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Naturschutz in Recht und Praxis<br />

1. Jahrgang<br />

Heft 1<br />

2002<br />

Aus dem Inhalt:<br />

TIDS<br />

Natur + Umwelt<br />

Interdisziplinäre Online-Zeitschrift<br />

für Naturschutz und <strong>Naturschutzrecht</strong><br />

Vogelschutz an Energiefreileitungen<br />

EU-Umweltprogramm<br />

FFH: Urteilsübersicht<br />

Rechtsprechung<br />

www.naturschutzrecht.<strong>net</strong>/online-zeitschrift<br />

ISSN: 1610-7837


Inhalt<br />

Fachbeitrag:<br />

Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen<br />

im novellierten Bundesnaturschutzgesetz, Anke Schumacher .......................................................... 2<br />

Europäische Union:<br />

Das 6. Umweltaktionsprogramm - ein neues „Grundgesetz“ für die Umweltpolitik der EU................... 13<br />

Rechtsprechungsübersicht:<br />

Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und Vogelschutz-Richtlinie ................................................................. 15<br />

Rechtsprechung:................................................................................................................................. 23<br />

EuGH, Urteil vom 11.9.2001 - C-71/99 Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats -<br />

Richtlinie 92/43/EWG - Erhaltung der natürlichen Lebensräume - Erhaltung der<br />

wild lebenden Tiere und Pflanzen - Artikel 4 Absatz 1 - Liste von Gebieten -<br />

Informationen über die Gebiete ........................................................................................................... 23<br />

BVerwG, Urteil vom 17.5.2002 - 4 A 28.01 Zu einer Alternativlösung i.S.d.<br />

Art. 6 Abs. 4 FFH-RL ........................................................................................................................... 29<br />

BVerwG, Urteil vom 28.6.2002 - 4 A 59/01 Anerkannte Naturschutzverbände:<br />

hier die Eröffnung rückwirkender Klagebefugnis durch das BNatSchGNeuregG ................................ 41<br />

BVerwG, Urteil vom 31.1.2002 - 4 A 15/01 Zum Begriff des faktischen Vogelschutzgebiets;<br />

Eignungsmerkmale; IBA-Verzeichnis 2000 und potentielles FFH- Gebiet........................................... 44<br />

Neue Bücher....................................................................................................................................... 67<br />

Termine ............................................................................................................................................... 70<br />

Impressum.......................................................................................................................................... 72<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 1


Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an<br />

Energiefreileitungen im novellierten<br />

Bundesnaturschutzgesetz<br />

von Anke Schumacher<br />

Schlagwörter: Vogelschutz, Vogelverluste, Freileitungen, Trassenplanung, Bundesnaturschutzgesetz,<br />

BNatSchG, Eingriffsregelung, FFH-Verträglichkeitsprüfung<br />

1. Einleitung<br />

Schon kurz nach der Errichtung der ersten Telegrafenleitungen zeigte sich, dass für Vögel eine Gefährdung<br />

durch die Verdrahtung der Landschaft ausgeht. Zahlreiche Leitungsanflüge von Zugvögeln endeten<br />

tödlich und der Telegraf wurde zum „Feind der Zugvögel“ erklärt (Goebel 1869). Bislang<br />

verunglücken jährlich unzählige Vögel an Energiefreileitungen. Dabei häuften sich die Meldungen über<br />

Unfälle – auch in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten – mit zunehmender Technisierung. Um<br />

Vögel zukünftig gegen das Risiko an Freileitungen besser zu schützen, wird durch § 53 BNatSchG eine<br />

Sicherungspflicht für neu zu errichtende und bestehende Strommasten von Mittelspannungsleitungen<br />

eingeführt. Die Neuaufnahme dieser Regelung gibt Anlass, die Gefährdungssituation von Vögeln an<br />

Freileitungen und die Schutzmöglichkeiten durch das novellierte BNatSchG zu betrachten.<br />

2. Gefährdung von Vögeln an Energiefreileitungen<br />

Energiefreileitungen stellen für die Vogelwelt ein erhebliches Gefährdungspotenzial dar. Bekannte<br />

Gefährdungsursachen sind:<br />

- Stromschlag,<br />

- Leitungsanflug,<br />

- Habitatverschlechterung (z.B. durch die Zerschne<strong>id</strong>ung von Lebensräumen),<br />

- Eingriff in Räuber-Beute-Beziehungen.<br />

Dagegen ist die Wirkung der von Freileitungen ausgehenden elektromag<strong>net</strong>ischen Felder auf Vögel<br />

sind – nach heutigem Wissensstand – als gering einzustufen (Silny 1997; Hamann et al. 1998).<br />

2.1 Stromschlag und Leitungsanflug als Verlustursachen<br />

Die Zahl der direkten Vogelverluste durch Stromschlag und Leitungsanflug an Stromleitungen sind<br />

beträchtlich, allein in Deutschland sterben jährlich mehrere Tausend Vögel. Betroffen sind z.B. Greifvögel,<br />

Eulen, Kraniche, Weiß- und Schwarzstörche. In Durchzugs- und Rastgebieten koll<strong>id</strong>ieren vor allem<br />

Enten, Watvögel, Rallen und Möwen (Hoerschelmann 1988). Grundsätzlich verunglücken Jungvögel<br />

sowie durchziehende Vögel weitaus häufiger als Brut- und Standvögel.<br />

In Europa wurden bislang Opfer von 179 Vogelarten registriert, neben häufigen Arten sind auch seltene<br />

Durchzügler, Wintergäste und stark bedrohte Brutvögel betroffen (Richarz 2001).<br />

Als Verlustursachen lassen sich der Stromschlag und der Leitungsanflug untersche<strong>id</strong>en. Für be<strong>id</strong>e sind<br />

unterschiedliche Abhilfemaßnahmen erforderlich.<br />

2.1.1 Stromschlag<br />

Stromschlag entsteht durch die Überbrückung von Spannungspotenzialen. Dies kann durch Erdschluss<br />

zwischen spannungsführenden Leitern und geerdeten Bauteilen oder als Kurzschluss zwischen Leiterseilen<br />

verschiedener Spannung geschehen. Diese Gefahren gehen vor allem von Mittelspannungsleitungen<br />

(1-60 kV) aus, da hier die relativ kleinen Isolationsstrecken von vielen Vögeln leicht überbrückt<br />

werden können. Am gefährlichsten sind diejenigen Konstruktionen, bei denen Drähte oberhalb des<br />

Querträgers verlaufen oder Armaturen die Mastköpfe überragen. Dies kann bei Tragmasten mit Stützisolatoren,<br />

gewissen Abspannmasten, Maststationen mit Transformator und Schaltermasten der Fall<br />

sein (Fiedler & Wissner 1989).<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 2


Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

Maßnahmen gegen Stromschlag: Beim Neubau und der Rekonstruktion von Mittelspannungs-Freileitungen<br />

sind nach DIN VDE 0210, Abschnitt 8.10 vogelfreundliche Mastkonstruktionen einzusetzen.<br />

Danach sind Querträger, Isolatorenstützen und sonstige Bauteile so auszubilden, dass den Vögeln<br />

keine Sitzgelegenheit in gefahrbringender Nähe von spannungsführenden Teilen gegeben wird. Bereits<br />

bestehende Masten können entsprechend nachgerüstet werden. Technische Details finden sich im<br />

Maßnahmenkatalog des VDEW (1991) gegen Stromschlag.<br />

2.1.2 Leitungsanflug<br />

Beim Leitungsanflug kann es zu einer Überbrückung von Leiterseilen verschiedener Spannung und<br />

somit zu einem Kurzschluss kommen.<br />

Grundsätzlich sind alle Vögel unabhängig von ihrer Größe durch Leitungsanflug gefährdet. Nachts und<br />

bei schlechter Sicht steigt das Unfallrisiko. Die meisten Anflüge scheinen an den ganz oben angeord<strong>net</strong>en,<br />

einzeln hängenden und besonders dünnen Erdseilen zu erfolgen, und zwar bei dem Versuch,<br />

die besser sichtbaren Leitungsbündel zu überfliegen (Hoerschelmann et al. 1988). So weichen Großvögel<br />

grundsätzlich nach oben aus, sie koll<strong>id</strong>ieren dann vor allem mit dem schlecht sichtbaren Erdseil,<br />

dem sie nicht mehr rechtzeitig ausweichen können (Bevanger & Brøseth 2001, Richarz 2001). Besonders<br />

hohe Verlustzahlen sind in Durchzugs- und Rastgebieten mit großen Vogelzahlen zu verzeichnen.<br />

Bei Zug- und Rastvögeln treten Nahreaktionen überproportional häufig auf (Bernshausen et al. 1997).<br />

Maßnahmen gegen Leitungsanflug: Insbesondere bei Trassenabschnitten mit erhöhter Kollisionsgefahr<br />

muss die Sichtbarkeit der Leitungen für Vögel durch optische Markierungen erhöht werden. Untersuchungen<br />

aus den Niederlanden zeigen, dass dadurch mit einer Reduzierung des Vogelschlagrisikos<br />

um bis zu 90% zu rechnen ist (Koops 1997). Durch die Ermittlung des Kollisionsrisikos können an<br />

besonders gefährlichen Stellen gezielt Abhilfemaßnahmen durchgeführt werden. Entsprechende Untersuchungen<br />

zur Ermittlung von Risikobereichen werden bereits durchgeführt (Bernshausen et al. 2000).<br />

2.1.3 Beispiele für Vogelverluste<br />

Entenvögel, Watvögel, Rallen, Möwen:<br />

Durchzugs- und Rastgebiete mit großen Vogelzahlen haben sich in Untersuchungen als „Unfallschwerpunkte“<br />

herausgestellt. In den küstennahe Niederungen und Feuchtgebieten des Binnenlandes verunglücken<br />

vor allem feuchtgebietsgebundene Arten wie Entenvögel, Rallen, Watvögel und Möwen.<br />

Heijnis (1980) registrierte an einem 2,85 km langen Kontrollabschnitt in fünf Jahren insgesamt 2968<br />

verletzt oder tot gefundene Vögel (davon 522 Blässhühner und je 245 Stock- und Krickenten), Grosse<br />

et al. (1980) zählten innerhalb von neun Jahren über 4000 Freileitungsopfer (davon ca. 900 Lachmöwen,<br />

884 Stockenten, 678 Blässhühner, 420 Bekassinen und 202 Krickenten). Hoerschelmann et al.<br />

(1988) suchten in 4 aufeinanderfolgenden Zugperioden (Herbst 1982-Frühjahr 1984) eine 4,5 km lange<br />

Strecke ab und sammelten 867 Freileitungsopfer auf (darunter 112 Kiebitze, 46 Stockenten, 39 Blässhühner,<br />

36 Lachmöwen und 33 Bekassinen).<br />

Da nie alle Anflugopfer gefunden werden (nur ca. 2/3 der verunglückten Vögel liegen im 30m-Umkreis<br />

zur Freileitung, verletzte Vögel schleppen sich oft noch aus den Leitungsbereich fort, tote oder verletzte<br />

Tiere werden von Räubern und Aasfressern schnell entfernt, Heijnis 1980), liegt die tatsächliche Opferzahl<br />

deutlich über den Funddaten. Unter Berücksichtigung eines Korrekturfaktors kann von einer tatsächlichen<br />

Verlustrate von 700 Vögeln (Heijnis 1980) bzw. 400 Vögeln pro Jahr und Leitungskilometer<br />

(Hoerschelmann et al. 1988) ausgegangen werden.<br />

Weißstorch:<br />

Die Verlustraten des Weißstorchs an Freileitungen sind durch zahlreiche Untersuchungen recht gut<br />

quantifizierbar. Bereits 1971 erfolgte eine detaillierte Aufstellung über die Todesursachen beim Weißstorch<br />

(Rieger & Winkel 1971). Von allen der Vogelwarte Helgoland gemeldeten Vögeln mit bekannter<br />

Todesursache kamen 40% durch Drahtanflug ums Leben. Bezieht man die Daten nur auf Deutschland,<br />

so waren 77% aller Funde mit bekannter Todesursache Freileitungsopfer.<br />

Ähnliche Zahlen wurden von Fiedler & Wissner (1980) ermittelt, hier kamen 70% aller gefundenen<br />

Todesopfer durch Freileitungen ums Leben (davon 84% durch Stromschlag und 16% durch Leitungsanflug).<br />

In der Schweiz sind nachweislich 59% der Weißstörche mit bekannter Todesursache Freileitungsopfer,<br />

der überwiegende Teil (88%) sind Stromschlagopfer (Moritzi et al. 2001).<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 3


Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

Greifvögel und Eulen:<br />

Greifvögel und Eulen nutzen Freileitungsmasten häufig als Ansitz, bestimmte Masttypen bergen für sie<br />

ein tödliches Risiko. Anhand von Telemetriedaten wurden z.T. hohe Verlustraten durch Stromschlag<br />

ermittelt.<br />

Seit 1990 wurden in Brandenburg 38 Seeadler tot aufgefunden, davon konnten 9 (= 23 %) als Stromschlagopfer<br />

<strong>id</strong>entifiziert werden (Langgemach & Böhmer 1997). In Schleswig-Holstein waren von 21<br />

Adlern (16 mit bekannter Todesursache) 2 Stromschlagopfer und 1 Anflugsopfer, in Schweden waren<br />

14 von 45 gefundenen Seeadlern (= 31%) Freileitungsopfer (Struwe-Juhl & Latendorf 1997).<br />

Für den Wanderfalken ermittelte Webs (1971) eine Verlustrate durch Hochspannung von 10% (6 von<br />

60 gefundenen Vögeln). In den Jahren 1985-1994 registrierte Haas (1995) in Baden-Württemberg 9<br />

von 57 Vögeln mit bekannter Todesursache als Stromschlagopfer, von insgesamt 29 Anflugopfern<br />

waren 5 sicher durch Kollision mit einer Freileitung verletzt oder getötet worden. Weitere 12 Anflugopfer<br />

konnten nicht sicher eingeord<strong>net</strong> werden, der Großteil dürfte jedoch ebenfalls durch Leiterseilkollision<br />

verunglückt sein.<br />

Beim Uhu gehören die Verluste durch Freileitungen zu den häufigsten Todesursachen. In Baden-<br />

Württemberg wurden in den Jahren 1960-1975 insgesamt 44 beringte tote Uhus gemeldet, über 1/3<br />

von ihnen waren Freileitungsopfer (Hölzinger 1987). In Brandenburg wurden zwischen 1991 und 1996<br />

12 Todfunde registriert, wobei 4 Uhus an Freileitungen verunglückten. Auch aus anderen Regionen<br />

werden hohe Verluste (21-45%) gemeldet, die Verdrahtung der Landschaft wird daher als ein wesentlicher<br />

einschränkender Faktor für die Stabilität der Uhu-Bestände eingeschätzt (Langgemach & Böhmer<br />

1997). Für die Italienischen Alpen wird die Verlustrate mit über 50% angegeben (Rubolini et al. 2001).<br />

Großtrappe:<br />

Die Bestandssituation der Großtrappe ist in Deutschland sehr kritisch. Um 1940 gab es allein in Brandenburg<br />

noch etwa 3000 Großtrappen. Von 1200 Tieren im Jahr 1960 verringerte sich der Bestand<br />

1999 bis auf 65/66 Tiere (Ryslavy 2001). Die wesentlichen Ursachen für den Bestandsrückgang liegen<br />

vor allem in der Einengung und Veränderung der Lebensräume durch die Intensivierung der Landwirtschaft<br />

und die ständig zunehmende Zersiedlung der Landschaft (Litzbarski & Litzbarski 1996). Die<br />

intensive Bewirtschaftung führt zu zahlreichen Störungen, brütende Hennen verlieren dadurch oft ihre<br />

Gelege. Für ausgeschlüpfte Trappenküken, die in der ersten Lebenswoche ausschließlich Insekten u.a.<br />

wirbellose Tiere fressen, fehlt es häufig an geeig<strong>net</strong>er Nahrung, da durch den Einsatz chemischer<br />

Pflanzenschutzmittel das Insektenangebot stark reduziert ist. Extreme Witterungsbedingungen und<br />

Prädatoren haben den Großtrappenbestände ebenfalls negativ beeinflusst.<br />

Zusätzlich hat aber auch Verdrahtung der Landschaft zu empfindlichen Bestandsverlusten geführt. So<br />

wurden im Winter 1984/85 an einer neu errichteten 110-kV-Leitung in nur 3 Monaten 7 Anflugopfer<br />

gefunden, zwei weitere Bestände erloschen, nachdem ihre Balz- und Brutgebiete sowie ihre Wintereinstände<br />

von Energiefreileitungen überspannt wurden (Litzbarski & Litzbarski 1996).<br />

Von der Gefahr des Leitungsanflugs sind die Trappenhähne besonders betroffen, da sie aufgrund ihres<br />

hohen Körpergewichts und einer Fluggeschwindigkeit von bis zu 50 km/h den Leiterseilen kaum ausweichen<br />

können.<br />

2.2 Habitatverschlechterung und Eingriff in Räuber-Beute-Beziehungen<br />

Für einige Vogelarten wurden verminderte Raumnutzungsintensitäten im Nahbereich von Leitungstrassen<br />

festgestellt. Durch die Errichtung von Freileitungstrassen können Brutbiotope entwertet oder<br />

gefährdet werden. In Baden Württemberg wurde nachgewiesen, dass ehemals besetzte Brutplätze<br />

nach der Errichtung von Hochspannungsleitungen von Kiebitz, Bekassine und Großem Brachvogel<br />

gemieden wurden (Hölzinger 1987). In Westzijderveld und de Reef (Holland) nutzten Kiebitze, Uferschnepfen,<br />

Bekassinen und Kampfläufer die Bereiche entlang von Hochspannungsleitungen auf einer<br />

Breite von ca. 100 m nicht mehr als Brutplätze (Heijnis 1980). Bei Untersuchungen im Elbe-Weser-<br />

Dreieck konnte jedoch kein Einfluss von Hochspannungsleitungen auf das Brutverhalten von Kiebitz<br />

und Großem Brachvogel beobachtet werden, das Brutverhalten des Kiebitz zeigte jedoch eine starke<br />

Abhängigkeit von der Nutzung: We<strong>id</strong>en wurden gegenüber Wiesen bevorzugt. Dagegen konnte für die<br />

Feldlerche eine signifikante Bevorzugung leitungsferner Bereiche nachgewiesen werden (Altemüller &<br />

Reich 1997).<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 4


Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

Auch überwinternde Gänse me<strong>id</strong>en leitungsnahe Bereiche, der nutzbare Lebensraum wird durch die<br />

Freileitungen eingeschränkt. In Trassennähe (40-60 m Abstand) grasen deutlich weniger Gänse als in<br />

trassenfernen Bereichen, auch werden kleine We<strong>id</strong>eflächen, die durch Freileitungen von der restlichen<br />

Fläche getrennt sind, kaum noch genutzt. Zudem tritt in Trassennähe mehr Sichern und weniger Komfortverhalten<br />

auf (Ballasus & Sossinka 1997, Sossinka 2000).<br />

Gleichzeitig bieten Strommasten auch Sitzwarten und neuartige Brutmöglichkeiten für beutegreifende<br />

Vögel (z.B. Baumfalke, Fischadler, Krähen), die dadurch in bisher von ihnen nicht besiedelte Habitate<br />

vordringen können, z.B. wenn die Trassen die offene Feldflur queren. Verschiebungen im Räuber-<br />

Beute-Verhältnis können die Folge sein. Kolkraben und Rabenkrähen nehmen Gittermasttraversen<br />

gerne als Brutplatz, Turmfalken und Baumfalken nutzen diese Nester oft nach. Im Altenburger und<br />

Kohrener Land lagen 12 von 15 Baumfalkenhorsten auf Masten (Weissgerber & Zwiener 2001).<br />

In Nordost-Deutschland brütet der Fischadler heute bereits häufiger auf Masten als auf Bäumen, der<br />

Reproduktionserfolg der Mastbrüter ist dabei höher als bei den Baumbrütern (Meyburg et al. 1995).<br />

Eine Zunahme der Prädation durch auf Strommasten sitzenden Greifvögel und Rabenvögel ist bei Wiesenvögeln<br />

(z.B. Kiebitz, Rotschenkel, Großer Brachvogel) zu beobachten. Während fliegende Beutegreifer<br />

oft erfolgreich durch Luftangriffe aus der Nestumgebung vertrieben werden können, versagt<br />

diese Abwehrstrategie gegen ansitzende Vögel. Vielmehr haben diese die Möglichkeit, die brütenden<br />

Limikolen ausdauernd zu beobachten und auf eine Gelegenheit zu warten. Dann kann eine einzige Störung<br />

(z.B. durch Menschen) ausreichen, um dem Beutegreifer den Weg zum Gelege frei zu machen<br />

(Altenkamp et al. 2001). Bei kritischen Bestandsgrößen kann dies zum Erlöschen von Populationen<br />

führen.<br />

3. Regelungen im novellierten Bundesnaturschutzgesetz zum Vogelschutz an Freileitungen<br />

3.1 Schutz gegen Stromschlag - § 53 BNatSchG<br />

Der Bau von Starkstrom-Freileitungen erfolgt in Deutschland nach den Vorgaben der DIN VDE 0210/<br />

12.85. Bereits 1923 wurde in die damals geltende Norm eine Bestimmung zum Vogelschutz eingeführt:<br />

Strommasten waren „möglichst so auszubilden, dass Vögeln keine Sitzgelegenheit in gefahrbringender<br />

Nähe des unter Spannung stehenden Leiters gegeben ist“. Diese Bestimmung wurde 1969 ersatzlos<br />

gestrichen (Hölzinger 1987). Im Jahre 1986 kam es zur Wiederaufnahme des Vogelschutzes in die<br />

DIN-Norm und zur Erstellung eines Maßnahmenkatalogs, der Vorgaben zur Entschärfung vogelgefährdender<br />

Masten enthält.<br />

Flächendeckende Abhilfemaßnahmen wurden bislang jedoch nicht durchgeführt, weshalb die Energieversorgungsunternehmen<br />

nun zu entsprechendem Handeln gesetzlich verpflichtet worden sind. Von<br />

den bekannten Gefährdungsursachen wird durch § 53 BNatSchG allerdings nur der Stromschlag<br />

erfasst.<br />

Gefahrenbringend sind grundsätzlich alle Masten mit Erdpotenzial am Mastkopf und unzureichenden<br />

Abständen zwischen den spannungsführenden Leitungen, wie:<br />

- Beton- und Stahlgittermasten mit Stützisolatoren,<br />

- Maststationen mit Transformator,<br />

- bestimmte Schaltermasten,<br />

- Abspannmasten mit über den Querträgern geführten Stromschlaufen,<br />

- Abspannmasten mit zu kurzen Isolatorketten (unter 60 cm),<br />

- bestimmte Trafohäuser.<br />

Eine besondere Stromschlaggefahr geht insbesondere von älteren Mittelspannungsmasten aus.<br />

Zur nachträglichen Sicherung bestehender Leitungsmasten wurde von Natur- und Umweltschutzverbänden<br />

und den Energieversorgungsunternehmen gemeinsam ein Maßnahmenkatalog erarbeitet<br />

(VDEW 1991). Technisch stellt die Nachrüstung kein Problem dar. Um den Leitungs<strong>net</strong>z-Betreibern<br />

genügend Zeit zur Nachrüstung bestehender, unzureichend gesicherter Energieanlagen einzuräumen,<br />

wurde eine Übergangsfrist von 10 Jahren festgelegt. Die Nachrüstung ist somit im Rahmen der laufenden<br />

Unterhaltungsarbeiten an Freileitungen durchführbar.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 5


Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

Der Neubau von Masten wird von den Energieversorgungsunternehmen grundsätzlich nach den Vorgaben<br />

der DIN VDE 0210 durchgeführt, die in Abschnitt 8.10 auch die entsprechenden Schutzmaßnahmen<br />

gegen Vogelschlag beinhaltet. Zum Schutz von Vogelarten sind neu zu errichtende Masten und<br />

technische Bauteile von Mittelspannungsleitungen konstruktiv so auszuführen, dass Vögel gegen<br />

