Der Titel der anzuzeigenden Monographie lässt den Versicherungsrechtler aufhorchen. Schon seit geraumer Zeit herrscht Skepsis, wann immer die Rede auf den Informationswert von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für den Versicherungsnehmer kommt. Im Zuge der VVG-Reform von 2008 hat das dem ehemaligen Versicherungsombudsmann, Wolfgang Römer, zugeschriebene Dictum „Es macht für den Versicherungsnehmer keinen Unterschied, ob er die Bedingungen vor oder nach Abschluss nicht liest“ die Runde gemacht. Eine Abhandlung, deren programmatischer Titel den Abschied vom Informationsmodell verheißt, darf also gerade auch aus versicherungsrechtlicher Sicht auf einiges Interesse hoffen.

Es handelt sich um eine am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Ökonomik der Humboldt-Universität zu Berlin bei G. Wagner entstandene Dissertation. Daher verwundert es nicht, dass das Buch der ökonomischen Analyse (S. 17 ff., 155 ff.) und der Empirie (S. 82 ff.) auf hohem Niveau breiten Raum gewährt. Diese gründlichen Betrachtungen bestätigen wissenschaftlich einen Befund, der im Ergebnis auch und gerade unter Versicherungsrechtlern kaum auf Widerspruch stoßen dürfte: AGB werden nicht etwa deshalb nicht gelesen, weil dies rational wäre, sondern weil dem Verbraucher – den der Autor als Kunden des Verwenders in erster Linie in den Blick nimmt – der Aufwand nicht lohnend erscheint (S. 141 ff.). Auf diesem Befund aufbauend entwickelt und begründet der Autor seine titelgebende These, dass es das Informationsmodell im AGB-Recht zu verabschieden gilt. Als zentrales Argument führt er das Kompensationsprinzip an, demzufolge die Nachteile, welche dem Verbraucher durch die Verwendung von AGB drohen, durch die Inhaltskontrolle auszugleichen sind (S. 183 ff.). Um diese Kompensation zu erreichen, bedürfe es keiner Information des Verbrauchers durch die AGB.

Mit dieser Feststellung soll, wie der Autor betont, keineswegs der Nutzwert von AGB als solcher in Zweifel gezogen werden. Im Gegenteil handele es sich bei ihrer Verwendung um „die bestmögliche Gestaltungsoption im Massenvertrag“ (S. 191). Da AGB nur gelten, wenn der Verbraucher einen Vertrag schließt, in den sie einbezogen werden, beruhe ihre Geltung „stets auf einem Pauschalkonsens bezüglich der Kernparameter des Vertrags“ (S. 191). Verwirft man freilich – wie der Autor – zugleich das Informationsmodell, so stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Einbeziehungsvoraussetzungen hat. Dieser Thematik widmet McColgan innovative und sehr bedenkenswerte Überlegungen (S. 193 ff.). Letztlich plädiert er rechtspolitisch für eine „unsichtbare Einbeziehung“ (S. 253), indem es abweichend von § 305 Abs. 2 BGB künftig genügen soll, dass die jeweils maßgeblichen AGB im Internet veröffentlicht werden. Der Gefahr von Manipulationen lasse sich durch den Einsatz von Blockchain-Technologie entgegenwirken.

Dieser Vorschlag ist aus versicherungsrechtlicher Sicht deshalb von besonderem Interesse, weil für AVB neben den Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB auch die spezielle vorvertragliche Informationspflicht nach § 7 Abs. 1 S. 1 VVG gilt. Diese Vorschrift – die auch der Autor erwähnt (S. 315) – erfordert es, dass dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung unter anderem die AVB in Textform mitzuteilen sind. Mittlerweile kann es angesichts der Rechtsprechung von EFTA-Gerichtshof, EuGH und BGH zu vergleichbaren Informationspflichten als geklärt angesehen werden, dass eine diesen Anforderungen entsprechende Übermittlung entweder durch einen Zwangs-Download oder durch eine sog. Sophisticated Website (mit passwortgeschütztem Zugang) möglich ist. Die schlichte Abrufbarkeit auf einer Website genügt hingegen ebenso wenig wie ein nur fakultativer Download (näher Greis, Auswirkungen der Digitalisierung auf Abschluss und Gestaltung privater Versicherungsverträge, 2020, S. 17 ff.).

