Publication Date:
2020-02-12
Description:
Das im Rahmen des Tsunami-Frühwarnsystems für den Indischen Ozean (GITEWS) in Indonesien aufgebaute Erdbebenmonitoring-System ist bereits seit September 2007 operationell. Das speziell für extrem kurze Vorwarnzeiten (〈 5 min) entwickelte Softwarepaket SeisComp3 hat auch schon beim Bengkulu- Beben am 12. September 2007 vor Sumatra (Mw 8.4) eine erfolgreiche Tsunami- Warnung in der bis dahin unerreicht kurzen Zeit von 4 1/2 Minuten nach Herdzeit ermöglicht. Um zu beurteilen, ob von einem im Meer gelegenen Erdbeben die Gefahr eines Tsunamis ausgeht, ist die Stärke des Bebens neben seiner Tiefe das wichtigste Kriterium. Die großen Tsunami-Erdbeben vor Nord-Sumatra 2004 und Java 2006 haben jedoch auf dramatischeWeise die nach wie vor großen Schwierigkeiten offenbart, die Stärke sehr großer Erdbeben in Echtzeit zuverlässig zu bestimmen. Die besondere Problematik besteht speziell im Fall Indonesiens in der Nähe der Küsten zu den Herden potentiell tsunamigener Erdbeben und daher kurzen Tsunami-Laufzeiten von z.T. weniger als 30 Minuten. Um dennoch rechtzeitig die Gefahr eines Tsunamis beurteilen und ggf. Evakuierungsmaßnahmen einleiten zu können, ist das Ziel (und die politische Vorgabe!) eine ausreichend genaue Bestimmung der Erdbebenstärke innerhalb von ca. 5 Minuten. Im Rahmen von GITEWS werden verschiedene Verfahren zur schnellen Magnitudenbestimmung evaluiert, implementiert und weiterentwickelt. Aufgrund ihrer hohen Ausbreitungsgeschwindigkeit bieten P-Wellen das Potential für die schnellsten Magnitudenmessungen, zumal die Epizentralregionen tsunamigener Beben (Sundagraben) nicht direkt zugänglich sind. Gutenberg und Richter haben bereits 1956 eine Raumwellenmagnitude entwickelt. Eine modifizierte Version hiervon ist unter der Bezeichnung “mb” noch heute eine geläufige Messgröße. Zu ihrer Bestimmung werden die Seismogramme in einem engen Frequenzband um 1 Hz gefiltert, was das Signal-Rausch-Verhältnis besonders bei kleinen Beben optimiert. Andererseits sättigt mb bereits ab Magnituden von ca. 5.5 und ist daher für besonders große Beben ungeeignet. Dagegen erlaubt die (wie ursprünglich bei Gutenberg und Richter) unter Verwendung des vollständigen, ungefilterten Breitband-Signals gewonnene Magnitude mB eine genaue Bestimmung der Erdbebenstärke bis mindestens Magnitude 8 (Bormann und Saul, 2008). Als Ergänzung zu mB wird im GITEWS-System darüber hinaus die Magnitude Mwp bestimmt (Tsuboi et al., 1999), die am Pacific Tsunami Warning Center verwendet wird. Mwp basiert zwar ebenfalls auf P-Wellen, erfordert jedoch aufwändiges Filtern der Daten. Durch die Verwendung ungefilterter Breitband-Seismogramme eignet sich besonders mB für den automatisierten Echtzeit-Betrieb, wo die Robustheit gegenüber möglichen Datenfehlern einen großen Vorteil gegenüber Mwp darstellt. Die vollautomatische Bestimmung von mB und Mwp sind fester Bestandteil von SeisComP3, das mittlerweile auch in etlichen weiteren Tsunami-Warnzentren im Indischen Ozean und verschiedenen Erdbebendiensten in Europa und weltweit installiert ist.
Keywords:
550 - Earth sciences
Type:
info:eu-repo/semantics/conferenceObject
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