Stromschlag geschützt sind. Der Verweis auf die konstruktive Ausführung neu zu errichtender Masten<br />

und technischer Bauteile schließt aus, dass Hilfsvorrichtungen wie Abweiser, Abdeckhauben u.a. zur<br />

Anwendung gelangen. Diese gewährleisten keinen absoluten Schutz und erreichen mit ca. 20 Jahren<br />

nicht die Lebensdauer der Masten von ca. 50 Jahren. Fallen die Hilfsvorrichtungen ab, entfällt die<br />

Schutzwirkung. Bei konstruktiven Lösungen, wie es z.B. hängende Isolatoren darstellen, ist eine dauerhafte<br />

Schutzwirkung vorhanden.<br />

Ausdrücklich von der Regelung des § 53 BNatSchG ausgenommen wurden die Oberleitungsanlagen<br />

der Bahn, da hierzu auf EU-Ebene an einer entsprechenden EU-Richtlinie gearbeitet wird. Allerdings<br />

hat sich die Deutsche Bahn bereit erklärt, in Zusammenarbeit mit dem NABU einen Maßnahmenkatalog<br />

für Bahn-Stromtrassen zu erarbeiten (NABU 2001).<br />

3.2 Schutz gegen Leitungsanflug<br />

Während die Sicherung von Masten gegen Stromschlag nunmehr durch § 53 BNatSchG gesetzlich vorgeschrieben<br />

ist, muss bei der Entschärfung von bestehenden Leitungsabschnitten mit Vogelverlusten<br />

durch Anflug weiterhin auf die Freiwilligkeit der Energieversorgungsunternehmen gesetzt werden. Ihre<br />

Bereitschaft, an potenziellen Gefahrenpunkten Abhilfemaßnahmen durchzuführen, haben sie mehrfach<br />

bekundet. Wirksame technische Möglichkeiten zum Schutz gegen Leitungsanflug sind längst vorhanden<br />

(vgl. APLIC 1994).<br />

Für die nachträgliche Sicherung von Leitungsabschnitten hat sich das Anbringen von Markern mit<br />

Schwarz-Weiß-Blinkeffekten bewährt, die das Erkennen der Leitungen - insbesondere des Erdseils -<br />

erleichtern und die auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen noch wahrgenommen werden können<br />

(Haack 1997). Beim Bau neuer Leitungstrassen kommt zusätzlich auch die Verwendung von farbig und<br />

kontrastreich markierten Leiterseilen sowie die Erdverkabelung in Frage.<br />

Leitungsabschnitte mit hohen Verlustraten befinden sich vor allem in Durchzugs- und Rastgebieten mit<br />

hohen Vogelzahlen. Hier ist eine flächendeckende Entschärfung - soweit noch nicht geschehen -<br />

schnellstmöglich anzustreben, um die enormen Verluste zu reduzieren.<br />

In weiten Teilen des Binnenlandes tritt nur punktuell eine Gefährdung durch Leitungsanflug auf. Eine<br />

methodische Erfassung dieses Vogelschlagrisikos (Bernshausen et al. 2000) ergab bspw. im Versorgungsbereich<br />

der RWE eine Markierungsnotwendigkeit für ca. 70 km des Leitungs<strong>net</strong>zes (= 2,1% der<br />

gesamten Trassenlänge). Bis 2003 sollen alle diese Bereiche mit besonders hohem Vogelschlagrisiko<br />

entschärft werden. Eine derartige Identifizierung und Entschärfung der Risikobereiche wäre auch für<br />

die Leitungs<strong>net</strong>ze der übrigen Energieversorgungsunternehmen wünschenswert.<br />

Hinweise auf besondere Risikobereiche geben natürlich auch die (meist zufälligen) Funde von Freileitungsopfern.<br />

Durch eine zentrale Sammlung und Auswertung dieser Funddaten können Gefahrpunkte<br />

ersichtlich und Maßnahmen zur Entschärfung derartiger Abschnitte eingeleitet werden.<br />

Handlungsauftrag an den Gesetzgeber?<br />

Ein Handlungsauftrag an den Gesetzgeber kann sich ergeben, wenn die technisch möglichen Sicherungsmaßnahmen<br />

gegen Leitungsanflug nicht in ausreichendem Maße durchgeführt werden.<br />

Dieser Handlungsauftrag leitet sich aus den in den §§ 1 und 2 des Bundesnaturschutzgesetzes formulierten<br />

Zielen und Grundsätzen ab. Danach sind Natur und Landschaft so zu schützen, dass die Tierund<br />

Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensstätten und Lebensräume auf Dauer gesichert sind.<br />

Ebenso sind die wild lebenden Tiere und Pflanzen und ihre Lebensgemeinschaften in ihrer natürlichen<br />

und historisch gewachsenen Artenvielfalt zu schützen. Ihre Biotope und ihre sonstigen Lebensbedingungen<br />

sind zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln oder wiederherzustellen.<br />

Verme<strong>id</strong>bare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft müssen und dürfen durch den Gesetzgeber<br />

nicht tatenlos hingenommen werden. Um der Schutzverpflichtung gegenüber der Natur nachzukommen,<br />

können Regelungen (analog zu § 53) erlassen werden, die Dritte (hier die<br />

Energieversorgungsunternehmen) zu einem entsprechenden Tun verpflichten.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 6


Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

3.3 Berücksichtigung des Vogelschutzes bei der Planung und Errichtung neuer Leitungstrassen<br />

Eine für Vogelschutzbelange optimierte Trassenplanung kann die Vogelverluste an Freileitungen in<br />

Grenzen halten.<br />

Für die Berücksichtigung des Vogelschutzes bei der Trassenplanung bieten die Regelungen des novellierten<br />

BNatSchG folgende Ansatzpunkte:<br />

- Landschaftsplanung (§§ 13 ff. BNatSchG)<br />

- Bündelung von Trassen (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 BNatSchG)<br />

- Eingriffsregelung (§§ 18 ff. BNatSchG)<br />

- Natura 2000-Schutzgebiete (§§ 32 ff.)<br />

3.3.1 Landschaftsplanung (§§ 13 ff. BNatSchG)<br />

Die Landschaftsplanung hat die Aufgabe, die Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und<br />

der Landschaftspflege für den jeweiligen Planungsraum darzustellen und zu begründen (§ 13 Abs. 1<br />

Satz 1). Unter anderem sollen die Pläne nach § 14 Abs. 1 Angaben enthalten über<br />

- den vorhandenen und den zu erwartenden Zustand von Natur und Landschaft,<br />

- die konkretisierten Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege,<br />

- die Beurteilung des vorhandenen und zu erwartenden Zustands von Natur und Landschaft nach<br />

Maßgabe dieser Ziele und Grundsätze, einschließlich der sich daraus ergebenden Konflikte,<br />

- die Erfordernisse und Maßnahmen zur Verme<strong>id</strong>ung, Minderung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen<br />

von Natur und Landschaft.<br />

In Planungen und Verwaltungsverfahren sind die Inhalte der Landschaftsplanung zu berücksichtigen.<br />

Soweit den Inhalten der Landschaftsplanung in den Entsche<strong>id</strong>ungen nicht Rechnung getragen werden<br />

kann, ist dies zu begründen (§ 14 Abs. 2).<br />

Durch die im novellierten BNatSchG verankerte flächendeckende Aufstellungspflicht von Plänen und<br />

die Konkretisierung ihrer Mindestinhalte hat die Landschaftsplanung eine Stärkung erfahren. Für den<br />

Vogelschutz bedeutet dies:<br />

Gebiete, die für die Belange des Vogelschutzes von besonderer Bedeutung sind, können in den Plänen<br />

konkret dargestellt werden. Hierzu eignen sich sowohl die auf überörtlicher Ebene zu erstellenden<br />

Landschaftsrahmenpläne (Maßstab 1:50.000 bis 1:25.000) als auch die auf örtlicher Ebene zu erstellenden<br />

Landschaftspläne (Maßstab 1:10.000 bis 1:5.000). Die sich durch die Trassierung von Freileitungen<br />

ergebenden möglichen Konflikte mit den Belangen des Vogelschutzes können frühzeitig<br />

benannt werden. Eine eventuelle Trassenplanung hat hierauf Rücksicht zu nehmen. Die Landschaftsplanung<br />

greift also schon vor der eigentlichen Planungsphase für Leitungstrassen, in dem sie Konfliktfelder<br />

aufzeigen kann.<br />

3.3.2 Bündelung von Trassen (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 BNatSchG)<br />

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 sind bei der Planung von ortsfesten baulichen Anlagen, Verkehrswegen, Energieleitungen<br />

und ähnlichen Vorhaben die natürlichen Landschaftsstrukturen zu berücksichtigen. Sie<br />

sollen so zusammengefasst werden, dass die Zerschne<strong>id</strong>ung und der Verbrauch von Landschaft so<br />

gering wie möglich gehalten werden.<br />

Die Bündelung von Leitungen kann zu einer besseren Erkennbarkeit für Vögel führen und dadurch das<br />

Vogelverhalten vor dem Hindernis positiv verändern. Zudem drängt sich eine Parallelführung als diejenige<br />

Trassenvariante auf, die regelmäßig Natur und Landschaft am wenigsten belastet (BVerwG,<br />

Beschl. v. 15.9.1995 Az: 11 VR 16/95). Aufgrund ihrer Bedeutung für den Naturschutz sollten unzerschnittene<br />

verkehrsarme Räume von einer Nutzung möglichst freigehalten werden.<br />

3.3.3 Eingriffsregelung (§§ 18 ff. BNatSchG)<br />

Der Bau neuer Leitungstrassen ist mit einem Eingriff in Natur und Landschaft verbunden. Die möglichen<br />

Folgen dieses Eingriffes für die Natur sind in der Planungsphase zu ermitteln und zu bewerten.<br />

Dabei ist auch die Möglichkeit alternativer Standorte/Trassenführungen in die Untersuchungen einzubeziehen.<br />

Nach § 19 Abs. 1 und 2 ist der Verursacher eines Eingriffs dazu verpflichtet, verme<strong>id</strong>bare<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 7


Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen bzw. unverme<strong>id</strong>bare Beeinträchtigungen<br />

durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorrangig auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen)<br />

oder in sonstiger Weise zu kompensieren (Ersatzmaßnahmen). Ziel der Eingriffsregelung<br />

ist es, den vorhandenen Zustand von Natur und Landschaft zu bewahren.<br />

Um ein zusätzliches naturschutzrechtliches Genehmigungsverfahren zu verme<strong>id</strong>en, geschieht der Vollzug<br />

der Eingriffsregelung nach dem sogenannten „Huckepackprinzip“, d.h. die Entsche<strong>id</strong>ungen und<br />

Maßnahmen aufgrund der Eingriffsregelung werden grundsätzlich im Rahmen anderweitiger Verfahren<br />

(z. B. Genehmigung, Planfeststellung, Erlaubnis, Bewilligung, Befreiung) von den dafür zuständigen<br />

Behörde getroffen (vgl. z.B. Fischer-Hüftle 2002). Bei UVP-pflichtigen Vorhaben erfolgen die Ermittlung<br />

und die Bewertung der Vorhabens-Auswirkungen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung.<br />

Eine generelle UVP-Pflicht besteht für die Errichtung und Betrieb einer Hochspannungsfreileitung ab<br />

einer Länge von mehr als 15 km und einer Nennspannung von 220 kV oder mehr. Bei einer Länge von<br />

mehr als 15 km und einer Nennspannung von 110 kV bis zu 220 kV sowie bei einer Länge von 5 km bis<br />

15 km und einer Nennspannung von 110 kV oder mehr, ist eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls<br />

festgelegt. Bei Leitungen mit einer Länge von weniger als 5 km und einer Nennspannung von 110 kV<br />

oder mehr wird die UVP-Pflicht aufgrund der standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls ermittelt.<br />

Der Bau aller übrigen Freileitungstrassen unterliegt keiner UVP-Pflicht.<br />

Sowohl in der UVP als auch bei der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für nicht-UVP-pflichtige<br />

Vorhaben wird also:<br />

1. der Zustand von Naturhaushalt und Landschaftsbild vor dem Eingriff erfasst und beschrieben,<br />

2. die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens beim Bau und in der Betriebsphase daraufhin<br />

abgeschätzt, ob es zu erheblichen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft kommen kann,<br />

3. ermittelt, wie diese erheblichen Beeinträchtigungen voraussichtlich vermieden werden und wie<br />

unverme<strong>id</strong>bare Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können. Ist kein (vollständiger) Ausgleich<br />

zu erreichen, sind mögliche Ersatzmaßnahmen zu prüfen.<br />

Der Umfang der Bestandsaufnahme zur Feststellung des Ist-Zustandes hängt zwar vom Einzelfall ab,<br />

er muss jedoch so umfangreich sein, dass das Vorhaben in Bezug auf die Beeinträchtigungen von<br />

Naturhaushalt und Landschaftsbild in problemangemessener Weise bewertet werden kann.<br />

Da für Freileitungstrassen bekannt ist, dass von ihnen erhebliche Beeinträchtigungen der Avifauna<br />

ausgehen können, ist eine Ermittlung und Bewertung dieses Sachverhaltes von besonderer Bedeutung.<br />

Werden solche Ermittlungen unterlassen, obwohl sie sich hätten aufdrängen müssen, bedeutet<br />

dies einen Verfahrensfehler, der für das Abwägungsergebnis ursächlich sein kann (BVerwG, Beschl. v.<br />

9.3.1993, Az: 4 B 190.92). Das bedeutet, dass die z.B. von Richarz (2001) beklagte Praxis, die Bewertung<br />

von Eingriffen durch Leitungstrassen aufgrund pauschaler Annahmen und unzutreffender Grundvoraussetzungen<br />

durchzuführen, den gesetzlichen Vorgaben wohl nicht genügt und fehlerbehaftet sein<br />

kann. Wenn sich ein Bewertungsverfahren als unzulängliches oder gar als ungeeig<strong>net</strong>es Mittel erweist,<br />

um den Anforderungen der Eingriffsregelung gerecht zu werden, ist das Ergebnis der Bewertung zu<br />

nicht korrekt und zu beanstanden (BVerwG, Urt. v. 31.1.2002 Az: 4 A 15.01). Auch eine nur eingeschränkte<br />

Betrachtung der Elemente und Funktionen des Naturhaushalts (z.B. durch Würdigung lediglich<br />

von Biotopen) ist fehlerhaft (VGH Kassel, Urt. v. 25.5.2000, Az: 4 N 2660/91).<br />

Entsprechend dem bekannten Gefährdungspotenzial, das von Freileitungen für die Vogelwelt ausgeht,<br />

heißt dies, dass z.B. folgende Fragen im Rahmen der Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts<br />

beantwortet werden müssen:<br />

- Durchschne<strong>id</strong>et oder streift die Trasse ein Durchzugs-/Rastgebiet von Vögeln?<br />

- Quert die Trasse bevorzugte Zuglinien wandernder Vogelarten?<br />

- Kann es daher zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Avifauna durch Vogelschlag kommen?<br />

- Bestehen lokale Gefahrenpunkte für Vögel, die bei der Trassenführung beachtet werden müssen?<br />

- Kann sich die geplante Leitungstrasse auf das Raumnutzungsverhalten bzw. den Bruterfolg von<br />

regional seltenen Arten negativ auswirken und ist evtl. der Bestand dadurch bedroht, weil sich<br />

bereits einzelne Verluste bestandsgefährdend auswirken?<br />

Nur anhand der Ermittlung des tatsächlich bestehenden Gefährdungspotenzials kann das Vorhaben<br />

sachlich richtig bewertet werden. Da ein Verursacher eines Eingriffs nach § 19 Abs. 1 dazu verpflichtet<br />

ist, verme<strong>id</strong>bare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen, kann dies z.B. zu Folge<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 8


Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

haben, dass die Genehmigungsbehörde nur einer Erdverkabelung zustimmt, die Genehmigung einer<br />

Freileitungstrasse aber verweigert, wenn diese einen nicht ausgleichbaren Eingriff darstellt und die<br />

Belange von Naturschutz und Landschaftspflege den energiewirtschaftlichen Interessen überzuordnen<br />

sind. Daher kann es in einer naturschutzrechtlich gebotenen Abwägung gerechtfertigt sein, energiewirtschaftliche<br />

Interessen an einer möglichst sicheren und billigen Stromversorgung durch eine Freileitung<br />

statt einer Erdverkabelung zurückzusetzen, wenn andernfalls z.B. die Drahtanfluggefahr für Großvögel<br />

in einem Lebensraum für Störche erhöht Es ist somit u.U. dem Energieversorgungsunternehmen zuzumuten,<br />

aus Gründen des Vogelschutzes Erdverkabelungen durchzuführen, auch wenn dies mit höheren<br />

Kosten verbunden ist. wird (VGH Kassel, Beschluss vom 26.6.1991, Az: 3 UE 1643/87). Dabei<br />

muss allerdings berücksichtigt werden, dass das Kabel derzeit wohl nur im Mittel- und Niederspannungsbereich<br />

eine echte Alternative zur Freileitung darstellt. Hier wächst der Kabelanteil kontinuierlich.<br />

Kabel haben im Vergleich zu Freileitungen eine Reihe von Nachteilen, die besonders im Hoch- und<br />

Höchstspannungs<strong>net</strong>z hervortreten, weshalb dort Kabel nur vereinzelt zum Einsatz kommen. Im Vergleich<br />

zur Freileitung haben Kabel bei gleichem Leiterquerschnitt z.B. eine geringere Übertragungsleistung,<br />

für Reparaturen wird eine längere Zeit benötigt und sie kosten das Mehrfache einer Freileitung.<br />

Als konkrete Maßnahmen zur Minderung der von dem Eingriff ausgehenden erheblichen Beeinträchtigungen<br />

kommt z.B. eine Trassenführung in Frage, die die Kollisionsgefahr vermindert. Eine "Verschattung"<br />

von Leitungen hinter hohen Straßen- und Eisenbahnbrücken, die Anlage vor einer Bergflanke<br />

oder entlang eines Waldrandes, Bündelung mit anderen Strommasten (da dadurch die Hindernisse<br />

besser sichtbar werden), die Annäherung an Industriegebiete oder die Verwendung der niedrigen Eintraversenbauweise<br />

hinter höheren Baumreihen in der Feldflur sind nur einige Vorschläge hierzu (Lösekrug<br />

1997). Auch dort, wo sich eine vogelfreundliche Trassenführung nicht verwirklichen lässt, kann<br />

durch die Anordnung der Leiterseile in einer horizontalen Ebene (Eintraversenbauweise) ihre Sichtbarkeit<br />

für Vögel erhöht und das Vogelschlagrisiko minimiert werden. Das Anbringen geeig<strong>net</strong>er Marker<br />

trägt ebenfalls zur Minderung der Beeinträchtigung bei, da es nachweislich die Zahl der Drahtopfer um<br />

etwa 90% senken kann (Koops 1997).<br />

Für unverme<strong>id</strong>bare Beeinträchtigungen sind sinnvolle Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Sinnvoll<br />

heißt, dass die Ausgleichsmaßnahmen so beschaffen sein müssen, dass in dem betroffenen Naturbzw.<br />

Landschaftsraum ein Zustand herbeigeführt wird, der den früheren Zustand in der gleichen Art<br />

und mit der gleichen Wirkung fortführt. Das erfordert nicht, dass die Ausgleichsmaßnahmen am Ort des<br />

Eingriffs ausgeführt werden, schränkt den in Betracht kommenden räumlichen Bereich aber insofern<br />

ein, als vorausgesetzt wird, dass sie sich jedenfalls dort, wo die mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen<br />

auftreten, noch auswirken (BVerwG, Urt. v. 27.9.1990, Az: 4 C 44.87 und v. 23.8.1996,<br />

Az: 4 A 29.95). Für die Beeinträchtigungen, die von Freileitungen ausgehen, kann dies z.B. sein:<br />

- die Ersetzung von Zwei- oder Dreiebenenmasten durch Einebenenmaste oder die Entschärfung<br />

bereits bestehender, für Vögel riskanter Leitungsabschnitte im Umfeld der neuen Trasse durch die<br />

Anbringung von Markern, um dort das Vogelschlagrisiko zu reduzieren,<br />

- die Bereitstellung neuer Lebensräume, wenn das Raumnutzungsverhalten oder der Bruterfolg von<br />

Vögeln durch den Bau und den Betrieb der Freileitung erheblich beeinträchtigt ist.<br />

Die Eingriffsregelung bietet die Möglichkeit, dass die Belange des Vogelschutzes in der Planung und<br />

beim Bau neuer Leitungstrassen Berücksichtigung finden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine<br />

fachlich qualifizierte, ortsbezogene Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts vorgenommen wird.<br />

Die häufig in der Praxis verwendeten Biotopwertverfahren sind hierfür i.d.R. zu pauschal, aufgrund<br />

ihrer Unzulänglichkeiten hat die LANA (1995) empfohlen, auf die Anwendung derartiger Verfahren zu<br />

verzichten.<br />

3.3.4 Natura 2000-Schutzgebiete (§§ 32 ff. BNatSchG)<br />

Die §§ 32 ff. des BNatSchG, in denen die nationale Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie<br />

(Richtlinie 92/43/EWG) erfolgt ist, regeln den Aufbau und den Schutz des Natura 2000-Netzes (bestehend<br />

aus Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäischen Vogelschutzgebieten). Nach<br />

§ 34 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den<br />

Erhaltungszielen eines Natura-2000-Gebiets zu prüfen. Ergibt die Verträglichkeitsprüfung, dass das<br />

Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen der für das Gebiet festgelegten Erhaltungsziele führen<br />

kann, ist es unzulässig. Ausnahmen sind nach § 34, Abs. 3 und 4 nur in einem eng begrenzten Rahmen<br />

möglich.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 9


Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

Die FFH-Verträglichkeitsprüfung stellt strengere Anforderungen an die Zulassung von Projekten als<br />

bspw. die UVP-Richtlinie oder die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, denn im Normalfall werden<br />

Projekte untersagt, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der für die Erhaltungsziele oder<br />

den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können. Dabei beschränkt sich die Prüfung nicht<br />

auf geplante Projekte in einem Natura-2000-Schutzgebiet, sie ist vielmehr auch auf Vorhaben anzuwenden,<br />

die zwar außerhalb des Schutzgebietes liegen, in diesem aber zu erheblichen Beeinträchtigungen<br />

führen können.<br />

Für die Europäischen Vogelschutzgebiete, die als Rast- oder Durchzugsgebiete von Bedeutung sind,<br />

ist durch den Bau von Leitungstrassen im Schutzgebiet oder in Gebieten, die für den Vogelzug in das<br />

oder aus dem Schutzgebiet gekreuzt werden, ist davon auszugehen, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen<br />

kommen kann, weshalb hier stets eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.<br />

Stellt sich bei Verträglichkeitsprüfung heraus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Natura-2000-<br />

Gebiets möglich ist, darf ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, wenn es aus zwingenden<br />

Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher<br />

Art, notwendig ist und zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an<br />

anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind ( § 34,<br />

Abs. 3). Sind prioritäre Arten oder Biotope betroffen, so gelten als zwingende Gründe des überwiegenden<br />

öffentlichen Interesses nur solche, die im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der<br />

öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverte<strong>id</strong>igung und des Schutzes der Zivilbevölkerung,<br />

oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt stehen.<br />

4. Zusammenfassung<br />

Von Freileitungen gehen verschiedene Gefährdungen für die Avifauna aus. Allein in Deutschland sterben<br />

jährlich mehrere Tausend Vögel durch Stromschlag und Leitungsanflug. Für einige Vogelgruppen<br />

werden Verlustzahlen aufgeführt, in Rast- und Durchzugsgebieten verunglücken bis zu 700 Vögel pro<br />