Der Vorschlag von McColgan könnte im Versicherungssektor zumindest im Hinblick auf die AVB eine weitere Erleichterung bringen. Dabei müsste allerdings, damit der Versicherungsnehmer nicht gegenüber der bisherigen Rechtslage schlechter gestellt wird, gewährleistet sein, dass er die jeweils für den von ihm abgeschlossenen Vertrag maßgebliche Version der AVB im Internet eindeutig und unkompliziert aufzufinden vermag. Immerhin gilt es zu bedenken, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer ungeachtet des Umstands, dass er bei Vertragsschluss regelmäßig keine Zeit und Energie auf die Lektüre der AVB verwenden wird, nach Eintritt eines Schadensfalls bisweilen eben doch die Bedingungen studiert. Dabei hilft ihm die Rechtsprechung des BGH, wonach das Transparenzgebot es erfordert, ihm seine Rechte und Pflichten in den AVB möglichst klar und durchschaubar vor Augen zu führen (s. nur BGH VersR 2020, 95 Rn. 7; kritisch zur von ihm sog. „Abwicklungstransparenz“ allerdings der Autor [S. 262 ff.], mit angreifbarer, weil das Problem der Scheintransparenz und das Instrument der Verbandsklage übergehender Argumentation). Dann ist für den Versicherungsnehmer der leichte Zugriff auf die seinem Vertrag zugrunde liegenden AVB wichtig. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil es sich bei Versicherungsverträgen regelmäßig um Dauerschuldverhältnisse handelt, bei denen es während der oft langjährigen Laufzeit zur Einbeziehung geänderter AVB kommen kann (s. dazu Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, Einl. Rn. 39 ff.).

Hinzu kommt, dass sich die vertragsindividuellen Informationen, insbesondere die Beratungsdokumentation nach §§ 6 Abs. 1 S. 2, 6a Abs. 2 Nr. 2, 61 Abs. 1 S. 2 VVG, einer Veröffentlichung in der vom Autor vorgeschlagenen allgemeinen Art von vornherein entziehen. Damit stellt sich die – in der Arbeit nicht näher erörterte – Frage, inwieweit das vorgeschlagene Publikationsmodell im Versicherungssektor überhaupt sinnvoll umgesetzt werden kann. Eine Aufspaltung der Informationen – AVB gemäß dem Vorschlag des Autors, übrige Vertragsinformationen i. S. v. § 7 Abs. 1 S. 1 VVG durch Zwangs-Download bzw. Sophisticated Website – dürfte gegenüber der derzeitigen Rechtslage jedenfalls sub specie eines einfachen Zugriffs auf alle vertragsrelevanten Informationen keinen Vorteil bieten. McColgan erwägt daher sogar selbst, Versicherungsverträge von seinem Vorschlag einer „unsichtbaren Einbeziehung“ auszunehmen, ohne diese Frage abschließend zu beantworten (S. 316).

