ISSN:
1432-1351
Source:
Springer Online Journal Archives 1860-2000
Topics:
Biology
,
Medicine
Notes:
Zusammenfassung 1. Das Auge von Daphnia pulex ist ein Appositionsauge von annähernd kugeliger Gestalt, zusammengesetzt aus 22 Ommatidien, die ziemlich gleichmäßig über die Oberfläche verteilt sind. Das einzelne Ommatidium ist zum eukonen Bautypus zu rechnen. Es fehlen Corneagen- und Kegelzellen. Eine Pigmentwanderung ist nicht nachweisbar. 2. Das Intensitätsintervall, innerhalb dessen die Unterschiedsschwelle gelegen sein muß, läßt sich weitgehend einengen, ohne daß dadurch der Versuchsausfall beeinflußt würde. Die Unterschiedsschwelle ist also sehr scharf ausgeprägt und liegt, wenigstens für die Tiere einer Population, ganz identisch. Auch im Grenzgebiet der Unterschiedsschwelle richten sich die Tiere streng nach ihren optischen Eindrücken. 3. Für die Abhängigkeit der relativen Unterschiedsschwelle von der Intensität ergibt sich eine Kurve, die einen deutlichen Knick bei einer Intensität von etwa 400 Lux zeigt. Von hier steigt die Kurve nach beiden Seiten an; mit abnehmender Intensität wird diese Zunahme rasch größer, mit wachsender Intensität aber bald nur mehr gering. 4. Die Kurve für die Abhängigkeit der relativen Unterschiedsschwelle vom Logarithmus der Intensität zeigt den gleichen Knick, doch liegen die Punkte jederseits des Knickes auf einer Geraden. Diese Kurve zeigt keinerlei Ähnlichkeit mit den entsprechenden an anderen Objekten ermittelten Kurven. Im besonderen zeigt sie noch bei Intensitäten einen kräftigen Abfall, wo dies sonst nie mehr der Fall ist. 5. Die absolute Unterschiedsschwelle ist bis zu einer Intensität von 400 Lux konstant, dann wächst sie als lineare Funktion der Intensität. Es ist also ebenfalls der Knick bei 400 Lux vorhanden. 6. Die für Daphnia gefundenen Kurven lassen sich auf keinen Fall als stetige Exponentialkurven deuten. 7. Die Unterscheidung der Helligkeiten muß auf dem Wege zwischen Sinnesorgan und Erfolgsorgan stattfinden. Auf diesem Wege lassen sich in der Regel vier aufeinanderfolgende Stufen unterscheiden: 1. Die Auslösung chemischer Prozesse im Sinnesorgan durch den Reiz. 2. Die Auslösung einer Nervenerregung durch das Endprodukt der chemischen Prozesse. 3. Die Weiterleitung der Nervenerregung. 4. Die Übertragung der Nervenerregung auf das Erfolgsorgan. 8. Es wird angenommen, daß die von Hartline und Graham (1932) für Limulus gefundene Beziehung zwischen Reiz und Aktionsstromfrequenz in ihrer allgemeinen Form auch für Daphnia Gültigkeit hat. Danach tritt nach Setzung eines wirksamen Reizes zunächst eine maximale Anfangsfrequenz (Maximalfrequenz) des Aktionsstromes auf, die in wenigen Sekunden zur Dauerfrequenz absinkt. Jene ist bis zum Intensitätsbereich des direkten Sonnenlichtes eine lineare Funktion des Logarithmus der Intensität, diese eine lineare Funktion der hundertsten Wurzel der Intensität. 9. Hinsichtlich der Umwandlung des Reizes in Nervenerregung werden die Hechtschen Anschauungen zugrunde gelegt: Expositions zeitprozeß S ⇄ A + P; Latenzzeitprozeß: L ⇄ T. 10. Es wird angenommen, daß die Aktionsstromfrequenz direkt proportional ist dem Niveau von T. 11. Das Auftreten einer maximalen Anfangsfrequenz und anderer anfänglicher Frequenzstörungen läßt sich durch eine gewisse Trägheit der Wiederaufbauprozesse erklären. 