Jahr und Leitungskilometer. Auch Habitatverschlechterungen und Eingriffe in Räuber-Beute-Beziehungen<br />

können durch Energieleitungstrassen hervorgerufen werden.<br />

Das im April 2002 novellierte Bundesnaturschutzgesetz hat mit der Aufnahme des § 53 die Energieversorgungsunternehmen<br />

verpflichtet, bestehende Masten des Mittelspannungsbereichs gegen Stromschlag<br />

zu sichern und für den Neubau vogelfreundliche Masten zu verwenden. Hingegen besteht zur<br />

Entschärfung der von Leitungsanflug betroffenen Trassenabschnitte auch weiterhin keine gesetzliche<br />

Verpflichtung. Für die Planung und Errichtung neuer Leitungstrassen bestehen im BNatSchG mehrere<br />

Möglichkeiten zur Berücksichtigung avifaunistischer Belange. So können bereits im Vorfeld im Rahmen<br />

der Landschaftsplanung die für den Vogelschutz wichtigen Bereiche hervorgehoben werden. In der<br />

Planungsphase kommt der Eingriffsregelung die größte Bedeutung zu, um eine vogelfreundliche Trassenführung<br />

sowie wirksame Minderungs- und Kompensationsmaßnahmen zu erreichen. Hierfür ist<br />

eine fachlich qualifizierte, ortsbezogene Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts erforderlich.<br />

Besteht die Möglichkeit, dass durch den geplanten Bau neuer Leitungstrassen ein Natura-2000-Gebiet<br />

negativ beeinträchtigt wird, ist eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Ergibt die Prüfung,<br />

dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen führen kann, ist es nur in Ausnahmefällen genehmigungsfähig.<br />

5. Literatur<br />

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Die Berücksichtigung des Vogelschutzes an Energiefreileitungen im BNatSchG<br />

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Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 12


Europäische Union<br />

Das 6. Umweltaktionsprogramm - ein neues<br />

„Grundgesetz“ für die Umweltpolitik der EU<br />

Am 11. Juni 2002 wurde das 6. Umweltaktionsprogramm verabschiedet (ABl. L 242/1 vom 10.09.2002),<br />

dieses hat einen Geltungsbereich von zehn Jahren (2002 - 2012). Nach fünf Jahren ist eine Zwischenüberprüfung<br />

vorgesehen um ggf. Anpassungen vornehmen zu können. Das Programm baut auf Grundsätzen<br />

und Prinzipien (u.a. Vorsorgeprinzip, Kosteneffizienz, Beteiligung der Betroffenen) auf und legt<br />

folgende strategische Konzepte der Umweltpolitik fest:<br />

Fortentwicklung des Umweltrechts,<br />

Umsetzung des bestehenden Umweltrechts,<br />

Integration der Umweltpolitik in andere Politikbereiche,<br />

Förderung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster,<br />

Zusammenarbeit mit Unternehmen, Verbrauchern und Umweltverbänden,<br />

Umweltinformationen,<br />

Umwelthaftung,<br />

umweltverträgliche Land- und Meeresnutzung.<br />

Das Programm nennt vier Schwerpunktbereiche:<br />

Klimaänderungen,<br />

Natur und biologische Vielfalt,<br />

Umwelt, Gesundheit und Lebensqualität,<br />

Natürliche Ressourcen und Abfälle.<br />

Für diese Schwerpunktbereiche legt das Programm mehr oder weniger konkrete Ziele und Aktionen<br />

fest. Alle Vorlagen und Vorschläge sollen innerhalb der ersten vier Jahre erfolgen. Im Folgenden werden<br />

die etwas konkreteren Zielsetzungen aufgelistet, die - wenn nicht anders angegeben - bis 2012<br />

erfüllt sein sollen:<br />

Klima: Langfristig soll die Temperaturerhöhung maximal +2° C betragen, bei Begrenzung der CO2 Konzentration auf max. 550 ppm, d.h. - 70 Prozent der Treibhausgsemissionen bezogen auf 1990. Im<br />

Lichte des dritten Bewertungsberichts des IPCC wird für die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-<br />

Protokolls ein gegenüber der ersten Verpflichtungsperiode anspruchsvolleres Ziel angestrebt.<br />

Energie: Mindestens 12% des gesamten Energieverbrauchs und 22% der Elektrizitätsproduktion sollen<br />

bis 2010 durch erneuerbare Energien erzeugt werden, 18% der Elektrizitätsproduktion soll bis 2012<br />

durch Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen.<br />

Verkehr: Die Kommission soll hier noch 2002 eine Mitteilung über quantifizierte Sektorziele vorlegen.<br />

Natur und Biodiversität: Der Biodiversitätsverlust soll bis 2010 gestoppt, das Netzwerk Natura 2000<br />

zügig vollendet werden.<br />

Gesundheit und Umwelt: Unter Berücksichtigung der einschlägigen WHO-Grenzwerte, Empfehlungen<br />

und Programme sollen signifikante schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit verhindert<br />

werden.<br />

Lärm: Die Anzahl der von gesundheitsgefährdenden Lärmpegeln Betroffenen soll drastisch gesenkt<br />

werden.<br />

Wasser: Entsprechend der Wasserrahmenrichtlinie soll ein hohes Schutzniveau für Oberflächen- und<br />

Grundwasser gewährleistet werden.<br />

Luft: Langfristig soll es zu keiner Überschreitung der „critical levels and loads“ mehr kommen; die<br />

bestehenden Luftqualitätsziele sollen überprüft werden.<br />

Abfall und Ressourcenmanagement: Der Ressourcenverbrauch und die Abfallmenge soll vom Wirtschaftswachstum<br />

entkoppelt werden. Die Kommission soll noch 2002 quantitative Ziele für einzelne<br />

Abfallmengen und -arten vorlegen.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 13


Europäische Union<br />

Darüber hinaus legt das Programm fest, dass für bestimmte Bereiche vertiefte thematische Strategien<br />

innerhalb von drei Jahren vorgelegt werden sollen:<br />

Schutz der Böden,<br />

Schutz der Meeresumwelt,<br />

Umweltverträgliche Pestiz<strong>id</strong>verwendung,<br />

Schutz vor Luftverunreinigungen,<br />

Städtische Umwelt,<br />

Nachhaltige Ressourcenverwendung,<br />

Abfallrecycling.<br />

In diesen thematischen Strategien sollen konkrete Ziele, Zeitpläne und Maßnahmenvorschläge entwickelt<br />

und, wo möglich, in Form eines Beschlussvorschlages von Rat und Parlament verabschiedet werden.<br />

Zentrale Prinzipien des Umweltschutzes wurden im Programm verankert (insbesondere das Vorsorgeprinzip,<br />

das von der Kommission nicht aufgenommen worden war). Das Programm fordert Verfahrensregeln<br />

für den Fall der Nichterfüllung von freiwilligen Vereinbarungen mit der Wirtschaft. Die<br />

Umweltauswirkungen der Produktionsphase von Produkten soll bei der öffentlichen Beschaffung<br />

berücksichtigt werden. Zur Energiebesteuerung wird an den notwendigen Gemeinschaftsrahmen erinnert.<br />

Die Umweltintegration soll auch durch die Einführung sektorbezogener Ziele verstärkt werden.<br />

Insbesondere fordert das Programm eine umweltschonendere Landwirtschaftspraxis bei der Reform<br />

der Gemeinsamen Agrarpolitik und eine stärkere Berücksichtigung von Umweltanforderungen in der<br />

Gemeinsamen Fischereipolitik. Der Rat konnte auch durchsetzen, dass Maßnahmen zur Lärmbekämpfung<br />

und zur Verbesserung der städtischen Umwelt Teil des Programms wurden. Für die kontinuierliche<br />

Überwachung und Überprüfung des Programms soll die Europäische Umweltagentur (EEA) in Kopenhagen<br />

stärker herangezogen werden.<br />

(BMU)<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 14


Rechtsprechungsübersicht - FFH-RL und Vogelschutz-RL<br />

Rechtsprechungsübersicht:<br />

Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und Vogelschutz-Richtlinie<br />

Entsche<strong>id</strong>ungen des Europäischen Gerichtshofs<br />

Urt. v. 28.02.1991 - C-57/89 (Kommission / Deutschland) - Flächenmäßige Verkleinerung eines<br />

besonderes Schutzgebiet nach der Vogelschutzrichtlinie, (Leybucht)<br />

Die flächenmäßige Verringerung und Veränderung eines geschützten Gebiets darf nur aus außerordentlichen<br />

Gründen des Gemeinwohls erfolgen, die Vorrang vor den mit der Richtlinie verfolgten<br />

Umweltbelangen haben. Dafür reichen wirtschaftliche oder freizeitbedingte Erfordernisse nicht aus, es<br />

sei denn, die ökologische Gesamtbilanz wird durch die Maßnahme verbessert.<br />

Urt. v. 02.08.1993 - C-355/90 (Kommission / Spanien) - Auswahl von Gebieten (Santoña)<br />

Die Auswahl der Vogelschutzgebiete muss nach den in der EU-Vogelschutzrichtlinie festgelegten rein<br />

ornithologischen Kriterien erfolgen. Die Mitgliedstaaten sind nicht berechtigt, nach ihrem Ermessen<br />

Ausnahmen bei der Gebietsauswahl zu treffen, die auf der Berücksichtigung anderer Interessen oder<br />

Erfordernissen wie beispielsweise der Wirtschaft oder Erholung beruhen. Bei der Abgrenzung und dem<br />

Zeitpunkt der Ausweisung von Schutzgebieten bestehen keine Handlungsspielräume.<br />

Urt. v. 11.08.1995 - C-431/92 (Kommission / Deutschland) - fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

(UVP), (Großkrotzenburg)<br />

Urteil zur unmittelbaren Geltung von EG-Richtlinien; Behörden müssen Richtlinien-Bestimmungen, die<br />

ein konkrete Verpflichtung begründen, beachten und anwenden.<br />

Urt. v. 11.07.1996 - C-44/95 (Kommission / Großbritannien) - Keine Berechtigung für die Mitgliedsstaaten<br />

die in Art. 2 der Vogelschutzrichtlinie genannten wirtschaftlichen Erfordernisse<br />

bei der Auswahl und Abgrenzung eines besonderen Schutzgebiets zu berücksichtigen (Lappel<br />

Bank)<br />

1. Art. 4 Abs. 1 oder 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2.4.1979 über die Erhaltung der wildlebenden<br />

Vogelarten ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, die in Art. 2 dieser<br />

Richtlinie genannten wirtschaftlichen Erfordernisse bei der Auswahl und Abgrenzung eines besonderen<br />

Schutzgebiets zu berücksichtigen.<br />

2. Art. 4 Abs. 1 oder 2 der Richtlinie 79/409 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat bei der Auswahl<br />

und Abgrenzung eines besonderen Schutzgebiets wirtschaftliche Erfordernisse nicht als Gründe<br />

des Gemeinwohls, die Vorrang vor den mit dieser Richtlinie verfolgten Umweltbelangen haben, berücksichtigen<br />

darf.<br />

3. Art. 4 Abs. 1 oder 2 der Richtlinie 79/409 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat bei der Auswahl<br />

und Abgrenzung eines besonderen Schutzgebiets wirtschaftliche Erfordernisse nicht berücksichtigen<br />

darf, die zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, wie sie in Art. 6 Abs. 4 der<br />

Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der<br />

wildlebenden Tiere und Pflanzen genannt sind, darstellen.<br />

Urt. v. 11.12.1997 - C-38/97 (Kommission / Deutschland) - Die Bundesrepublik Deutschland hat<br />

wegen Nichteinhaltung der zweijährigen Frist zur Umsetzung der FFH-Richtlinie in deutsche Rechtsund<br />

Verwaltungsvorschriften gegen Artikel 23 der FFH-Richtlinie verstoßen.<br />

Urt. v. 19.05.1998 - C-3/96 (Kommission / Niederlande) - Die Niederlande haben zahlen- und flächenmäßig<br />

zu geringe Ausweisung von Vogelschutzgebieten vorgenommen. Die Mitgliedstaaten sind<br />

zur Ausweisung von Vogelschutzgebieten aller Gebiete verpflichtet, die nach ornithologischen Kriterien<br />

am geeig<strong>net</strong>sten für die Erhaltung der betreffenden Art erscheinen. Diese Verpflichtung kann nicht<br />

durch andere Schutzmaßnahmen umgangen werden. Wirtschaftliche oder infrastrukturelle Belange<br />

dürfen seitens der Mitgliedstaaten nicht als Auswahlkriterien herangezogen werden.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 15


Rechtsprechungsübersicht - FFH-RL und Vogelschutz-RL<br />

Urt. v. 18.03.1999 - C-166/97 (Kommission / Frankreich), (Seine-Mündung) - Der französische<br />

Staat hat gegen seine Verpflichtungen aus Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie verstoßen, da er weder<br />

besondere Erhaltungsmaßnahmen hinsichtlich der Lebensräume von Vögeln in der Seinemündung<br />

noch geeig<strong>net</strong>e Maßnahmen zur Verme<strong>id</strong>ung von Beeinträchtigungen dieser Lebensräume getroffen<br />

hat.<br />

Urt. v. 25.11.1999 - C-96/98 (Kommission / Frankreich), (Sumpfgebiet des Poitou) - Die Französische<br />

Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 der Richtlinie 79/409/EWG des<br />

Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten verstoßen, dass sie nicht<br />

innerhalb der vorgeschriebenen Frist eine ausreichend große Fläche im Sumpfgebiet des Poitou zum<br />

besonderen Schutzgebiet erklärt hat, dass sie keine Maßnahmen getroffen hat, um den im Sumpfgebiet<br />

des Poitou eingerichteten besonderen Schutzgebieten einen ausreichenden rechtlichen Schutzstatus<br />

zu verleihen, und dass sie keine geeig<strong>net</strong>en Maßnahmen getroffen hat, um die Beeinträchtigung<br />

der im Sumpfgebiet des Poitou zum besonderen Schutzgebiet erklärten Gebiete und eines Teils der<br />

Gebiete, die zu besonderen Schutzgebieten hätten erklärt werden müssen, zu verme<strong>id</strong>en.<br />

Urt. v. 06.04.2000 - C 256/98 (Kommission / Frankreich) - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats;<br />

FFH- Richtlinie; Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere<br />

und Pflanzen<br />

Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/43/EWG des<br />

Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und<br />

Pflanzen verstoßen, daß sie nicht innerhalb der festgesetzten Frist alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />

erlassen hat, um Artikel 6 Absätze 3 und 4 dieser Richtlinie nachzukommen.<br />

Urt. v. 07.11.2000 - C-371/98 - (Kommission / Großbritannien) - Erhaltung der natürlichen<br />

Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen; Abgrenzung von Gebieten, die als<br />

besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden könnten; Ermessen der Mitgliedstaaten<br />

Nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen<br />

Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen darf ein Mitgliedstaat den Anforderungen<br />

von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten, wie<br />

sie in Artikel 2 Absatz 3 dieser Richtlinie genannt sind, nicht Rechnung tragen, wenn er über die Auswahl<br />

und Abgrenzung der Gebiete entsche<strong>id</strong>et, die der Kommission zur Bestimmung als Gebiete von<br />

gemeinschaftlicher Bedeutung vorgeschlagen werden sollen.<br />

Urt. v. 07.12.2000 - C-374/98 (Kommission / Frankreich) - Verhältnis der Richtlinien 79/409/EWG<br />

und 92/43/EWG; Erhaltung der wild lebenden Vogelarten; Besondere Schutzgebiete, (Basses<br />

Corbières).<br />

Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie<br />

79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten verstoßen,<br />

dass sie keinen Teil des Gebietes Basses Corbières zum besonderen Schutzgebiet erklärt und es versäumt<br />

hat, für dieses Gebiet besondere Schutzmaßnahmen zu treffen, die hinsichtlich ihrer geografischen<br />

Ausdehnung ausreichend sind.<br />

Urt. v. 11.09.2001 - C-71/99 (Kommission / Deutschland) - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats<br />

- Erhaltung der natürlichen Lebensräume - Erhaltung der wild lebenden Tiere und Pflanzen<br />

- Artikel 4 Absatz 1 - Liste von Gebieten - Informationen über die Gebiete<br />

Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/43/EWG<br />

des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere<br />

und Pflanzen verstoßen, dass sie der Kommission innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht die in<br />

Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 dieser Richtlinie genannte Liste von Gebieten zusammen mit den in<br />

Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie vorgesehenen Informationen über diese Gebiete übermittelt<br />

hat.<br />

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Rechtsprechungsübersicht - FFH-RL und Vogelschutz-RL<br />

Entsche<strong>id</strong>ungen bundesdeutscher Gerichte<br />

VGH München, Urt. v. 14.06.1996 - 8 A 94.40125 u. 8 A 94.40129 - Berücksichtigung von Artenschutzaspekten<br />

bei der Straßenplanung; Schutzpflichten aus der europäischen Vogelschutzrichtlinie<br />

und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie.<br />

Die Schutzpflichten nach Art 4. Abs. 1 und 2 der europäischen Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) in<br />

Verbindung mit Art. 7 und Art. 6 Abs. 2-4 der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (92/43/<br />

EWG) greifen nur ein, wenn der Mitgliedstaat ein bestimmtes Gebiet entweder zu einem (Vogel-<br />

)Schutzgebiet erklärt oder als solches anerkannt hat.<br />

OVG Lüneburg, Urt. v. 04.12.1997 - 7 M 1155/97 - Fernstraßenrechtliche Planfeststellung; fachplanerische<br />

und naturschutzrechtliche Abwägung; Vogelschutz- und FFH-Richtlinie<br />

1. Die in § 17 Abs. 6c des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) getroffene Regelung gilt auch für die im<br />

Rahmen einer fernstraßenrechtlichen Planfeststellung vorgenommene naturschutzrechtliche Abwägung<br />

gemäß § 8 Abs. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes.<br />

2. Der Bundesgesetzgeber war auf Grund der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei<br />

bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie (85/337/EWG)) nicht verpflichtet, im<br />

Rahmen eines Raumordnungsverfahrens eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzuschreiben.<br />

3. Die Anwendung der Art. 7 FFH-RL auf Gebiete, die nicht zu Vogelschutzgebieten erklärt sind, kommt<br />

nur in Betracht, wenn die Gebiete für den Schutz von vom Aussterben bedrohten Vogelarten von herausragender<br />

Bedeutung sind.<br />

BVerwG, Beschl. v. 21.01.1998 - 4 VR 3/97 (4 A 9/97) - Auswirkung fehlender Umsetzung von<br />

naturschutzrechtlichen EG- Richtlinien auf Rechtmäßigkeit einer Fernstraßenplanung; Bundesautobahn<br />

A 20; Anordnung der aufschiebenden Wirkung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren<br />

1. Ist nach Landesrecht die Klage eines anerkannten Naturschutzverbandes auf das Vorbringen<br />

begrenzt, dass der angegriffene Planfeststellungsbeschluss den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes,<br />

des Landesnaturschutzgesetzes oder anderen Rechtsvorschriften w<strong>id</strong>erspricht, die auch den<br />

Belangen des Naturschutzes zu dienen bestimmt sind, dann hat diese Begrenzung zur Folge, dass<br />

Fragen des Verkehrsbedarfs, der Kostenberechnung, der Lärmauswirkungen und andere Fragen nichtnaturschutzrechtlicher<br />

Art bei der gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben<br />

müssen (hier: § 51c Abs. 1 des schleswig-holsteinischen Landesnaturschutzgesetzes).<br />

2. Für die Rechtmäßigkeit der Planfeststellung eines Abschnitts ist es erheblich, ob eine Planfeststellung<br />

des nachfolgenden trassierten Abschnitts auf unüberwindbare Hindernisse stößt (hier: Vorschriften<br />

der Vogelschutz-Richtlinie und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie).<br />

3. Die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der<br />

wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG) begründet gegenüber staatlichen Behörden - auch ohne<br />

Umsetzung in nationales Recht - unmittelbar rechtliche Verpflichtungen.<br />

4. Es unterliegt rechtlichen Zweifeln, ob Art. 7 der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) vor<br />

Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht angewandt werden kann und damit bei Vogelschutzgebieten<br />

das geminderte Schutzregime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL auszulösen in der Lage ist.<br />

5. Zur rechtlichen Möglichkeit eines "potentiellen" Schutzgebietes im Sinne der Flora-Fauna-Habitat-<br />

Richtlinie (92/43/EWG), wenn der Mitgliedstaat eine Liste nach Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 dieser Richtlinie<br />

der EU-Kommission nicht zugeleitet hat, wenn für ein Gebiet die sachlichen Kriterien nach Art. 4 Abs. 1<br />

dieser Richtlinie erfüllt sind und wenn die Aufnahme in ein kohärentes ökologisches Netz in Zusammenhang<br />

mit anderen, bereits unter förmlichen Schutz gestellten Gebieten bestimmend sein kann.<br />

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Rechtsprechungsübersicht - FFH-RL und Vogelschutz-RL<br />

BVerwG, Urt. v. 19.05.1998 - 4 C 11/96 - Fernstraßenrechtliche Planfeststellung; Abschnittsbildung<br />

und erforderliche Gesamtbilanzierung der gegen das Vorhaben sprechenden Umweltbelange;<br />

Abwägungserheblichkeit möglicherweise bestehender faktischer Vogelschutzgebiete<br />

bzw. potentieller FFH-Räume<br />

1. Die Bindungswirkung des § 1 Abs. 2 Satz 1 Fernstraßenausbaugesetz ist mit der Richtlinie des<br />

Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/<br />

337/EWG) - UVP-RL - vom 27. Juni 1985 (ABl EG Nr. L 175 vom 5. Juli 1985, S. 40) vereinbar.<br />

2. Bei einem in mehrere Streckenabschnitte "aufgeteilten" Vorhaben ist gesamtvorhabenbezogen zu<br />

prüfen, ob die Gründe, die für die Planung sprechen, so gewichtig sind, dass sie die Beeinträchtigung<br />

der entgegenstehenden Belange unter Einschluss der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege<br />

rechtfertigen (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 - BVerwG 4 C 5.96 -<br />

BVerwGE 104, 236).<br />

3. Aufgrund der Vogelschutz-RL (79/409/EWG) gibt es "faktische" Vogelschutzgebiete, welche die<br />

Qualität des Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz- RL besitzen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. August 1993<br />

- Rs. C 355/90 - Slg. I 4221 ff. - NuR 1994, 521 - Santoña). An dem damit begründeten Schutzstatus<br />

hat die FFH-RL (92/43/EWG) - unabhängig von dem maßgebenden Schutzregime - nichts geändert (im<br />

Anschluss an EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - Rs. C-44/95 - Slg. I-3805 = NuR 1997, 36 - Lappel<br />

Bank).<br />

4. Der enteignungsbetroffene Grundeigentümer kann sich auf die Missachtung der Vogelschutz-RL<br />

berufen, wenn und soweit die Vogelschutz-RL als objektives Recht anwendungsfähig und von den nationalen<br />

Behörden zu beachten ist.<br />

5. In welcher Form der Vorhabenträger die erforderlichen Angaben über die Auswirkungen des Vorhabens<br />

auf die Umwelt dem Antrag auf Planfeststellung beizufügen hat, bestimmt weder das Gesetz über<br />

die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) noch die UVP-RL (85/337/EWG).<br />

BVerwG, Urt. v. 19.05.1998 - 4 A 9/97 - Zur Beachtung europäischer Richtlinien - hier: die Vogelschutzrichtlinie<br />

(79/409/EWG) und die FFH- Richtlinie (92/43/EWG) - bei Realisierung einer Fernstraßenplanung<br />

(A 20 - Ostsee-Autobahn - Entsche<strong>id</strong>ung)<br />

1. Ist nach Landesrecht die Klage eines anerkannten Naturschutzverbandes auf das Vorbringen<br />

begrenzt, das der angegriffene Planfeststellungsbeschluss den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes,<br />

des Landesnaturschutzgesetzes oder anderen Rechtsvorschriften w<strong>id</strong>erspricht, die auch den<br />

Belangen des Naturschutzes zu dienen bestimmt sind, dann hat diese Begrenzung zur Folge, daß Fragen<br />

des Verkehrsbedarfs, der Kostenberechnung, der Lärmauswirkungen und andere Fragen nichtnaturschutzrechtlicher<br />