An dieser wie an manch anderer Stelle hätte die ohnehin schon sehr profunde Untersuchung noch zusätzlich an Gehalt gewinnen können, wenn das Augenmerk stärker auf den Versicherungssektor gerichtet worden wäre. Immerhin bezeichnet der Autor Versicherungen selbst zu Recht als „ein Paradebeispiel für ein Produkt, das ausschließlich durch Vertragsbedingungen bestimmt wird“ (S. 109). Auch die Formularverträge zur Seeversicherung des 15. Jahrhunderts werden zumindest kurz erwähnt (S. 185). Man könnte hinzufügen, dass die Entwicklung des gesamten AGB-Rechts in der Rechtsprechung seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wesentlich durch AVB geprägt war, mussten diese doch, seit die Versicherer ihre Angebote und die darin enthaltenen Leistungsversprechen zunehmend auch an Verbraucher (avant la lettre) richteten, zwangsläufig durch standardisierte Bedingungswerke rechtlich fassbar und operabel gemacht werden (näher Armbrüster, Privatversicherungsrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 129, 530). Interessant für den Untersuchungsgegenstand der Arbeit ist unter anderem Folgendes: Bis zum Wegfall der aufsichtsrechtlichen Vorabkontrolle im Jahr 1994 galt gem. § 23 Abs. 3 a.F. AGBG hinsichtlich der Einbeziehung von AVB eine Privilegierung. Ihr Geltungsgrund weist deutliche Parallelen zu den Überlegungen auf, die den Autor zu seinem Plädoyer für die Abkehr von § 305 Abs. 2 BGB veranlassen, inbesondere was die entscheidende Bedeutung einer staatlichen Inhaltskontrolle für den Schutz des Kunden angeht. Noch heute wird zudem die Rechtsprechung des BGH zu zentralen AGB-rechtlichen Themen wie etwa dem Transparenzgebot wesentlich durch Entscheidungen des für das Privatversicherungsrecht zuständigen IV. Zivilsenats zu AVB mitgeprägt.

Die Bedeutung von AGB für Versicherungsverträge geht sogar so weit, dass der Gesetzgeber ihren Einsatz – anders als dies etwa im Kaufrecht der Fall ist – als völlig selbstverständlich voraussetzt. So enthalten die §§ 30, 31 VVG unvollkommene, weil sanktionslose Verhaltensregeln. Die Regierungsbegründung zum VVG 2008 führt dazu aus: „Eine besondere Sanktionsregelung ist entbehrlich, da die AVB regelmäßig entsprechende Anzeigepflichten enthalten“ (BT-Drucks. 16/3945, S. 70; instruktiv dazu Wandt, VersR 2018, 321 ff.). Auch weitere Normen wie insbesondere der praktisch überaus bedeutsame § 28 Abs. 2 VVG (s. dazu BGH NJW 2012, 217 Rn. 34) setzen voraus, dass der Versicherer AVB verwendet. Zudem erfordert die Funktionsweise der Privatversicherung, einen Risikoausgleich innerhalb homogener Kollektive anzustreben, für deren Mitglieder identische Leistungsversprechen existieren, den Einsatz inhaltsgleicher Vertragsbedingungen. Wenn der Autor demgegenüber lediglich in sehr allgemeiner Weise feststellt, dass AGB „viele legitime und gesamtgesellschaftlich nützliche Funktionen“ (S. 191) haben, so hätte eine nähere Betrachtung des Versicherungsvertragsrechts ihn womöglich die deutlich pointiertere Erkenntnis gewinnen lassen, dass AGB für das Rechtsprodukt Versicherung schlechthin konstitutiv sind und dass dieses Produkt jedenfalls im Verbraucherbereich ohne den Einsatz von AVB gar nicht vorstellbar wäre.

Von Interesse für die Thematik ist nicht zuletzt auch die im Versicherungsrecht vorherrschende Erkenntnis, dass mit dem Einsatz von AVB zwei verschiedene Informationszwecke verfolgt werden: Neben der Information des Kunden, deren Nutzwert der Autor – wie dargelegt – mit (jedenfalls für das Vertragsschlussstadium) sehr guten Gründen in Abrede stellt, sollen die AVB auch der Information des Rechtsanwenders und insbesondere des Richters dienen, der im Streitfall darüber zu befinden hat, wie weit das vom Versicherer abgegebene Leistungsversprechen reicht (s. zusammenfassend Armbrüster, Privatversicherungsrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 262, 607).