12. Es gibt Fälle, wo das Zerfallsprodukt des Latenzzeitprozesses direkt auf das Erfolgsorgan einwirkt unter Umgehung des Nervensystems. Reaktionsauslösend ist nur eine Niveauänderung von T. 13. Wenn das Nervensystem am Zustandekommen der Reflexe beteiligt ist, können nach dem Verhalten der Tiere zwei Arten von Reaktionen unterschieden werden: 1. Der Aktionsstrom wirkt an sich reaktionsauslösend, die Reaktion dauert so lange an, wie der AktionsStrom währt (Phototaxis). 2. Der Aktionsstrom an sich ist nicht reaktionsauslösend, sondern nur eine Frequenzänderung (Licht- und Schattenreflex, optomotorische Reaktionen usw.). In diesem Falle ist im Zentralnervensystem eine selektive Sperre eingeschaltet, die nur bei Frequenzänderung den Aktionsstrom vorübergehend durchläßt, sich aber in ganz kurzer Zeit auf die neue Frequenz einstellt. 14. Im simultanen Zweilichterversuch werden von den beiden Lichtquellen stets verschiedene Ommatidien getroffen. Von jeder Lichtquelle wird ein Reflex ausgelöst, der für sich allein das Tier der betreffenden Lichtquelle zulenken würde. Da die beiden Reflexe auf das gleiche Erfolgsorgan, aber in gegensätzlicher Weise einzuwirken suchen, müssen sie in Wettstreit geraten. 15. Die den Reizen entsprechenden Aktionsströme werden auf getrennten afferenten Bahnen dem Gehirn zugeleitet, dort aber auf die selben efferenten Bahnen umgeschaltet. Die beiden Aktionsströme treffen also im Gehirn aufeinander. 16. Das Gehirn stellt nur ein übergeordnetes Hemmungszentrum dar, das bewirkt, daß abwechselnd dem einen Reflex der Weg zum Erfolgsorgan freigegeben, der andere aber gehemmt wird. Durch bevorzugte Freigabe des einen Reflexes kommt es zur Bevorzugung der helleren Lichtquelle. 17. Maßgebend für die Helligkeitsunterscheidung ist der Frequenz unterschied der Aktionsströme. 18. Die Adaptation an die Helligkeitsverhältnisse vor Versuchsbeginn hat keinen Einfluß auf den Versuchsausfall. 19. Der Knick in den empirisch gefundenen Kurven kann weder durch die Beteiligung einer wechselnden Zahl von Ommatidien, noch durch eine Änderung eines Schaltmechanismus im Gehirn, sondern nur durch das Vorhandensein zweier verschiedener Sehstoffe im Auge erklärt werden. Der bei niedrigen Intensitäten funktionierende Sehstoff wird als N-Stoff, der andere als H-Stoff bezeichnet. 20. Damit ist zum ersten Mal auf physiologischem Wege das Bestehen einer Duplizitätstheorie des Sehens für einen Wirbellosen nachgewiesen. 21. Die Duplizitätstheorie für Daphnia unterscheidet sich wesentlich von der für die Wirbeltiere dadurch, daß beide Sehstoffe ein Farbensehen zu vermitteln vermögen, während der Sehpurpur der Wirbeltiere dazu nicht befähigt ist. Ferner ist der Wirkungsbereich des N-Stoffes viel größer, der des H-Stoffes viel kleiner (Übergangsbereich bei etwa 400 Lux) als der Wirkungsbereich von Stäbchen- und Zapfensubstanz (Übergangsbereich bei etwa 0,03 Lux). 22. Eine Lokalisierung der beiden Sehstoffe im Daphnienauge ist noch nicht möglich. Es kann aber vermutet werden, daß der H-Stoff sich in der Retinulazelle befindet, deren Nervenfaser zentral im Ommatidiennerven gelegen ist. Die übrigen Retinulazellen würden dann den N-Stoff enthalten.
Type of Medium:
Electronic Resource
URL:
http://dx.doi.org/10.1007/BF00304681
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