Art grundsätzlich unberücksichtigt bleiben müssen (hier: § 51c Abs. 1 LSchG<br />

SH).<br />

2. Eine straßenrechtliche Planung, die sich im nachfolgenden Streckenabschnitt objektiv vor nicht überwindbaren<br />

Hindernissen sieht, verfehlt ihren gestaltenden Auftrag. Die damit aufgeworfene Frage der<br />

Realisierungsfähigkeit ist nicht aus der subjektiven Sicht der Planfeststellungsbehörde, sondern<br />

anhand objektiver Gegebenheiten zu beantworten.<br />

3. Als ein mögliches rechtliches Hindernis der Planverwirklichung sind auch die Richtlinie des Rates<br />

der Europäischen Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten<br />

(79/409/EWG) - Vogelschutz-RL - (ABl EG Nr. L 103/1 vom 25. April 1979) und die Richtlinie des Rates<br />

vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen<br />

(92/43/EWG) - Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) - (ABl EG Nr. L 206/7 vom 22. Juli 1992)<br />

zu beachten.<br />

4. Das Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-RL erfasst auch erhebliche Auswirkungen (Beeinträchtigungen),<br />

die Ursachen außerhalb des Gebietes haben.<br />

5. Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-RL ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat der EU nicht befugt ist, die<br />

wirtschaftlichen Erfordernisse als Gründe des Gemeinwohls zur Durchbrechung des Schutzregimes<br />

zugrunde zu legen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. August 1993 - Rs. C-355/90 - Slg. I-4221 ff. -<br />

NuR 1994, 521 - Santoña).<br />

6. Es unterliegt rechtlichen Zweifeln, zu welchem Zeitpunkt Art. 7 FFH-RL dahin angewandt werden<br />

kann, dass für ein Vogelschutzgebiet das geminderte Schutzregime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL<br />

maßgebend ist.<br />

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Rechtsprechungsübersicht - FFH-RL und Vogelschutz-RL<br />

7. Die rechtliche Möglichkeit eines sog. potentiellen FFH-Gebietes kommt in Betracht, wenn für ein<br />

Gebiet die sachlichen Kriterien nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL erfüllt sind, die Aufnahme in ein kohärentes<br />

Netz mit anderen Gebieten sich aufdrängt und der Mitgliedstaat der EU die FFH-RL noch nicht vollständig<br />

umgesetzt hat.<br />

8. Aus dem Gemeinschaftsrecht folgt die Pflicht eines Mitgliedstaates der EU, vor Ablauf der Umsetzungsfrist<br />

einer EU-Richtlinie die Ziele der Richtlinie nicht zu unterlaufen und durch eigenes Verhalten<br />

keine gleichsam vollendeten Tatsachen zu schaffen, welche später die Erfüllung der aus der Beachtung<br />

der Richtlinie gemäß Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 189 Abs. 3 EGV a.F. erwachsenen Vertragspflichten nicht<br />

mehr möglich machen würde - Pflicht zur „Stillhaltung“ - (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 18.<br />

Dezember 1997 - Rs. C-129/96 - EuZW 1998, 167 (170) Nr. 44 - Inter-Environnement Wallonie).<br />

9. Es ist höchst zweifelhaft, ob einem Mitgliedstaat der EU bei der Auswahl der der EU-Kommission<br />

gemäß Art. 4 Abs. 2 FFH-RL zu meldenden Schutzgebiete ein politisches Ermessen zusteht. Art. 4<br />

FFH-RL - in Verbindung mit den Anhängen I bis III - gibt für die Annahme eines nationalen Auswahlermessens<br />

nach Maßstäben politischer Zweckmäßigkeit keinen Anhalt.<br />

10. Dem Mitgliedstaat der EU ist es versagt, bereits während der Phase der Gebietsauswahl nach Art.<br />

4 Abs. 2 FFH-RL seinen Interessen der wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Entwicklung den Vorrang<br />

vor dem Lebensraum- und Artenschutz einzuräumen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 11. Juli<br />

1996 - Rs. C-44/95 - Slg. I-3805 - NuR 1997, 36 - Lappel Bank) .<br />

BVerwG, Urt. v. 18.12.1998 - 4 A 10.97. - Die Klage eines Grundeigentümers gegen den Planfeststellungsbeschluss<br />

des Landesamts für Straßenbau und Straßenverkehr des Landes Schleswig-Holstein<br />

vom 28.4.1997 wird abgewiesen. Das Grundstück des Klägers ist durch den Planfeststellungsbeschluss<br />

mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen. Die Gründe der Klage beziehen sich auf deutsches<br />

und europäisches Recht (Nordumfahrung als Alternative nach §19c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG und<br />

Art. 6 Abs. 4 der FFH-Richtlinie) und wurden bereits im 1. A 20 Urteil vom 19.5.1998 vorgebracht.<br />

OVG Münster, Urt. v. 11.05.1999 - 20 B 1464/98.AK - Faktische Vogelschutz- und FFH-Gebiete;<br />

Zur Anwendbarkeit des § 19c BNatSchG<br />

1. Ob ein Gebiet eine herausgehobene Bedeutung für den Vogelschutz hat, die es als faktisches Vogelschutzgebiet<br />

im Sinne der Vogelschutz-RL (79/409/EWG) qualifiziert, beurteilt sich nach den konkreten<br />

Umständen wie Gebietseigenart und -größe, Anzahl der dort anzutreffenden durch Art. 4 Vogelschutz-<br />

RL geschützten Arten, Größe der Bestände usw. Ein gewichtiges Indiz für die Zuordnung stellt die Aufnahme<br />

des Gebiets in die Vorschlagsliste IBA 89 dar.<br />

2. Nach vorläufiger Prüfung findet das Schutzregime der FFH-RL (92/43/EWG) schon unabhängig von<br />

der normativen Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht auf faktische Vogelschutzgebiete<br />

Anwendung.<br />

3. Nur Projekte, die ein Schutzgebiet gewichtig und nachhaltig beeinträchtigen, sind nach § 19c Abs. 2<br />

BNatSchG i.V.m. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL mit den Erhaltungszielen des Gebiets unverträglich.<br />

4. § 19c Abs. 4 BNatSchG i.V.m. Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL, der bei Vorhandensein prioritärer<br />

Biotope oder Arten in einem Schutzgebiet Ausnahmen vom Verträglichkeitsgrundsatz nur unter verschärften<br />

Voraussetzungen zulässt, kommt für Vogelschutzgebiete nicht zum Tragen.<br />

5. Zur Möglichkeit faktischer FFH-Gebiete.<br />

6. Zur Frage, ob § 19c Abs. 4 BNatSchG i.V.m. Art. 6 Abs. 4 Unter-abs. 2 FFH-RL auch dann Anwendung<br />

findet, wenn in einem Schutzgebiet prioritäre Biotope oder Arten zwar anzutreffen sind, aber<br />

durch das zur Überprüfung stehende Projekt nicht in Mitle<strong>id</strong>enschaft gezogen werden.<br />

VG Oldenburg, Beschluss v. 26.10.1999 - 1 B 3319/99 - Zum Umfang des Verbandsklagerechts<br />

nach § 60c NdsNatSchG; Unmittelbare Inanspruchnahme von europäischen Vogelschutzgebieten;<br />

Potentielle FFH-Gebiete; Verträglichkeitsprüfung bei Verme<strong>id</strong>ungs- und Ausgleichsmaßnahmen<br />

1. Umweltverbände können im Rahmen ihres Verbandsklagerechts nach § 60c NdsNatSchG grundsätzlich<br />

nicht die Unzuständigkeit der handelnden Behörde rügen. Es verbleibt lediglich eine grobe<br />

Missbrauchskontrolle.<br />

2. Die Beteiligungsbefugnis von Umweltverbänden im Sinne der §§ 29 Abs. 1 BNatSchG, 60a Nds-<br />

NatSchG ist auch in einem Planfeststellungsverfahren auf das Recht zur Einsicht in die maßgeblichen<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 19


Rechtsprechungsübersicht - FFH-RL und Vogelschutz-RL<br />

Unterlagen und auf die Möglichkeit zur (schriftlichen) Stellungnahme beschränkt. Ein Anspruch auf Teilhabe<br />

an einem Erörterungstermin besteht nicht.<br />

3. Umweltverbände können das Fehlen der sogenannten Planrechtfertigung grundsätzlich nicht rügen.<br />

Bedenken gegen die Gewichtung mehrerer für ein Vorhaben sprechender Gesichtspunkt können<br />

gemäß § 75 Abs. 1a VwVfG unbeachtlich sein.<br />

4. Auch die unmittelbare Inanspruchnahme von Flächen eines europäischen Vogelschutzgebietes kann<br />

eine nicht erhebliche Beeinträchtigung von deren Erhaltungszielen im Sinne des § 19c Abs. 2<br />

BNatSchG sein. Bei der Beurteilung der Verträglichkeit sind auch Verme<strong>id</strong>ungs- und Ausgleichsmaßnahmen<br />

zu berücksichtigen (im Anschluss an OVG Münster, Beschl. v. 11.5.1999 - 20 B 1464/98.AK).<br />

5. Es gibt sogenannte potenzielle FFH-Gebiete (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 19.5.1998 - 4 A 9.97.<br />

6. Die Verbandsklagebefugnis ist auch im Rahmen des § 19c Abs. 3 BNatSchG, soweit nicht naturschutzfachliche<br />

Belange von Bedeutung sind, auf eine Missbrauchskontrolle beschränkt.<br />

7. Die Verlagerung eines Betriebes ist keine wirkliche Alternative im Sinne des § 19c Abs. 3 Nr. 2<br />

BNatSchG, wenn mit einem Planfeststellungsbeschluss die Förderung der Wirtschaftskraft einer ganzen<br />

Region bezweckt ist.<br />

8. Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des § 19c Abs. 5 BNatSchG müssen, um die Kohärenz des Europäischen<br />

ökologischen Netzes "Natura 2000" zu sichern, zeitgleich mit dem Eingriff in das Europäische<br />

Schutzgebiet wirksam werden.<br />

BVerwG, Urt. v. 27.01.2000 - 4 C 2/99 - Anforderungen an die Rechtfertigung nach der FFH-<br />

Richtlinie durch „zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“; erforderliche<br />

Gesamtbilanzierung der zu erwartenden Entlastung<br />

1. Ein Gebiet, das die Merkmale des Art. 4 Abs. 1 FFH-RL erfüllt und dessen Meldung für die Aufnahme<br />

in das kohärente Netz „Natura 2000“ sich aufdrängt, ist vor vollständiger Umsetzung der Richtlinie<br />

als potentielles FFH-Gebiet zu behandeln. Berührt ein Straßenbauvorhaben ein derartiges Gebiet,<br />

ist seine Zulässigkeit an den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu messen (im Anschluß<br />

an BVerwG, Urteil vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 (21 ff.)).<br />

2. Eine Alternativlösung ist im Sinne des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL nicht vorhanden, wenn sich<br />

diese nur mit einem unverhältnismäßigen Kostenaufwand verwirklichen ließe. Die Beurteilung unterliegt<br />

nicht der fachplanerischen Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG oder einer anderweitigen<br />

Ermessensentsche<strong>id</strong>ung der Planfeststellungsbehörde.<br />

3. Sollen mit dem Bau einer Ortsumgehungsstraße innerörtliche Unfallschwerpunkte entschärft und<br />

weitere Verkehrsunfälle mit Todes- und Verletzungsfolgen vermieden werden, so können diesem Ziel<br />

„Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen“ im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-<br />

RL zugrunde liegen. Gleiches gilt, wenn bestehende schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm und<br />

Autoabgase zugunsten der Anwohner der Ortsdurchfahrtsstraße vermieden oder erheblich verringert<br />

werden sollen.<br />

4. Auch „Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen“ im Sinne des Art. 6 Abs.<br />

4 FFH-RL können eine erhebliche Beeinträchtigung eines (hier: potentiellen) FFH- Gebiets nur rechtfertigen,<br />

wenn es sich bei ihnen um "zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses" im<br />

Sinne des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL handelt.<br />

5. Sollen mit dem Bau einer Ortsumgehungsstraße innerörtliche Unfallschwerpunkte entschärft werden<br />

und führt dies zwangsläufig zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines (hier: potentiellen) FFH-<br />

Gebiets, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, erfordern<br />

"Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen" (Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-<br />

RL) eine konkrete Ermittlung und Bewertung des bisherigen Unfallgeschehens im Vergleich zu dem<br />

Zustand nach Durchführung der Planung im Sinne einer Gesamtbilanzierung. Bei abschnittsweiser Planung<br />

hat sich die erforderliche Prognose auf die Gesamtplanung zu erstrecken.<br />

OVG Lüneburg, Beschluss v. 12.07.2000 - 3 N 1605/00 - Zum vorläufigen Rechtsschutz gegen die<br />

Auswahl und Meldung von FFH-Gebieten an das Bundesumweltministerium. Anhörung der betroffenen<br />

Grundeigentümer. Anmeldung und potentielle FFH-Schutzgebiete.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 20


Rechtsprechungsübersicht - FFH-RL und Vogelschutz-RL<br />

BVerwG, Beschluss v. 24.08.2000 - 6 B 23.00 (OVG Koblenz) - FFH-Richtlinie Art. 3-6, Anhang III,<br />

Nationale Vorschlagsliste für FFH-Gebiete: Auswahlentsche<strong>id</strong>ung<br />

1. Den Mitgliedstaaten steht bei der Aufnahme der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung im<br />

Sinne der FFH-Richtlinie in die nationale Vorschlagsliste ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum<br />

zu.<br />

2. Das Vorkommen prioritärer natürlicher Lebensraumtypen oder Arten zwingt nicht ohne Ausnahme<br />

zur Aufnahme des Gebiets in die nationale Vorschlagsliste.<br />

BVerwG, Urt. v. 27.10.2000 - 4 A 18/99 - Fernstraßenplanung (hier: A 71); naturschutzrechtliche<br />

Eingriffsregelung; Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen; Anforderungen an Ausgleichsbilanz;<br />

ergänzendes Verfahren<br />

1. Das Schutzregime in einem potentiellen FFH-Gebiet (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1998 -<br />

BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1) wird grundsätzlich nicht durch Art. 6 FFH-RL, sondern durch die<br />

gemeinschaftsrechtlichen Vorwirkungen bestimmt, durch die verhindert wird, dass Gebiete, deren<br />

Schutzwürdigkeit nach der FFH-Richtlinie auf der Hand liegt, zerstört oder so nachhaltig beeinträchtigt<br />

werden, dass sie für eine Meldung nicht mehr in Betracht kommen.<br />

2. Überwiegen bei der nach Art. 6a Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG (= § 8 Abs. 3 BNatSchG) gebotenen<br />

Abwägung die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, so ist der Eingriff zwingend zu<br />

untersagen.<br />

3. Bei der Bilanzierung im Rahmen des Art. 6a Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG dürfen nur Kompensationsmaßnahmen<br />

berücksichtigt werden, die den Charakter von Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des Art.<br />

6a Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG (= § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG) haben. Ersatzmaßnahmen sind außer<br />

Acht zu lassen.<br />

4. Genügt die Abwägung nicht den Anforderungen des Art. 6a Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG, so kommt im<br />

Straßenplanungsrecht ein ergänzendes Verfahren im Sinne des § 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG in Betracht,<br />

wenn der Mangel nicht von solcher Art und Schwere ist, dass die Planung als Ganzes von vornherein<br />

in Frage gestellt erscheint.<br />

VG Frankfurt a.M., Beschluss v. 02.03.2001 - 3 G 501/01(1) - Zur Untersagung der Meldung eines<br />

FFH-Gebietes<br />

1. Durch die nach naturschutzfachlichen Kriterien und ohne Berücksichtigung wirtschaftlicher und<br />

anderer Belange ermittelten Vorschläge der Mitgliedstaaten soll in einem ersten Verfahrensschritt ein<br />

umfassendes Verzeichnis aller für ein kohärentes Netz NATURA 2000 in Betracht kommenden Gebiete<br />

erreicht werden. Das vor der Aufnahme in die Gemeinschaftsliste herzustellende Einvernehmen ist der<br />

Verfahrensabschnitt, andere Belange, insbesondere der Eigentümer zu berücksichtigen, auch in verfahrensmäßiger<br />

Hinsicht.<br />

2. Eine Beeinträchtigung der Eigentümer betroffener Grundstücke, die vor der Meldung zu berücksichtigen<br />

wäre, kann sich auch nicht daraus ergeben, dass die gemeldeten Gebiete potenzielle FFH-<br />

Gebiete sein können: Ob ein solches vorliegt, folgt nicht aus der Meldung, sondern aus den richtliniengemäßen<br />

Voraussetzungen. Die Meldung ist nicht konstitutiv, sondern deklaratorisch.<br />

3. Eine vorherige Anhörung ist nicht vorgesehen und auch nicht geboten, weil von der Meldung noch<br />

keine unmittelbaren und auch keine mittelbaren Rechtsbeeinträchtigungen ausgehen und die Anhörungsargumente<br />

wegen der allein maßgebenden naturschutzfachlichen Kriterien in die Meldungskriterien<br />

nicht einfließen können.<br />

4. Durch eine im einstweiligen Rechtschutzverfahren bewirkte Untersagung der Meldung kann die<br />

Rechtsstellung des Eigentümers bis zum Hauptsacheverfahren nicht verbessert werden, weil die<br />

Behörden die potenzielle FFH-Qualität eines Gebietes zu berücksichtigen haben.5. Für betroffene<br />

Eigentümer besteht die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der nationalen Meldung eines Gebietes und<br />

deren Aufnahme in die Gemeinschaftsliste durch eine vorherige Nichtigkeitsklage überprüfen zulassen.<br />

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Rechtsprechungsübersicht - FFH-RL und Vogelschutz-RL<br />

OVG Schleswig, Urt. v. 15.02.2001 - 4 L 92/99 - Deponie am Rande eines faktischen/potentiellen<br />

Vogelschutz- und FFH-Gebietes<br />

1. Faktische Vogelschutzgebiete sind Flächen, die von den Mitgliedstaaten zwingend als Schutzgebiete<br />

ausgewiesen werden müssen. Dabei müssen die ornithologischen Kriterien das Auswahlermessen auf<br />

Null reduzieren.<br />

2. Ob ein Gebiet als faktisches Vogelschutzgebiet anzuerkennen ist, ist gerichtlich voll überprüfbar.<br />

BVerwG, Urt. v. 31.01.2002 - 4 A 15/01 - Zum Begriff des faktisches Vogelschutzgebiet; Eignungsmerkmale;<br />

IBA-Verzeichnis 2000 und potentielles FFH- Gebiet.<br />

Als faktisches Vogelschutzgebiet ist ein Gebiet nur dann zu qualifizieren, wenn es aus ornithologischer<br />

Sicht für die Erhaltung der im Anhang I der VRL aufgeführten Vogelarten oder der in Art. 4 Abs. 2 VRL<br />

genannten Zugvogelarten von so hervorragender Bedeutung ist, dass es in dem Mitgliedstaat zu den<br />

zahlen- und flächenmäßig geeig<strong>net</strong>sten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gehört. Zum Kreis der<br />

potentiellen FFH-Gebiete im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. BVerwG Urteile vom 19. Mai 1998 -<br />

BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 und vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112,<br />

140) zählt ein Gebiet u.a. dann, wenn die in ihm vorhandenen Lebensraumtypen im Sinne des<br />

Anhangs I oder Arten im Sinne des Anhangs II der FFH-Richtlinie eindeutig den im Anhang III (Phase<br />

1) genannten Merkmalen entsprechen. Eine Gebietsmeldung kann unterbleiben, wenn dies gemessen<br />

an den Kriterien des Anhangs III (Phase 1), die so formuliert sind, dass sie unterschiedliche Wertungen<br />

nicht ausschließen, fachwissenschaftlich vertretbar ist.<br />

BVerwG, Urt. vom 17.05.2002 - 4 A 28.01 - Zu einer Alternativlösung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL<br />

Eine Alternativlösung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL ist nur dann gegeben, wenn sich das Planungsziel<br />

trotz ggf. hinnehmbarer Abstriche auch mit ihr erreichen lässt. Der Vorhabenträger braucht sich auf<br />

eine technisch mögliche Alternativlösung nicht verweisen zu lassen, wenn sich Art. 6 Abs. 4 FFH-RL<br />

am Alternativstandort als ebenso wirksame Zulassungssperre erweist wie an dem von ihm gewählten<br />

Standort. Der Vorhabenträger darf von einer Alternativlösung Abstand nehmen, die technisch an sich<br />

machbar und rechtlich zulässig ist, ihm aber Opfer abverlangt, die außer Verhältnis zu dem mit ihr<br />

erreichbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen.Eine Alternativlösung darf ggf. auch aus naturschutzexternen<br />

Gründen als unverhältnismäßiges Mittel verworfen werden. Wieweit das Anliegen, das<br />

Verkehrslärmniveau im innerörtlichen Bereich zu senken, oder das Interesse, die Projektkosten in<br />

Grenzen zu halten, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung durchschlägt, hängt von dem Gewicht ab, das<br />

ihm im konkreten Fall zukommt.<br />

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Rechtsprechung<br />

Rechtsprechung<br />

EuGH, Urteil vom 11.9.2001 - C-71/99 -<br />

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 92/43/EWG - Erhaltung der natürlichen Lebensräume<br />

- Erhaltung der wild lebenden Tiere und Pflanzen - Artikel 4 Absatz 1 - Liste von Gebieten - Informationen<br />

über die Gebiete<br />

Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/<br />

43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild<br />

lebenden Tiere und Pflanzen verstoßen, dass sie der Kommission innerhalb der vorgeschriebenen<br />

Frist nicht die in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 dieser Richtlinie genannte Liste von<br />

Gebieten zusammen mit den in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie vorgesehenen<br />

Informationen über diese Gebiete übermittelt hat.<br />

Zum Sachverhalt:<br />

1. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 1. März 1999 bei der<br />

Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage<br />

erhoben auf Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen<br />

aus der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume<br />

sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat,<br />

dass sie der Kommission nicht die in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 dieser Richtlinie genannte vollständige<br />

Liste von Gebieten zusammen mit den in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie vorgesehenen<br />

Informationen über diese Gebiete übermittelt hat.<br />

Das Gemeinschaftsrecht<br />

2. Nach Artikel 2 der Richtlinie hat diese zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung<br />

der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der<br />

Mitgliedstaaten, für das der EG-Vertrag Geltung hat, beizutragen.<br />

3. Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:<br />

(1) Es wird ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung<br />

.Natura 2000' errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen<br />

des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhang[s] II umfassen, und muss den Fortbestand<br />

oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen<br />

Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.<br />

Das Netz .Natura 2000' umfasst auch die von den Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 79/409/EWG<br />

ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete.<br />

(2) Jeder Staat trägt im Verhältnis der in seinem Hoheitsgebiet vorhandenen in Absatz 1 genannten<br />

natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten zur Errichtung von Natura 2000 bei. Zu diese[m]<br />

Zweck weist er nach den Bestimmungen des Artikels 4 Gebiete als besondere Schutzgebiete aus,<br />

wobei er den in Absatz 1 genannten Zielen Rechnung trägt.<br />

4. Nach Artikel 1 Buchstabe j der Richtlinie ist Gebiet ein geographisch definierter Bereich mit klar<br />

abgegrenzter Fläche. Nach Artikel 1 Buchstabe k der Richtlinie ist Gebiet von gemeinschaftlicher<br />

Bedeutung ein Gebiet, das in der oder den biogeographischen Region(en), zu welchen es gehört, in<br />

signifikantem Maße dazu beiträgt, einen natürlichen Lebensraumtyp des Anhangs I oder eine Art des<br />

Anhangs II in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren oder einen solchen wiederherzustellen,<br />

und auch in signifikantem Maße zur Kohärenz des Netzes Natura 2000 und/oder in signifikantem Maße<br />

zur biologischen Vielfalt in der biogeographischen Region beitragen kann. Bei Tierarten, die große<br />

