß das Sitzen in der Warte für Aranea diademata vorteilhaft ist, zeigt sich aus folgendem Vergleich: Areanea diademata nimmt einen Vibrationsreiz auf, dessen Reizquelle auf einem Spannseil, zwei Meter vom Mittelpunkte des Netzes entfernt liegt, während dagegen Zilla-x-notata, wenn sie in ihrem Schlupfwinkel sitzt, einen solchen nur aus ein Meter Entfernung aufnimmt. Bei Dolomedes fimbriatus L. sowie bei allen Spinnen, die gut entwickelte Tagaugen haben, genügen meist vibratorische Reize nicht allein, um die Tiere anzulocken. Es müssen noch optische Reize dazu kommen. Für Anlocken dieser Spinnen an die Beute sind optische oder vibratorische und optische, für eine Aufnahme der Beute taktile und chemische Reize notwendig.

  10. XI.

    Orientierung im Raum konnte bei Cyrtophora citricola Forsk. und Aranea diademata Cl. beobachtet werden.

  11. XII.

    Druck, Zug, Reibung und StosB sind Reize für die Sinnesborsten sowie auch für die Sinneshaare. Vibrationsreize haben dagegen als Empfänger nur die Sinneshaare (Trichobothrien). Die Trichobothrien nehmen die durch die Töne hervorgerufenen Vibrationen auf. Schallwellen werden von ihnen nicht percipiert. Die Frage, womit Spinnen Schallwellen percipieren, bleibt auch weiter eine unbeseitigte Schwierigkeit.

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Meyer, E. Neue sinnesbiologische beobachtungen an spinnen. Z. Morph. u. Okol. Tiere 12, 1–169 (1928). https://doi.org/10.1007/BF00407629

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