McColgan fokussiert den Blick hingegen ganz auf den Kunden (und dabei, wie erwähnt, auf den Verbraucher). Dies wird nicht zuletzt an seiner Aussage deutlich, niemand wolle, dass AGB gelesen werden; die Verbraucher wollten sie offenkundig nicht lesen, die Unternehmer wollten auch nicht, dass die Verbraucher sie lesen, und schließlich sei dies auch gesamtgesellschaftlich unerwünscht, da zeitverschwendend (S. 143). Rechtsberater und Richter bleiben bei diesem Befund unerwähnt. Ihnen bleibt gar keine Wahl, die AGB zu lesen, wenn diese – was freilich regelmäßig erst nach dem vom Autor in den Mittelpunkt gerückten Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Fall ist – für die wechselseitigen Rechtspositionen bedeutsam sein könnten; bei AVB gilt dies in gesteigertem Maße. Dieser Aspekt des zweifachen Informationszwecks hat sogar dazu geführt, dass für AVB nach nahezu unbestrittener Ansicht ein gespaltener Auslegungsmaßstab gilt: Während grundsätzlich der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse maßgeblich ist, sind Begriffe der Rechtssprache in ihrer fachspezifischen Bedeutung auszulegen (s. nur BGH NJW 2019, 2172 Rn. 18; Pilz, Missverständliche AGB, 2010, S. 60 ff.). Dieser auf den Rechtsanwender bezogene Informationszweck hätte in einer Arbeit, deren Gegenstand der Abschied vom (freilich enger verstandenen) Informationsmodell ist, womöglich über den Befund, dass die Einbeziehung von AGB der Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts dient, hinaus eine nähere Betrachtung verdient. Zumindest die zehn Druckseiten, die dem Autor nach eigenem Bekunden sein Verzicht auf die Abkürzung „AGB“ an Mehrumfang beschert hat (S. 1), hätten sich auf diese Weise ertragreich nutzen lassen.

Diese Anmerkungen aus versicherungsrechtlicher Sicht sollen nicht den Blick dafür verstellen, dass es sich um eine wahrlich kluge und tiefschürfende Arbeit handelt, aus der auch der Versicherungsrechtler vielfache Anregungen entnehmen kann. So wurde erstmals in dieser wissenschaftlichen Gründlichkeit aufgezeigt, dass und warum die Funktion von AGB, den Verbraucher zu informieren, in der Lebenswirklichkeit ins Leere geht. Dieser Befund ist für das Privatversicherungsrecht noch in anderer Hinsicht wertvoll, stellt er doch in Frage, inwiefern der Gesetzgeber durch die Schaffung umfangreicher Informationspflichten jenseits der Übermittlung der AVB (etwa in §§ 7 ff. VVG und in der VVG-InfoV) an der Lebenswirklichkeit vorbei geht. Eine Crux liegt hier freilich – anders als hinsichtlich der im Mittelpunkt der Untersuchung stehenden AGB – darin, dass die rechtspolitischen Vorschläge des Autors, wollte man sie übertragen, sich in weiten Teilen vorrangig an den europäischen Gesetzgeber richten müssten, der in verschiedenem Kontext eine Übermittlung der Vertragsinformationen an den Versicherungsnehmer anordnet. McColgan konstatiert selbst, dass eine Reform insoweit noch weniger aussichtsreich erscheint als hinsichtlich des AGB-Rechts (S. 316).

Viele weitere interessante Aussagen können hier nicht im Einzelnen gewürdigt werden. Der Autor hat es keineswegs dabei belassen, ökonomische und empirische Erkenntnisse zusammenzutragen und zu verwerten. Vielmehr nimmt er auch die dogmatischen Aspekte der Thematik ebenso sachkundig und überzeugend in den Blick. So geht er souverän mit den verschiedenen Vertragstheorien um, die für sein Thema relevant sind, von Flumes Konzeption der Selbstbestimmung (S. 175 f.) bis hin zu Schmidt-Rimplers Lehre von der Richtigkeitsgewähr (S. 179 ff.). Auch die verschiedenen Vorschläge, die AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr in mehr oder minder weit gehendem Maße zu begrenzen (s. dazu Armbrüster, NZA-Beil. 2019, 44), unterwirft er fundierter Kritik und stellt ihnen eine eigene, auf die verständige Kenntnis als Grenze der Inhaltskontrolle abhebende Lösung gegenüber (S. 277 ff.). Nicht zuletzt sei erwähnt, dass die Arbeit sich durch einen für juristische Dissertationen ungewöhnlich erfrischenden, bei aller Sachlichkeit streckenweise geradezu beschwingten Duktus auszeichnet, der die Lektüre auch in dieser Hinsicht lohnenswert macht.