Lebensräume beanspruchen, entsprechen die Gebiete von gemeinschaftlichem Interesse den Orten im<br />

natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Arten, die die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden<br />

physischen und biologischen Elemente aufweisen.<br />

5. Das in Artikel 4 der Richtlinie festgelegte Verfahren für die Ausweisung der besonderen Schutzgebiete<br />

besteht aus vier Phasen. Als Erstes legt jeder Mitgliedstaat eine Liste von Gebieten vor, in der die<br />

in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen<br />

Arten des Anhangs II der Richtlinie aufgeführt sind (Artikel 4 Absatz 1). Als Zweites erstellt die Kommission<br />

jeweils im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten aus den Listen der Mitgliedstaaten den Entwurf<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 23


Rechtsprechung<br />

einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Artikel 4 Absatz 2 Unterabsätze 1 und 2).<br />

Als Drittes wird die Liste der Gebiete, die als Gebietevon gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewählt<br />

wurden, von der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 der Richtlinie festgelegt (Artikel 4<br />

Absätze 2 Unterabsatz 3 und 3). Als Viertes weisen die Mitgliedstaaten die Gebiete von gemeinschaftlicher<br />

Bedeutung als besondere Schutzgebiete aus (Artikel 4 Absatz 4).<br />

6. Speziell in Bezug auf die erste Phase bestimmt Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie, dass<br />

die Mitgliedstaaten die dort genannte Liste von Gebieten anhand der in Anhang III (Phase 1) der Richtlinie<br />

festgelegten Kriterien und einschlägiger wissenschaftlicher Informationen vorlegen.<br />

7. Anhang III (Phase 1) Abschnitte A und B der Richtlinie nennt folgende Kriterien:<br />

A. Kriterien zur Beurteilung der Bedeutung des Gebietes für einen natürlichen Lebensraumtyp des<br />

Anhangs I<br />

a) Repräsentativitätsgrad des in diesem Gebiet vorkommenden natürlichen Lebensraumtyps.<br />

b) Vom natürlichen Lebensraumtyp eingenommene Fläche im Vergleich zur Gesamtfläche des betreffenden<br />

Lebensraumtyps im gesamten Hoheitsgebiet des Staates.<br />

c) Erhaltungsgrad der Struktur und der Funktionen des betreffenden natürlichen Lebensraumtyps und<br />

Wiederherstellungsmöglichkeit.<br />

d) Gesamtbeurteilung des Wertes des Gebietes für die Erhaltung des betreffenden natürlichen Lebensraumtyps.<br />

B. Kriterien zur Beurteilung der Bedeutung des Gebiets für eine gegebene Art des Anhangs II<br />

a) Populationsgröße und -dichte der betreffenden Art in diesem Gebiet im Vergleich zu den Populationen<br />

im ganzen Land.<br />

b) Erhaltungsgrad der für die betreffende Art wichtigen Habitatselemente und Wiederherstellungsmöglichkeit.<br />

c) Isolierungsgrad der in diesem Gebiet vorkommenden Population im Vergleich zum natürlichen Verbreitungsgebiet<br />

der jeweiligen Art.<br />

d) Gesamtbeurteilung des Wertes des Gebietes für die Erhaltung der betreffenden Art.<br />

8. Nach Anhang III (Phase 1) Abschnitt C der Richtlinie stufen die Mitgliedstaaten anhand der in<br />

Anhang III (Phase 1) Abschnitte A und B genannten Kriterien die Gebiete, die sie mit der nationalen<br />

Liste vorschlagen, als Gebiete ein, die aufgrundihres relativen Wertes für die Erhaltung jedes/jeder der<br />

in Anhang I bzw. II der Richtlinie genannten natürlichen Lebensraumtypen bzw. Arten als Gebiete von<br />

gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt werden könnten.<br />

9. Nach Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie ist die Liste der vorgeschlagenen Gebiete der<br />

Kommission binnen drei Jahren nach der Bekanntgabe der Richtlinie gleichzeitig mit den Informationen<br />

über die einzelnen Gebiete zuzuleiten. Diese Informationen umfassen eine kartographische Darstellung<br />

des Gebietes, seine Bezeichnung, seine geographische Lage, seine Größe sowie die Daten, die<br />

sich aus der Anwendung der in Anhang III (Phase 1) genannten Kriterien ergeben, und werden anhand<br />

eines von der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 der Richtlinie ausgearbeiteten Formulars<br />

(im Folgenden: Formular) übermittelt.<br />

10. Da die Richtlinie am 10. Juni 1992 bekannt gegeben wurde, hätten die Mitgliedstaaten die Liste der<br />

vorgeschlagenen Gebiete und die Informationen über die einzelnen Gebiete der Kommission vor dem<br />

11. Juni 1995 übermitteln müssen.<br />

11. Das Formular wurde erst mit der Entsche<strong>id</strong>ung 97/266/EG der Kommission vom 18. Dezember<br />

1996 über das Formular für die Übermittlung von Informationen zu den im Rahmen von NATURA 2000<br />

vorgeschlagenen Gebieten (ABl. 1997, L 107, S. 1) ausgearbeitet. Diese Entsche<strong>id</strong>ung wurde den Mitgliedstaaten<br />

am 19. Dezember 1996 mitgeteilt und am 24. April 1997 im Amtsblatt der Europäischen<br />

Gemeinschaften veröffentlicht.<br />

Vorverfahren<br />

12. Da die Kommission der Auffassung war, sie habe von den deutschen Stellen weder die vollständige<br />

Liste der Gebiete, in denen die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und die einheimischen<br />

Arten des Anhangs II der Richtlinie vorkommen, noch die Informationen über diese Gebiete und auch<br />

keinerlei sonstige Nachricht erhalten, die darauf hätte schließen lassen, dass die Bundesrepublik<br />

Deutschland die notwendigen Maßnahmen ergriffen hatte, um ihren Verpflichtungen aus Artikel 4 der<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 24


Rechtsprechung<br />

Richtlinie nachzukommen, forderte sie die deutsche Regierung am 4. März 1996 gemäß dem Verfahren<br />

des Artikels 169 des Vertrages auf, sich binnen zwei Monaten hierzu zu äußern.<br />

13. Am 8. August 1996 teilten die deutschen Stellen der Kommission mit, dass für die Auswahl der<br />

Gebiete, die als besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden könnten, nach innerstaatlichen Recht<br />

die Bundesländer zuständig seien. Da diese ihnen mitgeteilt hätten, dass sie diese Auswahl erst dann<br />

treffen würden, wenn die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt sei, seien die deutschen Stellen nicht<br />

in der Lage, die vollständige Liste der nationalen Gebiete zu übermitteln, die als besondere Schutzgebiete<br />

ausgewiesen werden könnten.<br />

14. Mit Schreiben vom 30. September 1996 sowie 24. und 28. Januar und 11. Juni 1997 übermittelten<br />

die deutschen Stellen der Kommission mehrere Listen von Gebieten in den Ländern Bayern und Sachsen-Anhalt.<br />

15. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Formular erst ab dem 19. Dezember 1996 zur Verfügung<br />

gestanden hatte, sandte die Kommission der deutschen Regierung am 3. Juli 1997 ein ergänzendes<br />

Mahnschreiben. Darin warf sie ihr erneut vor, nicht die vollständige Liste der Gebiete und die<br />

Informationen über diese Gebiete übermittelt zu haben, und forderte sie auf, sich binnen eines Monats<br />

zu diesem Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie zu äußern. Sie unterstrich insbesondere,<br />

dass zur Übermittlung der betreffenden Daten das Formular zu verwenden sei.<br />

16. Mit Schreiben vom 21. Oktober 1997 übermittelten die deutschen Stellen eine Liste von Gebieten<br />

im Land Schleswig-Holstein. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1997 wiesen sie nochmals auf die Besonderheit<br />

ihres innerstaatlichen Rechts hin, wonach im betreffenden Bereich die Bundesländer zuständig<br />

seien. Da das Umsetzungsgesetz noch nicht erlassen worden sei, hätten die Länder nicht die Absicht,<br />

die vollständige Liste der Gebiete, die sie auswählen wollten, zu übermitteln.<br />

17. Da die Kommission auch nach dem Schriftwechsel mit den deutschen Stellen weiter der Ansicht<br />

war, dass die Bundesrepublik Deutschland keine vollständige Liste der Gebiete, in denen die natürlichen<br />

Lebensraumtypen des Anhangs I und die einheimischen Arten des Anhangs II der Richtlinie vorkommen,<br />

zusammen mit den Informationen über diese Gebiete übermittelt habe, sandte sie diesem<br />

Mitgliedstaat am 19. Dezember 1997 gemäß Artikel 169 des Vertrages eine mit Gründen versehene<br />

Stellungnahme mit der Aufforderung, dieser binnen zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.<br />

18. Mit Schreiben vom 28. Januar, 13. und 19. März, 10. und 22. September sowie 14., 20. und 27.<br />

Oktober 1998 übermittelten die deutschen Stellen weitere Listen von Gebieten in Hessen, Thüringen,<br />

Bayern, Sachsen-Anhalt, dem Saarland, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Bremen, Niedersachsen und Berlin.<br />

Außerdem übermittelten sie mit Schreiben vom 25. März, 7. April, 11. Mai und 23. Juni 1998 Datenbögen<br />

zu den der Kommission zuvor gemeldeten Gebieten. Schließlich sandten sie der Kommission<br />

mit Schreiben vom 14. und 15. April 1998 für jedes Bundesland eine Übersicht über die zeitlichen Vorstellungen<br />

zur Erfüllung der Verpflichtungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie.<br />

19. Diese Mitteilungen ließen nach Ansicht der Kommission nicht darauf schließen, dass die Bundesrepublik<br />

Deutschland den betreffenden Verstoß beendet habe. Die Kommission hat daher die vorliegende<br />

Klage beim Gerichtshof erhoben.<br />

Würdigung durch den Gerichtshof<br />

Zum ersten Klagegrund<br />

20. Bezüglich der Verpflichtung, die in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie genannte Liste<br />

von Gebieten zu übermitteln, weist die Kommission darauf hin, dass jeder Mitgliedstaat im Verhältnis<br />

der in seinem Hoheitsgebiet vorhandenen natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten, die in<br />

den Anhängen I und II der Richtlinie aufgeführt seien, zur Errichtung eines kohärenten europäischen<br />

ökologischen Netzes beitrage. Artikel 4 Absatz 1 und Anhang III der Richtlinie machten deutlich, dass<br />

die Mitgliedstaaten bei der Auswahl der Gebiete für die Liste über einen gewissen Ermessensspielraum<br />

verfügten. Dieser Spielraum hänge jedoch von der Einhaltung folgender drei Bedingungen ab:<br />

- Die vorzuschlagenden Gebiete dürften nur aufgrund wissenschaftlicher Kriterien ausgewählt werden;<br />

- die vorgeschlagenen Gebiete müssten eine homogene und für das gesamte Hoheitsgebiet jedes Mitgliedstaats<br />

repräsentative geographische Erfassung gewährleisten, damit die Kohärenz und das<br />

Gleichgewicht des daraus entstehenden Netzes sichergestellt seien. Die vom Mitgliedstaat vorgeschla-<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 25


Rechtsprechung<br />

gene Liste müsse daher die ökologische (und bei Arten ge<strong>net</strong>ische) Vielfalt der Lebensraumstypen und<br />

Arten in diesem Mitgliedstaat w<strong>id</strong>erspiegeln;<br />

- die Liste müsse vollständig sein, d. h., jeder Mitgliedstaat müsse so viele Gebiete vorschlagen, dass<br />

alle im Hoheitsgebiet dieses Staates befindlichen natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und alle<br />

Habitate der Arten des Anhangs II der Richtlinie in ausreichend repräsentativer Weise berücksichtigt<br />

werden könnten.<br />

21. Die Kommission habe das vorliegende Verfahren angestrengt, um feststellen zu lassen, dass die<br />

nationale deutsche Liste offensichtlich unzureichend und deshalb der den Mitgliedstaaten eingeräumte<br />

Ermessensspielraum weit überschritten sei. Dass sie unzureichend sei, sei angesichts der Situation bei<br />

Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist eindeutig, und obwohl die<br />

deutschen Stellen nach diesem Zeitpunkt mehrfach noch weitere Listen von Gebieten übermittelt hätten,<br />

bestünden die ihnen vorgeworfenen Verstöße fort. Der Vergleich der Vorschläge der deutschen<br />

Stellen mit den von diesen vorgelegten wissenschaftlichen Daten, vor allem dem vom Bundesamt für<br />

Naturschutz herausgegebenen Handbuch Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000,<br />

belege diese Verstöße vollauf. Die nationale deutsche Liste entspreche daher nicht den Kriterien nach<br />

Artikel 4 Absatz 1 und Anhang III der Richtlinie.<br />

22. Die deutsche Regierung räumt ein, dass sie bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen<br />

Stellungnahme gesetzt worden sei, nicht sämtliche Gebiete übermittelt habe, die sie in die in Artikel 4<br />

Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie genannte Liste von Gebieten aufnehmen wolle. Erstens sei aber<br />

die Einhaltung der in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtung, eine<br />

solche Liste zu übermitteln, davon abhängig gewesen, dass die Mitgliedstaaten dasFormular erhielten,<br />

da erst dieses die Informationen enthalten habe, die die Auswahl der relevanten Gebiete ermöglichten.<br />

Daher habe die Frist für die Erfüllung dieser Verpflichtung erst frühestens mit Bekanntgabe des Formulars<br />

beginnen können und sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen.<br />

23. Zweitens werde den Mitgliedstaaten bei der Auswahl der Gebiete, die in der der Kommission übermittelten<br />

Liste aufzuführen seien, durch die Richtlinie ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Sie<br />

brauchten daher nur diejenigen Gebiete zu übermitteln, die sie anhand fachlicher Kriterien und unter<br />

Berücksichtigung der Ziele der Richtlinie für die Errichtung eines kohärenten europäischen Netzes von<br />

besonderen Schutzgebieten für geeig<strong>net</strong> und erforderlich hielten. Die nationale Ebene eigne sich am<br />

besten für eine angemessene Auswahl unter den Gebieten, in denen die natürlichen Lebensraumtypen<br />

des Anhangs I und die Habitate der Arten des Anhangs II der Richtlinie vorkämen. Die Mitgliedstaaten<br />

hätten nämlich eine bessere Kenntnis der in ihrem Hoheitsgebiet liegenden Gebiete.<br />

24. Drittens stellt die deutsche Regierung die wissenschaftlichen Quellen in Frage, die die Kommission<br />

als Beleg dafür herangezogen habe, dass sie eine unvollständige Liste übermittelt habe. Bei dem in<br />

Randnummer 21 dieses Urteils genannten Handbuch handele es sich weder um die deutsche Referenzliste<br />

noch auch nur um eine wissenschaftlich abgesicherte Beurteilungsgrundlage.<br />

25. Zunächst ist festzustellen, dass die Verpflichtung, die in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie<br />

genannte Liste zu übermitteln, nicht von der Erstellung des Formulars abhing. Denn die Mitgliedstaaten<br />

erhielten nicht erstmals mit diesem Formular die Informationen, die ihnen die Auswahl der relevanten<br />

Gebiete ermöglichen. Mit Bekanntgabe der Richtlinie kannten die Mitgliedstaaten alle zu<br />

berücksichtigenden Auswahlkriterien. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt nämlich, dass jeder<br />

Mitgliedstaat anhand der in Anhang III (Phase 1) festgelegten Kriterien und einschlägiger wissenschaftlicher<br />

Informationen eine Liste von Gebieten vorlegt, in der die in diesen Gebieten vorkommenden<br />

natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs II der Richtlinie<br />

aufgeführt sind. Nach Anhang III (Phase 1) der Richtlinie sind die einschlägigen Kriterien der Repräsentativitätsgrad<br />

des in dem Gebiet vorkommenden natürlichen Lebensraumtyps, die vom natürlichen<br />

Lebensraumtyp eingenommene Fläche sowie sein Erhaltungsgrad, die Größe und Dichte der Populationen<br />

der betreffenden Art in diesem Gebiet, ihr Isolierungsgrad, der Erhaltungsgrad ihrer Habitate und<br />

schließlich der relative Wert der Gebiete.<br />

26. Ferner ergibt sich zwar aus den Vorschriften des Artikels 4 Absatz 1 der Richtlinie über das Verfahren<br />

zur Bestimmung der Gebiete, die als besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden könnten, dass<br />

die Mitgliedstaaten beim Vorschlag von Gebieten über einen gewissen Ermessensspielraum verfügen,<br />

doch müssen sie, wie die Kommission festgestellt hat, dabei die in der Richtlinie festgelegten Kriterien<br />

beachten.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 26


Rechtsprechung<br />

27. Um einen Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung zu erstellen, der zur<br />

Errichtung eines kohärenten europäischen ökologischen Netzesbesonderer Schutzgebiete führen<br />

kann, muss die Kommission über ein umfassendes Verzeichnis der Gebiete verfügen, denen auf nationaler<br />

Ebene erhebliche ökologische Bedeutung für das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume<br />

sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen im Sinne der Richtlinie zukommt. Zu diesem Zweck<br />

wird dieses Verzeichnis anhand der in Anhang III (Phase 1) der Richtlinie festgelegten Kriterien erstellt<br />

(Urteil vom 7. November 2000 in der Rechtssache C-371/98, First Corporate Shipping, Slg. 2000, I-<br />

9235, Randnr. 22).<br />

28. Nur auf diese Weise ist das in Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie gesetzte Ziel der Wahrung<br />

oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser natürlichen Lebensraumtypen<br />

und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, das sich über eine oder mehrere Binnengrenzen<br />

der Gemeinschaft erstrecken kann, zu erreichen. Wie sich nämlich aus Artikel 1 Buchstaben<br />

e und i in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie ergibt, ist für die Beurteilung des Erhaltungszustands<br />

eines natürlichen Lebensraums oder einer Art auf das gesamte europäische Gebiet der<br />

Mitgliedstaaten, für das der EG-Vertrag Geltung hat, abzustellen (Urteil First Corporate Shipping,<br />

Randnr. 23).<br />

29. Schließlich ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu beurteilen, in der<br />

sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme<br />

gesetzt worden war. Spätere Veränderungen kann der Gerichtshof daher nicht berücksichtigen (vgl.<br />

insbesondere Urteil vom 8. März 2001 in der Rechtssache C-266/99, Kommission/Frankreich, Slg.<br />

2001, I-1981, Randnr. 38).<br />

30. Bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, also<br />

am 19. Februar 1998, war der Inhalt der der Kommission übermittelten nationalen deutschen Liste<br />

offensichtlich unzureichend und deshalb der Ermessensspielraum, über den die Mitgliedstaaten bei der<br />

Erstellung der in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie genannten Liste von Gebieten verfügen,<br />

weit überschritten. Nach der in der vorstehenden Randnummer dieses Urteils zitierten Rechtsprechung<br />

sind die der Kommission nach Ablauf dieser Frist übermittelten Listen von Gebieten im Rahmen<br />

der vorliegenden Klage unbeachtlich.<br />

31. Somit hat die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen,<br />

indem sie der Kommission innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht die in Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz<br />

1 dieser Richtlinie genannte Liste von Gebieten übermittelt hat.<br />

Zum zweiten Klagegrund<br />

32. Bezüglich der Verpflichtung zur Übermittlung von Informationen über die Gebiete, die als besondere<br />

Schutzgebiete ausgewiesen werden könnten, bestreitet die deutsche Regierung nicht, dass der<br />

Kommission diese Informationen bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme<br />

gesetzt worden sei, nicht vorgelegenhätten, macht aber geltend, dass die notwendigen Vorarbeiten<br />

für die Beschaffung der Informationen über die vorzuschlagenden Gebiete, für die den Mitgliedstaaten<br />

ein Zeitraum von drei Jahren zur Verfügung gestanden habe, de facto erst frühestens nach<br />

Bekanntgabe des Formulars an die Mitgliedstaaten Ende 1996 hätten beginnen können.<br />

33. Die Kommission macht geltend, dass die Verpflichtung zur Übermittlung der Informationen über die<br />

einzelnen Gebiete vor dem 11. Juni 1995 habe erfüllt werden müssen. Auch wenn man davon ausgehe,<br />

dass einige Mitgliedstaaten, die vor dem 11. Juni 1995 über die Liste der vorgeschlagenen<br />

Gebiete und die entsprechenden Informationen dazu verfügt hätten, auf die Erstellung des Formulars<br />

hätten warten wollen, hätten sie diese Informationen nach Bekanntgabe des Formulars am 19. Dezember<br />

1996 rasch in dieses übertragen und der Kommission übermitteln können.<br />

34. Um der verspäteten Erstellung des Formulars Rechnung zu tragen, habe sie das Vorverfahren verlängert,<br />

indem sie der Bundesrepublik Deutschland am 3. Juli 1997, also lange nach Bekanntgabe des<br />

Formulars, ein ergänzenden Mahnschreiben gesandt habe. Die deutschen Stellen seien daher uneingeschränkt<br />

in der Lage gewesen, ihre Verpflichtung zur Übermittlung der Informationen über die einzelnen<br />

Gebiete zu erfüllen. Bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt<br />

worden sei, also am 19. Februar 1998, hätten der Kommission aber die Informationen der Bundesrepublik<br />

Deutschland über die vorzuschlagenden Gebiete nicht vorgelegen.<br />

35. Die Kommission sandte der deutschen Regierung zwar zunächst am 4. März 1996, also vor<br />

Bekanntgabe des Formulars, ein Mahnschreiben, doch richtete sie nach der Bekanntgabe ein neues<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 27


Rechtsprechung<br />

Mahnschreiben an sie, in dem sie ihr eine neue Frist gewährte, um Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der<br />

Richtlinie nachzukommen.<br />

36. Außerdem wussten die Mitgliedstaaten mit Bekanntgabe der Richtlinie am 10. Juni 1992, welche<br />

Arten von Informationen sie zusammenstellen mussten, um sie innerhalb von drei Jahren nach der<br />

Bekanntgabe, also vor dem 11. Juni 1995, zu übermitteln. Sie wussten ferner, dass diese Informationen<br />

nach Erstellung des Formulars durch die Kommission mittels dieses Formulars zu übermitteln waren.<br />

Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 bestimmt ausdrücklich, dass die Informationen, die mittels eines von<br />

der Kommission ausgearbeiteten Formulars zu übermitteln sind, eine kartographische Darstellung des<br />

Gebietes, seine Bezeichnung, seine geographische Lage, seine Größe sowie die Daten, die sich aus<br />

der Anwendung der in Anhang III (Phase 1) genannten Kriterien ergeben, umfassen.<br />

37. Daher ist die Frist, die die Kommission der deutschen Regierung für die Erfüllung der Verpflichtung<br />

eingeräumt hat, die Informationen über die Gebiete, die sie bereits vor dem 11. Juni 1995 besitzen<br />

musste, in das Formular zu übertragen, als angemessen anzusehen. Die deutsche Regierung hatte<br />

nämlich - vom 19. Dezember 1996, dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Formulars, bis zum 19.<br />

Februar 1998, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme<br />

gesetzt worden war - über ein Jahr Zeit, um diesen speziellen Vorgang zu erledigen.<br />

38. Da die deutsche Regierung einräumt, dass sie bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen<br />

Stellungnahme gesetzt worden war, der Kommission nicht mittels des Formulars die Informationen<br />

über die vorzuschlagenden Gebiete übermittelt hatte, ist festzustellen, dass die Bundesrepublik<br />

Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen hat, dass sie der Kommission<br />

innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht gemäß Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie<br />

die Informationen über die in der Liste nach Unterabsatz 1 dieser Bestimmung aufgeführten<br />

Gebiete übermittelt hat.<br />

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Rechtsprechung<br />

BVerwG, Urteil vom 17.5.2002 - 4 A 28.01-<br />

Zu einer Alternativlösung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL<br />

BNatSchG 2002 § 61 Abs. 2 und 3, § 69 Abs. 5; FStrG 17 Abs. 1, 4 und 6c; FFH-RL Art. 4 Abs. 1 bis 3,<br />

