ISSN:
1432-1351
Source:
Springer Online Journal Archives 1860-2000
Topics:
Biology
,
Medicine
Notes:
Zusammenfassung 1. Der europäische Aal [Anguilla anguilla (L.)] kann mittels Futterbelohnung auf synthetische Riechstoffe dressiert werden. 2. Durch Differenzdressur läßt sich das Unterscheidungsvermögen für solche Riechstoffe nachweisen. 3. Es wird eine Dressuranordnung mit einfacher Wahlapparatur beschrieben, bei der als Dressurbelohnung die Aale ihrem natürlichen Hang zu negativer Phototaxis und positiver Thigmotaxis nachgeben dürfen. 4. Zum Erlernen der Dressuraufgabe bei dieser Methode waren bei jedem Tier 200–500 Dressuren notwendig. Von insgesamt 15 dressierten Jungaalen von 10–15 cm Länge konnten 7 auch bei starken Verdünnungen verwendet werden. Mit diesen Tieren wurden fast 10000 Versuche durchgeführt. 5. Mit Hilfe der neuen Dressurmethode konnten die Wahrnehmungsschwellen für β-Phenyläthylalkohol, 1-Menthol, Citral, Terpineol, Eugenol, α-Ionon und β-Ionon festgestellt werden. Sie liegen bei Verdünnungen des reinen Riechstoffes von 1: 2,857 Trillionen [=(1∶2,857) · 10−18] (β-Phenyläthylalkohol) bis 1∶5 Billiarden [=(1∶5) · 10−15] (α-Ionon). Das entspricht Molekelkonzentrationen von 1770 bis 584000 pro cm3 Wasser. 6. Zum Vergleich wurde die Wahrnehmungsschwelle von β-Phenyläthylalkohol bei der Elritze [Phoxinus phoxinus (L.)] (= laevis AG.) und bei der Regenbogenforelle (Salmo irideus W. Gibb.) ermittelt. Die besten Leistungen von Elritzen lagen bei einer Verdünnung von 1∶ 67,133 Millionen. Das entspricht einer Molekelkonzentration von 7,53 · 1013 pro cm3 Wasser. Die Regenbogenforelle konnte noch Verdünnungen von 1∶9,93 Milliarden [= (1∶ 9,93) · 10−9] wahrnehmen. Dabei befanden sich 5,09 · 1011 Molekeln in jedem Kubikzentimeter Wasser. Die beste Schwellenleistung der untersuchten Aale unterbietet also die der Elritzen um mehr als 10 Zehnerpotenzen und die der Regenbogenforelle um mehr als 8 Zehnerpotenzen. 7. Bei einem Aal wurde die Lage der Wahrnehmungsschwelle von β-Phenyläthylalkohol über mehr als 1 Jahr hin ständig kontrolliert. Die Schwelle lag im Spätwinter und im Hochsommer am tiefsten. Im Spätherbst und Frühwinter war dagegen die Leistungsfähigkeit des Geruchssinnes um 6 Zehnerpotenzen schlechter geworden. Es wird vermutet, daß die Lage der tiefsten Werte durch die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Nase bestimmt werden (extreme Näherung an die primäre Reizschwelle). Die Grenzen bei verminderter Leistungsfähigkeit scheinen dagegen zentral bedingt und hormonal gesteuert zu sein. (Sekundäre Reizschwelle.) 8. Auch Futtersaft kann in starker Verdünnung gerochen werden. Fünf fein zerriebene Bachröhrenwürmer (Tubifex) (Gesamtgewicht durchschnittlich 25,36 mg) wurden noch wahrgenommen, wenn sie in 6,67 Billiarden cm3 Wasser (= 6,67 · 1015) aufgeschwemmt waren. 9. Aale können sich im Duftgefälle zu einer Duftquelle hin orientieren. Auch einer Duftspur vermögen sie zu folgen. Die Orientierung erfolgt dabei nach Versuch und Irrtum (sukzessive Differenzwahrnehmung), nicht aber durch eine topotaktische Einstellung (simultane Differenz-Wahrnehmung). — Neben der Orientierung in der Horizontalebene spielt vor allem die Orientierung in der Vertikalen eine bedeutende Rolle im Leben der Aale. 10. Es werden neue Angaben über Bau und Arbeitsweise der Nase gemacht. Die Riechschleimhautflächen (beider Nasen zusammen) betragen bei 10–15 cm langen Aalen zwischen 14 und 20 mm2. Auf jedem Quadratmillimeter stehen 42000–45000 Riechsinneszellen. Die beiden Nasenhöhlen enthalten zusammen zwischen 0,15 und 0,4 mm3 Wasser. Die schnellsten Durchströmungszeiten (gemessen vom vorderen zum hinteren Nasenloch) liegen im Durchschnitt zwischen 1,89 und 2,06 sec. Die langsamste Durchströmung (bei längerer innerer Verwirbelung) dauert 8,50 bis 9,98 sec. 11. Aus diesen Ergebnissen läßt sich durch Überschlagsrechnung wahrscheinlich machen, daß sich bei den nachgewiesenen Schwellenkonzentrationen stets nur jeweils eine einzige Duftmolekel in einer der beiden Nasen befindet. Der spezialisierte Nasenbau erscheint geeignet, die Duftmolekeln quantitativ aus dem strömenden Wasser in der Nasenhöhle herauszufiltern. In den Schwellenkonzentrationen dürfte es zu zentraler Dufterregung erst dann kommen, wenn zwei oder mehr Reizmeldungen von den Nasen her eingetroffen sind. Der zeitliche Abstand der einzelnen Reizmeldungen (verursacht durch den Zeitabstand im Eintreffen der Molekeln in der Nase) kann vermutlich maximal drei oder etwas mehr Sekunden betragen. Wird dieser zeitliche Abstand überschritten, so kommt es zu keiner zentralen Erregung. Der Reiz wird unterschwellig. 12. Die Geruchsleistungen der Aale werden mit den Geruchsleistungen anderer Tiere und des Menschen verglichen. Hinsichtlich der wahrgenommenen Molekelkonzentrationen pro cm3 steht der Aal gleichrangig neben dem Hund. Dieser unterbietet den Aal nur bei einzelnen Riechstoffen. Alle anderen bisher exakt untersuchten Tiere sowie der Mensch weisen erheblich schlechtere Geruchsleistungen auf. 13. Die Frage nach der biologischen Bedeutung des hervorragenden Geruchssinnes der Aale wird erörtert. Insbesondere wird die Möglichkeit einer Geruchsorientierung der laichreifen Blankaale zur Sargassosee hin diskutiert. Das Problem ist jedoch mit den bisherigen Kenntnissen über die Aalwanderungen und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln noch nicht zu lösen.
Type of Medium:
Electronic Resource
URL:
http://dx.doi.org/10.1007/BF00333612
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