Art. 6 Abs. 3 und 4<br />

l. Eine Alternativlösung i.S.d. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL ist nur dann gegeben, wenn sich das Planungsziel<br />

trotz ggf. hinnehmbarer Abstriche auch mit ihr erreichen lässt.<br />

2. Der Vorhabenträger braucht sich auf eine technisch mögliche Alternativlösung nicht verweisen<br />

zu lassen, wenn sich Art. 6 Abs. 4 FFH-RL am Alternativstandort als ebenso wirksame<br />

Zulassungssperre erweist wie an dem von ihm gewählten Standort.<br />

3. Der Vorhabenträger darf von einer Alternativlösung Abstand nehmen, die technisch an sich<br />

machbar und rechtlich zulässig ist, ihm aber Opfer abverlangt, die außer Verhältnis zu dem mit<br />

ihr erreichbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen.<br />

4. Eine Alternativlösung darf ggf. auch aus naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges<br />

Mittel verworfen werden.<br />

5. Wieweit das Anliegen, das Verkehrslärmniveau im innerörtlichen Bereich zu senken, oder das<br />

Interesse, die Projektkosten in Grenzen zu halten, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung durchschlägt,<br />

hängt von dem Gewicht ab, das ihm im konkreten Fall zukommt.<br />

Zum Sachverhalt:<br />

Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverband, wendet sich gegen den Neubau der Bundesautobahn<br />

A 44 im Teilabschnitt Hessisch Lichtenau-West bis Hessisch Lichtenau-Ost.<br />

Im Mai 1993 wurde das Raumordnungsverfahren für den Bau einer vierstreifigen Umgehungsstraße<br />

von Fürstenhagen, Hessisch Lichtenau und Walburg im Zuge der B 7 eingeleitet. Nach In-Kraft-Treten<br />

des Fernstraßenausbaugesetzes wurde das Verfahren ab Ende 1993 für den Abschnitt Hessisch Lichtenau<br />

unter der Bezeichnung BAB A 44 weitergeführt und im Dezember 1996 zu Gunsten der Vorschlagslinie<br />

der Hessischen Straßenbauverwaltung abgeschlossen. Die Linienbestimmung erfolgte im<br />

Dezember 1997.<br />

Das Amt für Straßen- und Verkehrswesen Kassel beantragte im Jahre 1999 die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens.<br />

Nach den Planunterlagen, die in der Zeit vom 3. Januar 2000 bis einschließlich<br />

2. Februar 2000 in der Stadt Hessisch Lichtenau auslagen, durchschne<strong>id</strong>et die Trasse die Fläche des<br />

„Lichtenauer Hochlandes“ zum Teil in Tunnel- und zum Teil in Tieflage. Um die Zerschne<strong>id</strong>ungswirkungen<br />

auszugleichen, ist u.a. die Anlegung einer Grünbrücke vorgesehen. Der Kläger erhob mit Schreiben<br />

vom 10. Februar 2000 Einwendungen gegen den Plan. Er machte u.a. geltend, zwingende Gründe<br />

des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne des FFH-Rechts lägen nicht vor. Die Alternativenprüfung<br />

genüge nicht den rechtlichen Anforderungen; insbesondere seien der Ausbau der Bundesstraße<br />

B 7 und die so genannte Netra-Variante zu Unrecht ausgeschieden worden. Die behaupteten<br />

Wirkungen der Grünbrücke seien wissenschaftlich nicht belegbar. Im Erörterungstermin am 20. Juni<br />

2000 legte der Kläger eine ergänzende Stellungnahme vom 17. Juni 2000 vor, in der er sich u.a. kritisch<br />

mit der im November 1999 vorsorglich angestellten FFH-Verträglichkeitsuntersuchung auseinander<br />

setzte.<br />

Das „Lichtenauer Hochland“ wurde im September 2000 als FFH-Gebiet gemeldet. In der Meldung wurden<br />

folgende Biotope des Anhangs I der FFH-Richtlinie aufgeführt: Trespen-Schwingel-Kalk-Trockenrasen<br />

(Code Nr. 6210) rund 19 ha, Pfeifengraswiesen auf kalkreichem Boden und Lehmboden (Code<br />

Nr. 6410) 2,5 ha, feuchte Hochstaudenfluren (Code Nr. 6430) 1,6 ha, Extensive Mähwiesen (Code Nr.<br />

6510) rund 54 ha, Kalkreiche Niedermoore (Code Nr. 7230) 0,1 ha. Als Anhang II - Tierart - wurde insbesondere<br />

der Schwarzblaue Ameisenbläuling (Maculinea nausithous) genannt. Im Laufe des Jahres<br />

2001 bestätigte sich die Vermutung, dass es in dem maßgeblichen Landschaftsraum auch eine Kalktuff-Quelle<br />

(Code Nr. *7220) gibt, die nach Anhang I der Richtlinie zum Kreis der prioritären<br />

Lebensraumtypen gehört. Im Süden von Hessisch Lichtenau wurden die „Reichenbacher Kalkberge“<br />

und das „Weißbachtal bei Reichenbach“ als FFH-Gebiete gemeldet.<br />

Im Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 wurden die Einwendungen des Klägers zurückgewiesen:<br />

Den Anforderungen des FFH-Rechts werde Rechnung getragen. Die Planungsziele ließen sich<br />

mit einer anderen Variante nicht erreichen. Jedenfalls gebe es südlich von Hessisch Lichtenau keine<br />

aus umweltrechtlicher Sicht bessere Alternative. Dort wäre ebenfalls ein FFH-Gebiet betroffen. Das<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 29


Rechtsprechung<br />

Vorhaben sei zwar mit erheblichen Beeinträchtigungen von FFH-relevanten Lebensraumtypen verbunden,<br />

es werde aber durch zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt.<br />

Die Eingriffe würden durch die Grünbrücke und durch eine Erweiterung des gemeldeten Gebiets im<br />

Bereich des Hasenbergs ausgeglichen. Die naturschutzfachliche Bedeutung des „Lichtenauer Hochlandes“<br />

sei in der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung richtig erfasst worden. Die vom Kläger geäußerten<br />

Zweifel an der Wirksamkeit der Grünbrücke seien unbegründet. Das Bauwerk werde dem Ver<strong>net</strong>zungsbedarf<br />

der beeinträchtigten Lebensräume gerecht und biete der Fauna in ihrem Einzugsbereich eine<br />

geeig<strong>net</strong>e Querungsmöglichkeit. Die Problematik einer Beeinträchtigung des Grundwassers im Bereich<br />

der Pfeifengraswiesen sei bei der Planung erkannt, untersucht und bewertet worden.<br />

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor: Der Planfeststellungsbeschluss genüge nicht den<br />

europarechtlichen Vorgaben. Im Süden Hessisch Lichtenaus komme eine Alternativlösung in Betracht,<br />

bei der die gemeldeten Gebiete „Reichenbacher Kalkberge“ und „Weißbachtal bei Reichenbach“ nicht<br />

in Anspruch_ genommen werden müssten und FFH-relevante Biotope oder Arten auch sonst nicht<br />

erheblich beeinträchtigt würden. Im Bereich der planfestgestellten Trasse sei übersehen worden, dass<br />

die Pfeifengraswiesen durch die Versiegelungswirkungen und die Veränderung natürlicher Wasseradern<br />

vernichtet würden. Dadurch würden die Lebensräume der Maculinea-Population nördlich und südlich<br />

der Trasse zerstört. Außerdem sei das Gebiet langfristig als Lebensraum für den Raubwürger nicht<br />

mehr geeig<strong>net</strong>. Es liege kein Ausnahmetatbestand vor, der eine Vorhabenzulassung rechtfertige. Der<br />

Beklagte lege nicht dar, woraus sich ergebe, dass die von ihm für das Vorhaben ins Feld geführten<br />

Belange den durch das FFH-Recht geschützten Naturschutzinteressen im Range vorgingen. Das<br />

öffentliche Wohl nehme keinen Schaden, wenn das Projekt nicht, wie vorgesehen, verwirklicht werde.<br />

Die Eingriffsfolgen würden nicht in der rechtlich gebotenen Weise ausgeglichen. Die besondere Bedeutung<br />

des „Lichtenauer Hochlandes“ ergebe sich insbesondere aus dem sehr guten Erhaltungszustand<br />

der Pfeifengraswiesen. Die zu ihrer Sicherung vorgesehene Grünbrücke sei nicht geeig<strong>net</strong>, die ihr<br />

zugedachte Funktion zu erfüllen. Sie tauge nicht als Verbindung, denn sie liege höher als die vorhandenen<br />

Wiesen und nötige zu einem Umweg von zusätzlichen 200 m. Sie ändere nichts daran, dass die<br />

Autobahn für den Ameisenbläuling ein unüberwindliches Hindernis darstelle.<br />

Der Kläger beantragt, den Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 aufzuheben, hilfsweise, den<br />

Beklagten zu verpflichten, vor Beginn der Durchführung des Vorhabens geeig<strong>net</strong>e Maßnahmen zur<br />

Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“ vorzusehen.<br />

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.<br />

Er führt aus: Der Kläger sei mit seinem Vorbringen größtenteils präkludiert. Auch in der Sache gingen<br />

seine Angriffe fehl. Die Südtrasse habe ausgeschieden werden dürfen, da sie auf die Verwirklichung<br />

eines anderen Projekts hinauslaufe. Selbst wenn sie die Merkmale einer Alternativlösung erfüllen<br />

würde, habe sie nicht erwogen werden müssen, weil sie unzumutbar sei. Sie durchschne<strong>id</strong>e einen<br />

Bereich, der ebenfalls die Qualität eines potentiellen FFH-Gebiets habe und der EU-Kommission nachgemeldet<br />

werden solle. Sie beeinträchtige ebenso wie die Wahllinie FFH-relevante Lebensraumtypen,<br />

nämlich Extensive Mähwiesen (Code Nr. 6510), Halb-Trockenrasen auf Kalk (Code Nr. 6212) und<br />

Waldmeister-Buchenwald (Code Nr. 9130), und unterbreche Funktionsbeziehungen, auf die insbesondere<br />

der Ameisenbläuling, aber auch der Raubwürger und der Neuntöter angewiesen seien. Als<br />

Alternative ungeeig<strong>net</strong> sei sie darüber hinaus deshalb, weil sie für die Ortsdurchfahrten von Fürstenhagen<br />

und Walburg eine deutlich geringere Verkehrsentlastung ermöglichen würde und weil sie mit Baukosten<br />

von rund 304 Mio. Euro erheblich teurer käme als die planfestgestellte Trasse, für die Kosten in<br />

Höhe von 252 Mio. Euro veranschlagt worden seien. Die Durchführung des Straßenbauvorhabens<br />

liege schon deshalb im überwiegenden öffentlichen Interesse, weil die geplante Maßnahme zu den<br />

Projekten „Deutsche Einheit“ gehöre und nach der Bedarfsplanung des Bundes der Deckung eines vordringlichen<br />

Bedarfs diene. Den Schutzzwecken der FFH-Richtlinie werde hinreichend Rechnung getragen.<br />

Der Kläger überbewerte die Bedeutung der Pfeifengraswiesen. Das „Lichtenauer Hochland“ sei<br />

als FFH-Gebiet gemeldet worden, um den Biotopkomplex, durch den diese Mittelgebirgsregion<br />

gekennzeich<strong>net</strong> sei, zu schützen. Die Pfeifengraswiesen stellten lediglich den „feuchtnassen Flügel“<br />

der standörtlichen Bandbreite dar. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, sie als funktionell wichtigsten<br />

Bestandteil des Gesamtkomplexes hervorzuheben. Die Befürchtung des Klägers, die Pfeifengraswiesen<br />

würden aufgrund der Wasserableitung innerhalb des Trassenbereichs und der zusätzlichen Dränage<br />

der trassennahen Wiesen sowie der Absenkung des Grundwasserspiegels trocken fallen, sei<br />

unzutreffend. Sie werde durch die im Rahmen der Planfeststellung durchgeführten hydrologischen<br />

Untersuchungen w<strong>id</strong>erlegt. Die Grünbrücke diene ganz allgemein dem räumlichen Verbund der feuchten<br />

Grünlandkomplexe nördlich und südlich der geplanten Trasse. Ihre Funktion werde durch ihre<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 30


Rechtsprechung<br />

Höhenlage nicht beeinträchtigt. Die Verbindung zwischen den be<strong>id</strong>en durch die Trasse getrennten<br />

Bereichen lasse sich durch eine Grünbrücke mit Mähwiesencharkter auch für die Pfeifengraswiesen<br />

aufrechterhalten. Denn der Ameisenbläuling komme nicht nur in den Pfeifengraswiesen vor, er nutze<br />

auch die strukturell und kleinklimatisch verwandten Pflanzengesellschaften der Umgebung, wie etwa<br />

die Extensiven Mähwiesen. Im Übrigen würden die nachteiligen Wirkungen der Autobahn durch die<br />

Erweiterung des FFH-Gebiets „Lichtenauer Hochland“ im Bereich des Hasenbergs ausgeglichen.<br />

Aus den Gründen:<br />

A. Die Klage ist zulässig.<br />

1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 VerkPB erstinstanzlich<br />

zuständig. Der Abschnitt, der den Gegenstand des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses bildet,<br />

ist Teil der Autobahnverbindung „A 4/A 44 zwischen der Landesgrenze Thüringen und der A 7 bei Kassel“,<br />

die durch Verordnung vom 28. November 2000 (BGBl. I S. 1678) unter der Nr. 22 in § 2 der<br />

Fernverkehrswegebestimmungsverordnung vom 3. Juni 1992 (BGBl. I S. 1014) aufgenommen wurde.<br />

2. Der Kläger ist klagebefugt. Er ist ein anerkannter Naturschutzverein im Sinne des § 29 Abs. 2<br />

BNatschG a.F. An dieser Rechtsstellung hat sich durch das Bundesnaturschutzgesetz vom 25. März<br />

2002 (BGBl. I S. 1193) nichts geändert (vgl. § 69 Abs. 7 Satz 1 BNatschG n.F.). Nach § 61 Abs. 1 Nr. 2<br />

BNatschG n.F. kann ein anerkannter Naturschutzverein, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein,<br />

Rechtsbehelfe gegen Planfeststellungsbeschlüsse über Vorhaben einlegen, die mit Eingriffen in Natur<br />

und Landschaft verbunden sind. Nach § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatschG n.F. gilt § 61 BNatschG n.F. auch für<br />

nach dem 1. Juli 2000 erlassene Verwaltungsakte, sofern diese noch nicht bestandskräftig sind und im<br />

vorausgegangenen Verwaltungsverfahren eine Mitwirkung der von den Ländern anerkannten Vereine<br />

gesetzlich vorgeschrieben war. Dies trifft hier zu. Dem Kläger war in dem für das Planvorhaben eingeleiteten<br />

Planfeststellungsverfahren nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatschG a.F. Gelegenheit zur Äußerung<br />

sowie zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben. Ein Klagerecht eröff<strong>net</strong><br />

§ 61 Abs. 2 BNatschG n.F. freilich nur, wenn der Verein geltend macht, dass der Erlass des von ihm<br />

angefochtenen Verwaltungsakts Rechtsvorschriften w<strong>id</strong>erspricht, die zumindest auch den Belangen<br />

des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, und wenn der Verein sich im<br />

Planfeststellungsverfahren in der Sache geäußert hat oder ihm nicht in der rechtlich gebotenen Weise<br />

Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klage lediglich in<br />

einem Einzelpunkt nicht.<br />

Der Kläger hält dem Beklagten vor, den Anforderungen nicht gerecht geworden zu sein, die sich aus<br />

dem FFH-Recht ergeben. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteile vom<br />

19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 und vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 -<br />

BVerwGE 110, 302), gehören die Regelungen der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992<br />

zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL (Abl.<br />

EG Nr. L 206 S. 7) zu den Rechtsvorschriften, die auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege<br />

zu dienen bestimmt sind. Art. 6 FFH-RL, dessen Verletzung der Kläger rügt, macht hiervon<br />

keine Ausnahme. Das auf diese Vorschrift gestützte Klagevorbringen lässt sich nur in einem Randbereich<br />

als unbeachtlich qualifizieren. Der Auffassung des Beklagten, die vom Kläger angesprochenen<br />

Fragenkomplexe könnten im Klageverfahren durchweg schon deshalb keiner gerichtlichen Kontrolle<br />

mehr unterliegen, weil sie nicht innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zum<br />

Gegenstand von Einwendungen gemacht worden seien, ist nicht zu folgen. Ihr liegt die Vorstellung zu<br />

Grunde, dass die Präklusionsvorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG auch auf anerkannte Naturschutzvereine<br />

anwendbar sei. Diese Ansicht war schon nach altem Recht fragwürdig; nach der neuen<br />

Rechtslage ist sie vollends nicht mehr haltbar. Im Übrigen übersieht der Beklagte, dass der Kläger<br />

selbst bei Anwendung des § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG mit seinem Hauptanliegen nicht präkludiert wäre.<br />

Denn die Grundlinien des Klagevorbringens lassen sich bereits im Schreiben vom 10. Februar 2000<br />

nachzeichnen, das vor Ablauf der Einwendungsfrist des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG bei der Anhörungsbehörde<br />

eingegangen ist. Darin bemängelt der Kläger, dass die Bedeutung verschiedener im Untersuchungsgebiet<br />

vorhandener Biotope verkannt worden sei, die Alternativenprüfung nicht die notwendige<br />

Aufmerksamkeit gefunden habe und die Eignung der Grünbrücke für die Sicherung des Fortbestandes<br />

der von der Planung betroffenen besonders empfindlichen Lebensraumtypen überschätzt werde.<br />

Lediglich zum Absterben der Pfeifengraswiesen, zu dem sich der Kläger im Klageverfahren ausführlich<br />

geäußert hat, fehlen im Schreiben vom 10. Februar 2000 ebenso wie in der ergänzenden Stellungnahme<br />

vom 17. Juni 2000 jegliche Angaben. Nur insoweit ist der Kläger nach § 61 Abs. 3 BNatSchG<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 31


Rechtsprechung<br />

n.F., der seinem sachlichen Gehalt nach nichts anderes besagt als § 36 Abs. 1 Nr. 4 HeNatG, mit seinem<br />

nunmehrigen erstmaligen Vorbringen ausgeschlossen.<br />

B. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist rechtsw<strong>id</strong>rig<br />

und darf nicht vollzogen werden. Er steht nicht in Einklang mit Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL. Der<br />

Beklagte hat nicht grundsätzlich verkannt, dass diese Bestimmung für die von ihm getroffene Entsche<strong>id</strong>ung<br />

einen wesentlichen rechtlichen Maßstab bildet. Er hat den Anforderungen, die sich aus dieser<br />

Regelung im Hinblick auf das als FFH-Gebiet gemeldete „Lichtenauer Hochland“ ergeben, indes nicht<br />

hinreichend Rechnung getragen.<br />

1. Der Senat hat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH mehrfach entschieden, dass die<br />

FFH-Richtlinie schon jetzt für die Planfeststellung bestimmte Vorwirkungen für den Mitgliedstaat entfaltet<br />

(Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - a.a.O.; vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 -<br />

a.a.O. und vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140). Dazu gehört insbesondere<br />

das aus dem Gemeinschaftsrecht folgende Verbot, die Ziele der FFH-Richtlinie zu unterlaufen und<br />

vollendete Tatsachen zu schaffen, die geeig<strong>net</strong> sind, die Erfüllung der vertraglichen Pflichten unmöglich<br />

zu machen. Wie der Senat in Bezug auf die Beeinträchtigung sog. potentieller FFH-Gebiete durch Straßenbauvorhaben<br />

weiter entschieden hat, kann diese Vorwirkung unterschiedliche Rechtspflichten auslösen.<br />

Drängt es sich auf, dass ein potentielles FFH-Gebiet nach seiner Meldung auch Aufnahme in die<br />

Gemeinschaftsliste (vgl. Art. 4 Abs. 2 FFH-RL) finden wird, ist die Zulässigkeit eines dieses Gebiet<br />

berührenden Straßenbauvorhabens an den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu messen<br />

(Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - a.a.O.). Kann dagegen die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste<br />

nicht hinreichend sicher prognostiziert werden, hat es mit dem Verbot sein Bewenden, das<br />

Gebiet so nachhaltig zu beeinträchtigen, dass es für eine Meldung und Aufnahme in die Gemeinschaftsliste<br />

nicht mehr in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 -<br />

a.a.O.). Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen: Die Bundesrepublik Deutschland hat nicht<br />

alles Erforderliche unternommen, um der FFH-Richtlinie Geltung zu verschaffen. Sie hat die Regelungen<br />

der Richtlinie zwar in innerstaatliches Recht umgesetzt. Dass die Gemeinschaftsliste, die nach den<br />

zeitlichen Vorgaben des Art. 4 Abs. 3 FFH-RL bis zum 10. Juni 1998 hätte vorliegen sollen, noch nicht<br />

hat erstellt werden können, beruht aber nicht zuletzt darauf, dass sie die Meldepflichten, die ihr nach<br />

Art. 4 Abs. 1 FFH-RL obliegen, nicht zeitgerecht vollständig erfüllt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 11. September<br />

2001 - C-71/99 - NuR 2002, 151). Wären die Gebietsmeldungen richtliniengemäß bis zum 10.<br />

Juni 1995 abgeschlossen worden, so hätte der fristgerechten Erarbeitung der Kommissionsliste von<br />

deutscher Seite nichts im Wege gestanden.<br />

Ohne den Gemeinschaftsrechtsverstoß wäre das vom Kläger bekämpfte Planvorhaben an den Vorgaben<br />

des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu messen. Das ergibt sich aus Folgendem:<br />

Das durch die Planung betroffene Gebiet des „Lichtenauer Hochlandes“ schließt einen prioritären<br />

Lebensraumtyp ein (Kalktuff-Quelle, *7220). Dass die Fläche, auf der sich die Quelle befindet, anders<br />

als die übrigen Gebietsteile, bisher noch nicht gemeldet worden ist, schließt ihre Berücksichtigung nicht<br />

aus. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass auch Gebiete, die nicht gemeldet worden<br />

sind, nach den im Anhang III (Phase 1) genannten Kriterien aber hätten gemeldet werden müssen, als<br />

potenzielle FFH-Gebiete zu qualifizieren sind. Auch die Gebietsabgrenzung ist anhand der im Anhang<br />

III (Phase 1) aufgeführten Merkmale vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 -<br />

BVerwG 4 A 18.99 - a.a.O.). Gebietsteile, die den Auswahlkriterien zweifelsfrei entsprechen, dürfen bei<br />

der Gebietsmeldung nicht ausgespart werden. Die Fläche, die die Kalktuff-Quelle beherbergt, bildet mit<br />

den übrigen Gebietsteilen des „Lichtenauer Hochlandes“ eine räumliche Einheit. Ihre Nachmeldung ist<br />

nicht bloß möglich, sondern rechtlich geboten. Denn über die ökologische Bedeutung der Quelle<br />

herrscht kein Streit. Neben dem Erfordernis, dass die sachlichen Kriterien des Art. 4 Abs. 1 FFH-RL<br />

gegeben sind, ist auch die weitere Voraussetzung erfüllt, dass die Aufnahme des „Lichtenauer Hochlandes“<br />

in ein kohärentes Netz mit anderen Gebieten sich aufdrängt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19.<br />

Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - a.a.O.).<br />

Wäre die Kommission durch gemeinschaftskonformes Verhalten in die Lage versetzt worden, die<br />

Gemeinschaftsliste innerhalb der Frist des Art. 4 Abs. 3 FFH-RL zu erstellen, so würde das „Lichtenauer<br />

Hochland“ nicht bloß die Merkmale eines potenziellen FFH-Gebiets erfüllen, sondern die Qualität<br />

eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung aufweisen. Das folgt aus der im Anhang III (Phase 2<br />

Nr. 1) zur FFH-Richtlinie getroffenen Regelung. Danach werden alle von den Mitgliedstaaten in Phase<br />

1 ermittelten Gebiete, die prioritäre natürliche Lebensraumtypen bzw. Arten beherbergen, als Gebiete<br />

von gemeinschaftlicher Bedeutung betrachtet. Anders als bei der Beurteilung der Bedeutung der ande-<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 32


Rechtsprechung<br />

ren in die Listen der Mitgliedstaaten aufgenommenen Gebiete (vgl. hierzu Anhang III Phase 2 Nr. 2)<br />

gesteht die Richtlinie der Kommission insoweit keinen Auswahlspielraum zu. Die Wertung, die dieser<br />

Regelung zugrunde liegt, rechtfertigt es, Vorhaben in einem Gebiet, das wegen des Vorhandenseins<br />

prioritärer Biotope oder Arten dem Automatismus des Anhangs III Phase 2 Nr. 1 unterliegt, dem strengen<br />

Regime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu unterwerfen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 -<br />

BVerwG 4 A 9.97 - a.a.O. und vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - a.a.O.), während es für Vorhaben<br />

in Gebieten ohne prioritäre Elemente mit dem Beeinträchtigungsverbot sein Bewenden hat, dessen<br />

Wirkungen der Senat im Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - (a.a.O.) näher<br />

beschrieben hat.<br />

2. Der Beklagte stellt auf der Grundlage der Ergebnisse der von ihm veranlassten Verträglichkeitsprüfung<br />

nicht in Abrede, dass die nach seiner eigenen Einschätzung schützenswerten Gebietsteile des<br />

„Lichtenauer Hochlandes“ durch das Planvorhaben erheblich beeinträchtigt werden. Für den Fall einer<br />

erheblichen Beeinträchtigung richtet das FFH-Recht eine Zulassungsschranke auf, die ausschließlich<br />

unter den in Art. 6 Abs. 4 FFH-RL bezeich<strong>net</strong>en Ausnahmevoraussetzungen überwindbar ist. Fällt das<br />

Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung negativ aus, so darf das Projekt nur unter dem Vorbehalt verwirklicht<br />

werden, dass zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses dies rechtfertigen.<br />

Art. 6 Abs. 4 FFH-RL stellt allerdings klar, dass für eine solche Interessenabwägung erst Raum ist,<br />

wenn feststeht, dass eine Alternativlösung nicht vorhanden ist. In dieser Systematik kommt zum Ausdruck,<br />

dass die Gewährung einer Ausnahme als letztes Mittel in Betracht kommt und zu unterbleiben<br />

hat, wenn sich die mit dem Vorhaben verbundenen nachteiligen Wirkungen verme<strong>id</strong>en lassen. Ist eine<br />

Alternativlösung vorhanden, so hat der Gebietsschutz nach der Konzeption der FFH-Richtlinie Vorrang.<br />

Der Beklagte ist den Erfordernissen, die sich aus der Pflicht zur Alternativenprüfung ergeben, nicht in<br />

der FFH-rechtlich gebotenen Weise gerecht geworden. Unzutreffend ist seine Annahme, die von ihm<br />

bisher verworfene Südtrasse sei keine Alternative im Sinne von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, sondern ein<br />

anderes Projekt, weil sich die mit dem Straßenbauvorhaben verfolgten Ziele mit ihr nicht erreichen ließen<br />

(dazu 3.). Aber auch die im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vorsorglich angestellte<br />

Alternativenbetrachtung hält einer rechtlichen Prüfung nicht Stand (dazu 4.).<br />

3. Der Bau der A 44 dient nach den Angaben des Beklagten nicht nur dem Zweck, eine Lücke im Autobahn<strong>net</strong>z<br />

im Zuge der Achse Kanalhäfen - Ruhrgebiet - Kassel - Eisenach - Dresden - Görlitz - Polen<br />

zu schließen (vgl. PFB S. 156 ff.). Ein weiteres Anliegen ist es insbesondere in dem vom Planvorhaben<br />

betroffenen Raum, das vorhandene Straßen<strong>net</strong>z und die Ortslagen verkehrlich zu entlasten (vgl. PFB<br />

S. 166 ff.). Im Wege der Optimierung der Vorgaben des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen, der<br />

den Bau einer Autobahn zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Eisenach und außerdem im<br />

Bereich von Hessisch Lichtenau die Schaffung von Ortsumgehungen vorsieht, wird die planfestgestellte<br />

Wahllinie nicht nur der Magistralenfunktion einer überregionalen Verkehrsverbindung gerecht.<br />

Sie erfüllt mit den vorgesehenen Anbindungsmöglichkeiten gleichzeitig auch die Aufgabe, zu einer Entspannung<br />

der kleinräumlichen Verkehrssituation beizutragen. Der Beklagte stellt nicht in Abrede, dass<br />

die Gesamtverkehrs<strong>net</strong>zkonzeption, in die sich die A 44 einfügt, nicht beeinträchtigt wird, wenn die<br />

Trasse nicht im Norden, sondern im Süden an Hessisch Lichtenau vorbeigeführt wird. Nach seiner<br />

Ansicht verfehlt eine Südumfahrung indes das weitere Ziel, die regionalen Verkehrsprobleme zu lösen,<br />

so dass es sich gemessen an dem Verkehrskonzept nicht mehr um eine „Alternative“ handle. Dem vermag<br />

der Senat nicht zu folgen.<br />

Zu Unrecht hält es der Kläger allerdings für eine sachfremde Erwägung, bei der Trassierung einer<br />

Autobahn, die definitionsgemäß einem weiträumigen Verkehr zu dienen bestimmt ist, örtlichen Interessen<br />

Rechnung zu tragen. Richtig ist lediglich, dass eine Autobahn nach der vom Gesetzgeber in § 1<br />

Abs. 1 FStrG getroffenen Grundentsche<strong>id</strong>ung grundsätzlich nur gebaut werden darf, wenn für sie ein<br />

überörtlicher Verkehrsbedarf besteht. Das bedeutet aber nicht, dass der Vorhabenträger sich bei der<br />

konkreten Trassierung ausschließlich von dem Gedanken leiten lassen darf, den Anforderungen<br />

gerecht zu werden, die an eine Fernverkehrsverbindung zu stellen sind. Eine Bündelung mit anderen<br />

Zielen ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Das Planungsinstrumentarium, das der Gesetzgeber<br />

im Bundesfernstraßengesetz zur Verfügung stellt, darf auch zur Erreichung von Zielen nutzbar<br />

gemacht werden, die über bloße Bedarfsdeckungsmaßnahmen hinausgehen. Nach der Rechtsprechung<br />

des Senats begeg<strong>net</strong> es daher keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Verkehrswegebau als<br />

Mittel eingesetzt wird, um regionale Zentren an das weiträumige Straßen<strong>net</strong>z anzuschließen oder die<br />

wirtschaftliche Entwicklung in bisher unzureichend erschlossenen Räumen zu fördern (vgl. BVerwG,<br />

Urteile vom 12. Juli 1985 - BVerwG 4 C 40.83 - BVerwGE 72, 15, vom 24. November 1989 - BVerwG 4<br />

C 41.88 - BVerwGE 84, 123 und vom 26. März 1998 - BVerwG 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 33


Rechtsprechung<br />

Nr. 137). Als ebenfalls zulässig hat der Senat es angesehen, bei der Trassenwahl maßgeblich darauf<br />

abzustellen, dass lokale Verkehrsströme umgelenkt werden und dadurch das nachgeord<strong>net</strong>e Straßen<strong>net</strong>z<br />

entlastet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - a.a.O.).<br />

Genau diese Wirkung möchte der Beklagte im Raum Hessisch Lichtenau erzielen. Nach seinen Angaben<br />

lässt sich dieses Ziel mit der Nordvariante weit wirkungsvoller erreichen als mit der Südvariante.<br />

Die Wahllinie bietet in der Tat in höherem Maße die Gewähr dafür, dass der Durchgangsverkehr abgezogen<br />

wird, durch den die Ortsdurchfahrten von Fürstenhagen und von Walburg belastet werden. Wird<br />

die Autobahn nach den Vorgaben des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses gebaut, so vermindern<br />

sich die Verkehrsmengen, die nach neueren Verkehrsuntersuchungen im Prognose-Null-Fall<br />

2015 mit 18 800 Kfz/24 h in Fürstenhagen und mit 18 200 Kfz/24 h in Walburg zu Buche schlagen würden,<br />

auf 1 400 Kfz/24 h in Fürstenhagen und 1 700 Kfz/24 h in Walburg. Das entspricht einem<br />

Entlastungsgrad von 92,6 bzw. 90,6 %. Für die Südtrasse fällt die Bilanz deutlich schlechter aus. Der<br />

Durchgangsverkehr bleibt mit 8 200 Kfz/24 h in Fürstenhagen und 5 200 Kfz/24 h in Walburg weiterhin<br />

ein nicht zu vernachlässigender Faktor.<br />

Von einer Zweckverfehlung kann insoweit gleichwohl keine Rede sein. Die Ortsdurchfahrten von Fürstenhagen<br />

und Walburg würden auch im Falle einer Südumgehung spürbar entlastet werden. Ist die<br />

Südtrasse geeig<strong>net</strong>, ihrerseits solche erheblichen Entlastungswirkungen zu erzeugen, so stellt sie sich<br />

auch von dieser Zielrichtung her als bloße Alternative des vom Beklagten geplanten Projekts dar. Dass<br />

sich mit ihr der Zweck der örtlichen Verkehrsentlastung im Vergleich mit der Wahllinie nur suboptimal<br />

verwirklichen lässt, rechtfertigt es nicht, ihr den Stempel eines anderen Projekts aufzudrücken. Bleibt<br />

das Ziel(-Bündel) als solches erreichbar, so sind Abstriche am Grad der Zielvollkommenheit als typische<br />

Folge des Gebots, Alternativen zu nutzen, hinnehmbar. Wäre das Tatbestandsmerkmal der Alternativlösung<br />

schon dann nicht erfüllt, wenn sich das Ziel(-Bündel) nicht in genau der gleichen Weise wie<br />

vom Vorhabenträger geplant erreichen ließe, so liefe insoweit Art. 6 Abs. 4 FFH-RL weitgehend leer.<br />

4. Der Beklagte hat die Südumfahrung nicht bloß mit der Begründung ausgeschlossen, sie mache die<br />

Verwirklichung des Planungsziels unmöglich (vgl. PFB S. 313). Er hat die Südtrasse auch mit dem<br />

Argument verworfen, „bezüglich des Zieles 'Sicherung des Zusammenhangs des Netzes Natura 2000'“<br />

sei südlich von Hessisch Lichtenau jedenfalls „eine günstigere Alternative ... nicht gegeben“ (vgl. PFB<br />

S. 328). Dies lässt darauf schließen, dass er sich der nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL gebotenen Alternativenbetrachtung<br />

nicht grundsätzlich entzogen hat. Die von ihm in diesem Zusammenhang angestellten<br />

Erwägungen reichen indes nicht aus, um der getroffenen Planungsentsche<strong>id</strong>ung eine tragfähige<br />

Grundlage zu verschaffen.<br />

a) Der Beklagte nimmt mehr oder weniger pauschal Bezug auf das Ergebnis der im Rahmen der fachplanerischen<br />

Abwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG vorgenommenen Alternativenprüfung (vgl. PFB<br />

S. 328). Mit dieser Vorgehensweise wird er jedoch schon vom Ansatz her der Bedeutung nicht gerecht,<br />

die der Alternativenproblematik in der FFH-rechtlichen Verträglichkeitsprüfung zukommt. Die Alternativenprüfung,<br />

die Art. 6 Abs. 4 FFH-RL vorschreibt, erfüllt eine andere Funktion als die Alternativenprüfung,<br />

die sich im deutschen Planungsrecht herkömmlicherweise nach den zum Abwägungsgebot<br />

entwickelten Grundsätzen richtet. Lässt sich das Planungsziel an einem nach dem Schutzkonzept<br />

der FFH-Richtlinie günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen, so muss<br />

der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Ein irgendwie gearteter Gestaltungsspielraum<br />

wird ihm nicht eingeräumt. Schon aufgrund seines Ausnahmecharakters begründet Art. 6 Abs. 4<br />

FFH-RL ein strikt beachtliches Verme<strong>id</strong>ungsgebot, das zu Lasten des Integritätsinteresses des durch<br />

Art. 4 FFH-RL festgelegten kohärenten Systems nicht bereits durchbrochen werden darf, wenn dies<br />

nach dem Muster der Abwägungsregeln des deutschen Planungsrechts vertretbar erscheint (vgl.<br />

hierzu BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - a.a.O.), sondern nur beiseite<br />

geschoben werden darf, soweit dies mit der Konzeption größtmöglicher Schonung der durch die FFH-<br />

RL geschützten Rechtsgüter vereinbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99<br />

- a.a.O.).<br />

b) Der Beklagte hat möglicherweise deshalb von einer den Anforderungen des FFH-Rechts genügenden<br />

Alternativenprüfung abgesehen, weil er davon ausgegangen ist, dass „bei allen Südvarianten<br />

ebenfalls ein FFH-Gebiet erheblich betroffen“ wäre (vgl. PFB S. 328). Diese Feststellung entspricht<br />

indes nicht den Tatsachen. Aufgrund der Ermittlungen des Senats steht fest, dass sich südlich von Hessisch<br />

Lichtenau eine Trassenvariante verwirklichen lässt, bei der keines der be<strong>id</strong>en im Zeitpunkt der<br />

Planungsentsche<strong>id</strong>ung gemeldeten FFH-Gebiete „Reichenbacher Kalkberge“ und „Weißbachtal bei<br />

Reichenbach“ in Anspruch genommen werden muss. Trotz dieser Erkenntnis stellt sich die Frage, ob<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 34


Rechtsprechung<br />

es sich bei dieser Variante um eine Alternativlösung im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL handelt, nach<br />

Ansicht des Beklagten deshalb nicht, weil die Trasse durch einen Landschaftsraum führe, der seinerseits<br />

ebenso wie die „Reichenbacher Kalkberge“ und das „Weißbachtal bei Reichenbach“ die Merkmale<br />

eines FFH-Gebiets aufweise. Eine Meldung dieses Gebiets sei bisher zwar nicht erwogen worden,<br />

erscheine aber auf der Grundlage der Ergebnisse der inzwischen veranlassten Untersuchungen,<br />

gemessen an den im Anhang III (Phase 1) zur FFH-Richtlinie genannten Auswahlkriterien, unumgänglich.<br />

Die nunmehr entstandene Pattsituation, die dadurch gekennzeich<strong>net</strong> sei, dass sich die Erhaltungsziele<br />

in dem einen FFH-Gebiet nur um den Preis der Aufopferung von Erhaltungszielen in dem anderen<br />

FFH-Gebiet wahren lassen, verbiete es - so die Einschätzung des Beklagten -, die eine oder die andere<br />

Lösung als vorzugswürdige Alternative anzusehen.<br />

Diese Betrachtungsweise vermag der Senat so nicht zu teilen. Sie ist zu undifferenziert, um dem normativen<br />

Zusammenhang Rechnung zu tragen, in dem die FFH-rechtliche Alternativenregelung steht.<br />

Fällt die nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL gebotene Verträglichkeitsprüfung negativ aus, so ist das Vorhaben<br />

grundsätzlich unzulässig. Die Alternativenprüfung fügt sich in diesen Verbotstatbestand ein. Ist eine<br />

Alternativlösung vorhanden, so setzt sich die Sperrwirkung durch. Diesem Regelungsmuster entspricht<br />

es, bei der Alternativenprüfung spiegelbildlich vorzugehen und vorrangig zu fragen, ob dem Vorhaben<br />

auch am Alternativstandort rechtliche Hindernisse im Wege stehen. Lässt sich das Projekt im Einklang<br />

mit den rechtlichen Vorgaben anderswo verwirklichen, so hat der Vorhabenträger nach der Konzeption<br />

des FFH-Rechts diese Möglichkeit grundsätzlich zu nutzen. Dagegen braucht er sich auf eine technisch<br />

machbare Alternativlösung nicht verweisen zu lassen, wenn sich das Vorhaben auch am Alternativstandort<br />

nur unter Verstoß gegen eine Verbotsregelung ausführen ließe. Als insoweit relevante<br />

Zulassungssperre kann sich auch Art. 6 FFH-RL erweisen. Erforderlich ist jedoch, dass diese Vorschrift<br />

am Alternativstandort eine gleich wirksame rechtliche Hürde wie an dem vom Vorhabenträger gewählten<br />

Standort aufrichtet. Nach der Systematik der FFH-Richtlinie kann, aber muss dies nicht der Fall<br />

sein. Es kann nicht, wie es dem Beklagten vorschwebt, das Beeinträchtigungspotential in dem einen<br />

und dem anderen FFH-Gebiet unbesehen gleichgesetzt werden. Bei einem Vergleich ist den Leitgedanken<br />

der FFH-Richtlinie Rechnung zu tragen. Art. 6 FFH-RL enthält Differenzierungsmerkmale, die<br />

sich als Gradmesser dafür verwenden lassen, wie schwer die Beeinträchtigung im Einzelfall wiegt. Die<br />

Vorschrift gewährleistet keinen allumfassenden Flächenschutz. Sie richtet vielmehr ein schutzgutbezogenes<br />

Regime auf. Ein Verbot sieht sie nur für den Fall vor, dass die in den Anhängen I und II aufgeführten<br />

schützenswerten Lebensraumtypen und Tierarten erheblich beeinträchtigt werden. Die Beeinträchtigung<br />

sonstiger Gebietsteile bewertet sie, für sich genommen, als irrelevant. Soweit es um die<br />

Zulassung von Ausnahmen geht, untersche<strong>id</strong>et sie zwischen prioritären und nicht prioritären Biotopen<br />

und Arten. Die insoweit getroffene Regelung lässt den Schluss zu, dass sie prioritäre Elemente als<br />

schutzbedürftiger einstuft als nicht prioritäre. Innerhalb der Gruppen von prioritären oder nicht prioritären<br />

Lebensraumtypen oder Arten legt sie hingegen weder qualitativ noch quantitativ ein Rangverhältnis<br />

fest. Die Feindifferenzierungskriterien, die bei den Eintragungen in das von der Kommission nach Art. 4<br />

Abs. l Satz 6 FFH-RL ausgearbeitete Meldeformular bei der Gebietsmeldung zu beachten sind, haben<br />

entgegen der Auffassung des Klägers im Anwendungsbereich des Art. 6 FFH-RL bei dem im Rahmen<br />

der Alternativenprüfung gebotenen Trassenvergleich außer Betracht zu bleiben. Von entsche<strong>id</strong>ender<br />

Bedeutung ist vielmehr, ob am Alternativstandort eine Linienführung möglich ist, bei der keine der als<br />

Lebensraumtypen oder Habitate besonders schutzwürdigen Flächen erheblich beeinträchtigt werden<br />

oder jedenfalls prioritäre Biotope und Arten verschont bleiben.<br />

c) Gemessen an diesen Kriterien spricht nach dem gegenwärtigem Verfahrensstand manches dafür,<br />

dass die Südumfahrung bei einem Vergleich mit der Wahllinie unter FFH-Gesichtspunkten den Vorzug<br />

verdienen könnte.<br />

Die planfestgestellte Trasse durchschne<strong>id</strong>et, wenn auch in Tieflage, den Biotopkomplex, den das Land<br />

Hessen zum Anlass für eine Gebietsmeldung nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL genommen hat, mehr oder<br />

weniger mittig. Betroffen ist vor allem der Lebensraumtyp 6510 (Extensive Mähwiesen), um den sich<br />

die übrigen schützenswerten Biotoptypen unter Einschluss der vom Kläger besonders hervorgehobenen<br />

Pfeifengraswiesen wie ein Kranz legen. Die Trasse kommt einem Einbruch in ein in sich geschlossenes<br />

Biotopsystem gleich. Im Süden von Hessisch Lichtenau stellt sich auf der Grundlage der dem<br />

Senat zur Verfügung gestellten Unterlagen die Situation insoweit anders dar. Das vom Beklagten vorgelegte<br />

Kartenmaterial lässt, was die ökologische Ausstattung angeht, zwei Vorkommensschwerpunkte<br />

erkennen. Der eine befindet sich auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes; der zweite deckt sich<br />

weitgehend mit den Gebieten, die unter der Bezeichnung „Reichenbacher Kalkberge“ und „Weissbachtal<br />

bei Reichenbach“ bereits zum Gegenstand einer Gebietsmeldung gemacht worden sind. Für die<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 35


Rechtsprechung<br />

Südtrasse lässt sich der Korr<strong>id</strong>or nutzen, der zwischen diesen be<strong>id</strong>en Biotopkomplexen vorhanden ist.<br />

Der Beklagte weist freilich darauf hin, dass auch dieser Bereich durch Einsprengsel von FFH-relevanten<br />

Lebensraumtypen gekennzeich<strong>net</strong> wird. Er hält zwar nicht mehr an seiner ursprünglichen Behauptung<br />

fest, dass im Falle einer Südumfahrung Extensive Mähwiesen nachteilig betroffen werden. Ein<br />

Beeinträchtigungspotential birgt die Südvariante nach seiner Einschätzung aber deshalb, weil zwei<br />

Kalktrockenrasenflächen (Code 6212) angeschnitten und ein Waldmeister-Buchenwaldbestand (Code<br />

9130) in Anspruch genommen werden. Der Kläger verwahrt sich gegen diese Darstellung mit dem Einwand,<br />

die genannten Biotope erfüllten die nach Anlage III. (Phase 1) maßgeblichen Merkmale überhaupt<br />

nicht oder weit kleinflächiger als der Beklagte behaupte. Dahinstehen kann, ob diese Kritik<br />

berechtigt ist. Schon aus den kartografischen Unterlagen des Beklagten ergibt sich, dass jedenfalls der<br />

Waldmeister-Buchenwald nicht nennenswert beeinträchtigt wird. Soweit der Waldbestand im Trassenbereich<br />

liegt, handelt es sich um eine Tunnelstrecke, deren westliches Ende mit der Gebietsgrenze<br />

nahezu zusammenfällt. Unstreitig ist, dass sich das Tierarteninventar im Norden und im Süden von<br />

Hessisch Lichtenau nicht wesentlich voneinander untersche<strong>id</strong>et. Soweit der Beklagte die Auffassung<br />

vertritt, dass durch eine Südumfahrung Austauschbeziehungen in ähnlicher Weise wie im Bereich des<br />

„Lichterrauer Hochlandes“ unterbrochen werden könnten, tritt der Kläger ihm allerdings mit der Bemerkung<br />

entgegen, dass sich die Habitate des Schwarzblauen Ameisenbläulings, des Neuntöters und des<br />

Raubwürgers eindeutig auf den Landschaftsraum südlich der Trassenvariante konzentrierten.<br />

Nach der derzeitigen Datenlage kommt mithin die Südtrasse unter FFH-Gesichtspunkten als schonendere<br />

Lösung ernstlich in Betracht. Von einer echten Beeinträchtigung kann nur beim Kalktrockenrasen<br />

die Rede sein, der im Mittelabschnitt anzutreffen ist. Die schützenswerte Fläche hat jedoch<br />

Inselcharakter. Sie weist keinerlei Verbundfunktion auf. Sie ist keinem der Biotopkomplexe zuzurechnen,<br />

die den „Reichenbacher Kalkbergen“ sowie dem „Weissbachtal bei Reichenbach“ im Süden und<br />

dem Truppenübungsplatz im Norden ihr Gepräge geben. Beim gegenwärtigen Erkenntnisstand dürfte<br />

sie im ökologischen Gesamtgefüge unter dem Blickwinkel der mit der FFH-Richtlinie erstrebten Ver<strong>net</strong>zung<br />

keinen unverzichtbaren Baustein darstellen.<br />

d) Eine abschließende Bilanz lässt sich gleichwohl nicht ziehen. Erst das anhängige Verfahren hat den<br />

Anstoß dazu gegeben, im Einzelnen der Frage nachzugehen, wie der Landschaftsraum, der für eine<br />

Alternativlösung in Betracht kommt, unter FFH-Gesichtspunkten einzustufen und im Vergleich mit dem<br />

„Lichtenauer Hochland“ zu bewerten ist. Der Beklagte hat sich zwar aufgrund der bisherigen Nachforschungen<br />

davon überzeugt, dass das Gebiet meldewürdig ist, er hat sich aber in der Zeitspanne seit<br />

dem Aufklärungsbeschluss des Senats vom 18. Dezember 2001 ein zuverlässiges Bild vom Ausstattungspotential<br />

nicht verschaffen können. Die von ihm aufgenommenen Untersuchungen sind noch<br />

nicht abgeschlossen.<br />

Der Senat sieht keinen Anlass, das Ende dieser Ermittlungen abzuwarten oder selbst aufzuklären, wie<br />

es um die ökologische Qualität des Raums südlich von Hessisch Lichtenau im Einzelnen bestellt ist.<br />

Fest steht, dass die im Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 in Abrede gestellte Möglichkeit<br />

einer Alternativlösung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Die vom Beklagten getroffene Planungsentsche<strong>id</strong>ung<br />

weist in diesem Punkt ein Defizit auf, das auszuräumen nicht Aufgabe des Gerichts sein<br />

kann. Die Frage, ob ein FFH-Gebiet in seiner Wertigkeit einem anderen vergleichbar ist oder nicht, ist<br />

ebenso wie die Frage, ob ein Gebiet überhaupt FFH-würdig ist, anhand der hierfür maßgeblichen ökologischen<br />

Kriterien der FFH-Richtlinie zu beantworten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002<br />

- BVerwG 4 A 15.01 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Eine fachliche Bewertung, die den Anforderungen<br />

der Richtlinie standhält, steht aus. Dem Beklagten ist es jedenfalls nicht gelungen, den Mangel, der<br />

dem Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 anhaftet, im anhängigen Verfahren zu beheben.<br />

e) Der dargelegte Mangel bei der Alternativenprüfung ist nicht deshalb ohne rechtliche Bedeutung, weil<br />

der Beklagte die Südtrasse aus anderen, naturschutzexternen Gründen als Projektvariante hätte verwerfen<br />

dürfen. Auch insoweit genügen die vom Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen<br />

Erwägungen nicht, um den Planfeststellungsbeschluss als im Ergebnis richtig anzusehen.<br />

Richtig ist freilich, dass ein Vorhabenträger auch aus Erwägungen, die sich nicht unmittelbar auf das<br />

FFH-Recht zurückführen lassen, von einer technisch an sich möglichen und rechtlich zulässigen Alternativlösung<br />

Abstand nehmen darf. Obwohl dies im Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL nicht zum Ausdruck<br />

kommt, versteht sich vor dem Hintergrund des in Art. 5 Abs. 3 EGV gemeinschaftsrechtlich verankerten<br />

Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von selbst, dass auch im Anwendungsbereich dieser<br />

Norm niemandem unverhältnismäßige Opfer abverlangt werden dürfen. Dabei ist nach der Rechtsprechung<br />

des EuGH freilich ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. EuGH, Urteile vom 27. Juni 1990 - C-<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 36


Rechtsprechung<br />

118/89 - Slg. 1990, I-2653 Rn. 12 und vom 21. Januar 1992 - C-319/90 - Slg. 1992, I-214 Rn. 12). Die<br />

dem Vorhabenträger durch die Alternativenregelung angesonnenen Verme<strong>id</strong>ungsanstrengungen übersteigen<br />

das zumutbare Maß nur dann, wenn sie außerhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu dem mit<br />

ihnen erreichbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen. Wie der Senat im Urteil vom 27. Januar 2000<br />

- BVerwG 4 C 2.99 - (a.a.O.) dargelegt hat, können in diesem Zusammenhang auch finanzielle Erwägungen<br />

den Ausschlag geben. Ob Kosten oder sonstige Belastungen und Nachteile außer Verhältnis<br />

zu dem nach Art. 6 FFH-RL festgelegten Schutzregime stehen, ist am Gewicht der beeinträchtigten<br />

gemeinschaftlichen Schutzgüter zu messen. Richtschnur hierfür sind die Schwere der Gebietsbeeinträchtigung,<br />

Anzahl und Bedeutung etwa betroffener Lebensraumtypen oder Arten sowie der Grad<br />

der Unvereinbarkeit mit den Erhaltungszielen.<br />

Gemessen an diesen Anforderungen kann sich der Beklagte nach dem derzeitigen Erkenntnisstand<br />

der nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL gebotenen Alternativenprüfung weder mit dem Argument der geringeren<br />

Entlastungswirkung der Südumfahrung noch mit Kostenerwägungen entziehen.<br />

ea) Mit der Verlagerung von innerörtlichem Verkehr auf die Autobahn verfolgt er das Ziel, in den vom<br />

Durchgangsverkehr besonders betroffenen Ortschaften das Immissionsniveau zu senken. Nicht jede<br />

Verbesserung der Immissionsverhältnisse rechtfertigt es indes, das Verbotsregime des Art. 6 FFH-RL<br />

beiseite zu schieben. Insbesondere kann von unzumutbaren Opfern keine Rede sein, wenn die durch<br />

Verkehrsimmissionen verursachten Belastungen in gemindertem Umfang in den Grenzen fortbestehen,<br />

die nach den Wertungen des innerstaatlichen Rechts grundsätzlich hinzunehmen sind. Der Beklagte<br />

stellt nicht in Abrede, dass auch die Südvariante dazu führt, die Verkehrsbelastung in Fürstenhagen<br />

und in Walburg auf 8 200 bzw. 5 200 Kfz/24 h zu vermindern. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die<br />

Lärmwerte, die diesen Verkehrsmengen entsprechen, die in § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV genannten<br />

Grenzwerte übersteigen. Dieser Umstand allein lässt sich aber noch nicht als Indiz für eine nicht hinnehmbare<br />

Lärmbeeinträchtigung werten. Die 16. BImSchV sche<strong>id</strong>et insoweit als rechtlicher Maßstab<br />

aus. Ihr § 1 Abs. 1 stellt klar, dass sie nur für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen<br />

Straßen gilt. Auf bestehende Straßen (hier: die Ortsdurchfahrten von Fürstenhagen und von Walburg)<br />

ist sie nicht anwendbar. Für sonstige Immissionen gilt Entsprechendes. Schutzvorkehrungen kommen<br />

nur nach Maßgabe des § 74 Abs. 2 Satz 2 und des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in Betracht. Eine allgemeine<br />

normative Regelung des Inhalts, dass unter bestimmten Voraussetzungen Sanierungsmaßnahmen<br />

zu ergreifen sind, ist dem deutschen Verkehrswegerecht fremd (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar<br />

1995 - BVerwG 4 C 26.93 - BVerwGE 97, 367). Der Beklagte behauptet selbst nicht, dass eine<br />

Verkehrsmenge von 8 200 bzw. 5 200 Kfz/24 h einer Gesundheitsgefährdung gleich- oder nahe kommt<br />

oder aus sonstigen Gründen so schwerwiegt, dass eine Abhilfe rechtlich unumgänglich erscheinen<br />

könnte. Sind Immissionen in der Größenordnung, die im Falle einer Südumfahrung zu erwarten wären,<br />

nach der deutschen Rechtsordnung an „Altstraßen“ grundsätzlich zumutbar, sind sie für sich allein<br />

genommen nicht geeig<strong>net</strong>, eine Alternativlösung im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL als unverhältnismäßig<br />

hohen Preis für die Erhaltung schützenswerter Lebensraumtypen zu qualifizieren. Das<br />

schließt freilich nicht aus, bei der Frage, ob eine Variante zu unverhältnismäßigen Opfern führen<br />

würde, den Gesichtspunkt der durch die planfestgestellte Lösung bewirkten spürbaren Verminderung<br />

von an sich rechtlich hinzunehmenden Immissionen zusammen mit den anderen für die Verhältnismäßigkeitsprüfung<br />

maßgebenden Gesichtspunkten im Sinne einer Gesamtbilanz mit zu berücksichtigen.<br />

Dies bedarf hier keiner weiteren Vertiefung.<br />

eb) Das Kostenargument rechtfertigt ebenfalls nicht zwangsläufig die Schlüsse, die der Beklagte aus<br />

ihm zieht, und zwar weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gesichtspunkt, dass die<br />

Nordtrasse eine stärkere Entlastung von Verkehrslärm zur Folge hat als eine Südtrasse. Daran ändert<br />

auch der Hinweis nichts, dass sich eine Alternativlösung nicht zuletzt aus Kostengründen als unverhältnismäßiges<br />

Mittel erweisen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 -<br />

a.a.O.). Der Beklagte spricht von Mehrkosten in einem Umfang von 50 Mio. Euro. Er bringt aber selbst<br />

zum Ausdruck, dass dieser Betrag nicht unbedingt das letzte Wort sein muss, sondern einer Korrektur<br />

zugänglich ist, falls eine Detailberechnung bessere Erkenntnisse zu Tage fördert. Der Kläger meldet<br />

unter Berufung auf ein eigenes Rechenwerk erhebliche Zweifel an der Aussagekraft der vom Beklagten<br />

gemachten Zahlenangaben an. Dahinstehen kann, ob seine Einwände in allen Punkten stichhaltig sind.<br />

Ins Auge fällt freilich, dass nach der Darstellung im Planfeststellungsbeschluss (S. 106) die Südumfahrung<br />

(Variante 4) im Vergleich mit der Wahllinie (Variante 2) als „geringfügig billiger“ bezeich<strong>net</strong> wird.<br />

Worauf es beruht, dass sie trotz dieser Angabe erheblich teurer kommen soll, legt der Beklagte nicht<br />

dar.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 37


Rechtsprechung<br />

Ob ein zusätzlicher Kostenaufwand als unverhältnismäßig zu qualifizieren ist, ist von den Schutzgütern<br />

der FFH-Richtlinie her zu bestimmen, also danach, ob die Kosten außer Verhältnis zu dem mit Art. 6<br />

Abs. 4 FFH-RL verfolgten Zweck stehen. Je größeren Gewinn eine Alternativlösung für die Wahrung<br />

der Erhaltungsziele verspricht, desto umfassendere Verme<strong>id</strong>ungsanstrengungen auch unter Einschluss<br />

finanzieller Mittel hat der Vorhabenträger zu unternehmen. Eine abschließende Beurteilung ist<br />

dem Senat indes auch in diesem Punkt verwehrt, weil weder feststeht, ob und ggf. welche Mehrkosten<br />

tatsächlich entstünden, noch abschätzen lässt, wie intensiv FFH-relevante Schutzgüter beeinträchtigt<br />

werden, wenn der Beklagte sich entschließen würde, das Planvorhaben nicht, wie beabsichtigt, im Norden,<br />

sondern im Süden von Hessisch Lichtenau auszuführen.<br />

5. Der Fehler, der dem Beklagten bei der Behandlung der Alternativenfrage unterlaufen ist, nötigt nicht<br />

zur Aufhebung der angefochtenen Planungsentsche<strong>id</strong>ung. Es kann damit sein Bewenden haben, dass<br />

der Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 für rechtsw<strong>id</strong>rig und nicht vollziehbar erklärt wird.<br />

Der Senat lässt sich hierbei von den Erwägungen leiten, die ihn auch im Urteil vom 27. Oktober 2000 -<br />

BVerwG 4 A 18.99 - (a.a.O.) veranlasst haben, von einer Aufhebung abzusehen. Zwar gehört Art. 6<br />

Abs. 4 FFH-RL samt dem Tatbestandsmerkmal der Alternativlösung ebenso wie § 8 Abs. 3 BNatschG<br />

a.F., der seinerzeit den rechtlichen Maßstab bildete, dem strikten Recht an. Der Gesetzgeber hat aber<br />

in § 17 Abs. 6 c Satz 2 FStrG eine spezifische Fehlerfolgenregelung für fernstraßenrechtliche Planungsentsche<strong>id</strong>ungen<br />

getroffen, die es rechtfertigt, diese Vorschrift auch auf Fehler zu erstrecken, die<br />

darauf beruhen, dass die planende Behörde Schranken nicht beachtet hat, die - wie dies auch hier der<br />

Fall ist - „bei der Abwägung“ nicht überwindbar sind. Der Fehler, an dem der angefochtene Planfeststellungsbeschluss<br />

le<strong>id</strong>et, ist nicht von solcher Art und Schwere, dass die Planung als Ganzes von<br />

vornherein in Frage gestellt erscheint (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C<br />

19.94 - BVerwGE 100, 370). Es lässt sich nicht ausschließen, dass er im Sinne des § 17 Abs. 6 c Satz<br />

2 FStrG in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann. Im Zuge eines solchen ergänzenden<br />

Verfahrens hätte der Beklagte zunächst die oben unter Abschnitt 4 d) dargestellten naturschutzfachlichen<br />

Ermittlungen und die darauf fußende vergleichende Bewertung der be<strong>id</strong>en potentiellen<br />

FFH-Gebiete durchzuführen. Sollte unter diesem Gesichtspunkt die Südtrasse als Alternative in<br />

Betracht kommen, wäre weiter zu prüfen, ob - ggf. auch bislang noch nicht erörterte - gewichtige naturschutzexterne<br />

Gründe der Annahme entgegenstehen, dass die Südumfahrung von Hessisch Lichtenau<br />

gegenüber der gewählten Nordumfahrung eine vorrangige Alternative im Sinne von Art. 6 Abs. 4 FFH-<br />

RL ist.<br />

6. Auch wenn es in dieser prozessualen Situation für die Entsche<strong>id</strong>ung weder von ausschlaggebender<br />

Bedeutung ist, ob zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses das Planvorhaben<br />

rechtfertigen, noch darauf ankommt, ob den Anforderungen des Ausgleichsgebots genügt ist, hält der<br />

Senat angesichts der Befugnis des Beklagten, ein ergänzendes Verfahren durchzuführen sowie mit<br />

Blick auf das umfangreiche Vorbringen der Beteiligten zu diesen Fragenkomplexen folgende ergänzende<br />

Ausführungen für geboten:<br />

a) Der Beklagte sieht als zwingenden Ausnahmegrund bereits den Umstand an, dass die A 44 im<br />

Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf dargestellt ist. Außerdem weist er darauf<br />

hin, dass ein Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ verwirklicht, eine Lücke in der europäischen<br />

Fernstraßenverbindung Kanalhäfen - Ruhrgebiet - Kassel - Eisenach - Dresden - Görlitz - Polen<br />

geschlossen und Kapazitätsengpässe im Zuge der B 7, B 27 und B 400 abgebaut werden sollen (vgl.<br />

PFB S. 328 unter Hinweis auf S. 141 ff. und S. 156 ff.). Die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan<br />

rechtfertigt nicht die Schlüsse, die der Beklagte zieht. Ob das öffentliche Interesse, das für ein Projekt<br />

ins Feld geführt wird, im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL „überwiegt“, kann nur das Ergebnis einer<br />

Bewertung mit dem Integritätsinteresse sein, dessen Wahrung die FFH-RL dient. Fehlt eine solche Entsche<strong>id</strong>ung,<br />

so kann Art. 6 Abs. 4 FFH-RL schon aus diesem Grunde tatbestandlich nicht erfüllt sein. Es<br />

deutet, auch nach dem Vorbringen des Beklagten, nichts darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber bei<br />

der Aufnahme der A 44 in den Bedarfsplan die Regelungen der FFH-Richtlinie in seine Erwägungen<br />

mit einbezogen haben könnte. Oberprüfungsbedürftig ist auch, ob das prognostizierte Verkehrsaufkommen<br />

im Planungsraum ohne weiteres einen Autobahnbau rechtfertigt, der den strengen Ausnahmevoraussetzungen<br />

des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL gerecht wird. Anstatt mit den für das Jahr 2010 ursprünglich<br />

vorausgeschätzten 31 000 bzw. 33 000 Kfz/24 h ist für den Prognose-Nullfall 2015 nach den neueren<br />

Ermittlungen nur mehr mit einer Verkehrsmenge von 18 800 in Fürstenhagen und von 18 200 in Walburg<br />

zu rechnen. Die A 44 weist indes zwei weitere Qualifikationsmerkmale auf, die ihr im Vergleich mit<br />

sonstigen wichtigen Verkehrsvorhaben erhöhte Bedeutung verleihen. Sie zählt zu den Verkehrsprojekten<br />

„Deutsche Einheit“, die im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung insofern eine besondere<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 38


Rechtsprechung<br />

Funktion erfüllen, als sie dazu bestimmt sind, im Interesse der Schaffung gleicher Lebensverhältnisse<br />

in den alten und den neuen Bundesländern den Grundstein für eine gemeinsame Verkehrsinfrastruktur<br />

zu legen. Hinzu kommt, dass die A 44 nicht nur im innerdeutschen, sondern auch im gesamteuropäischen<br />

Verkehrssystem als wichtiges Bindeglied angesehen wird. Sie ist - unter Einschluss des<br />

Abschnitts zwischen Kassel und Eisenach - Teil des transeuropäischen Straßen<strong>net</strong>zes, dem ausweislich<br />

der zweiten Begründungserwägung der Entsche<strong>id</strong>ung des Rates vom 29. Oktober 1993 (Abl. EG<br />

Nr. L 305/11) „eine fundamentale wirtschaftliche und soziale Rolle im Güter- und Personenverkehr<br />

innerhalb der Gemeinschaft. und in ihren Beziehungen zu Drittländern“ zukommt. Dieser auf europäischer<br />

Ebene vorgenommenen Wertung ist als Gewichtungsvorgabe bei der nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL<br />

gemeinschaftsrechtlich gebotenen Interessenabwägung Rechnung zu tragen. Es wäre in sich w<strong>id</strong>ersprüchlich,<br />

die A 44 als Verkehrsdienstleistung zu charakterisieren, die von deutscher Seite im<br />

Gemeinschaftsinteresse erbracht werden soll, sie gleichzeitig aber am FFH-Recht scheitern zu lassen.<br />

b) Der Planfeststellungsbeschluss dürfte auch den Anforderungen genügen, die sich aus dem Kohärenzwahrungsgebot<br />

ergeben.<br />

Das Planvorhaben führt zu einem Verlust und einer Zerschne<strong>id</strong>ung von Flächen insbesondere des<br />

Lebensraumtyps 6510 sowie zu einer Beeinträchtigung der Habitate des Schwarzblauen Ameisenbläulings.<br />

Um gleichwohl die Gebietskohärenz aufrecht zu erhalten, sieht der Planungsträger die<br />

Errichtung einer Grünbrücke und die Schaffung eines rund 50 ha großen Feuchtgrünlandkomplexes<br />

am Hasenberg in der unmittelbaren Nachbarschaft des „Lichtenauer Hochlandes“ vor.<br />

ba) Der Kläger geht davon aus, dass sich mit diesen Maßnahmen der verfolgte Ausgleichszweck nicht<br />

erreichen lässt. Er spricht insbesondere der Grünbrücke die Eignung ab, die von ihm als besonders<br />

bedeutsam eingestuften Pfeifengraswiesen miteinander zu verbinden. Indes verstellt er sich den Blick<br />

auf die von ihm angesprochene Kompensationsproblematik von vornherein dadurch, dass er in seine<br />

Betrachtung ausschließlich den Lebensraumtyp der Pfeifengraswiesen einbezieht. Richtig ist, dass<br />

diese Wiesen in der Vegetationsstruktur des „Lichtenauer Hochlandes“ ein wichtiges Element darstellen.<br />

Ihr Flächenanteil ist zwar gering. Sie bilden aber den Kern des Feuchtbiotopkomplexes, durch den<br />

das „Lichtenauer Hochland“ maßgeblich mit geprägt wird. Der Beklagte räumt ein, dass sich die Pfeifengraswiesen<br />

durch eine Vielzahl von Pflanzenarten auszeichnen, die nicht nur für Heuschrecken und<br />

Gehäuseschnecken, sondern insbesondere auch für Tagfalter von Bedeutung sind, unter denen der<br />

nach Anhang II der FFH-Richtlinie geschützte Schwarzblaue Ameisenbläuling besonders hervorzuheben<br />

ist. Der Kläger hält dem Beklagten vor, aus dieser Erkenntnis nicht die gebotenen Konsequenzen<br />

gezogen zu haben. Er lässt bei seiner Kritik jedoch außer Acht, dass die Pfeifengraswiesen nicht die<br />

einzigen feuchten Standorte sind, die zur Gebietscharakteristik beitragen. Sie bilden einen Verbund mit<br />

weiteren Feuchtbiotopen, in denen ein Teil der für sie typischen Tierarten ebenfalls vorkommt. Dies gilt<br />

nicht zuletzt für den Schwarzblauen Ameisenbläuling, der außer in den Niedermoorbereichen auch in<br />

den Hochstaudenfluren und den angrenzenden Grünlandflächen anzutreffen ist (vgl. die der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung<br />

vorangestellte Gebietsbeschreibung, die der Kläger unw<strong>id</strong>ersprochen, gelassen<br />

hat). Mit der Grünbrücke wird das Ziel verfolgt, einen Gründlandkorr<strong>id</strong>or zu schaffen, der für sich<br />

nicht den Anspruch erheben kann und will, als unmittelbare Verbindung zwischen den rund 300 m voneinander<br />

entfernten Pfeifengraswiesen zu dienen, der aber die Feuchtbiotopkomplexe nördlich und<br />

südlich der Trasse so miteinander ver<strong>net</strong>zt, dass vorhandene Funktionsbeziehungen erhalten werden.<br />

Diese Maßnahme soll vor allem auch dem auf entsprechende Biotopstrukturen angewiesenen<br />

Schwarzblauen Ameisenbläuling zugute kommen. Die Austauschbeziehungen sollen nach den Planunterlagen<br />

in Zukunft freilich an anderer Stelle fortgesetzt werden als heute. Denn dort, wo die Grünbrücke<br />

errichtet werden soll, sind derzeit Äcker bzw. Ackerbrachen vorhanden (vgl. die im Rahmen der<br />

Verträglichkeitsuntersuchung angefertigte Bestands- und Konfliktkarte). Der Austausch, den die Grünbrücke<br />

gewährleisten soll, findet nach der Darstellung in der Bestands- und Konfliktkarte zurzeit weiter<br />

östlich in einem Bereich statt, der hierfür im Falle der Verwirklichung des planfestgestellten Vorhabens<br />

nicht mehr zur Verfügung stehen wird, weil die Trasse dort nach den Planunterlagen in einem Einschnitt<br />

verlaufen soll, der - auch nach den Bekundungen des Planungsträgers - für Tagfalter ebenso<br />

wie für andere Artengruppen als nahezu unüberwindliche Barriere wirkt. Werden die Austauschbeziehungen<br />

auf die Grünbrücke verlagert, so bedeutet dies, dass zwischen den Pfeifengraswiesen größere<br />

Entfernungen zurückzulegen sind. Diese Folge rechtfertigt es, für sich genommen, indes nicht, bereits<br />

die Zwecktauglichkeit der Kompensationsmaßnahme in Frage zu stellen. Die Grünbrücke dient nach<br />

der Darstellung des Beklagten nicht speziell als Trittstein zur Ver<strong>net</strong>zung der Pfeifengraswiesen, sondern<br />

als Verbindung zwischen den Feuchtgrünlandkomplexen nördlich und südlich der geplanten<br />

Trasse, die die Pfeifengraswiesen als einen von mehreren Bestandteilen einschließen und die neben<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 39


Rechtsprechung<br />

anderen Tierarten insbesondere auch dem Schwarzblauen Ameisenbläuling ausreichende Lebensbedingungen<br />

bieten. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass dem Schwarzblauen Ameisenbläuling, dem<br />

als Anhang II-Art im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL gebotenen Kompensation vorrangig<br />

Beachtung zu schenken ist, nicht bloß Pfeifengraswiesen, sondern auch die sonstigen Feuchtbiotope,<br />

die im „Lichtenauer Hochland“ vorkommen, als Habitat dienen. Eig<strong>net</strong> sich die Grünbrücke zur Ver<strong>net</strong>zung<br />

dieser Lebensraumtypen, so genügt sie dem gemeinschaftsrechtlichen Erfordernis, Eingriffe in<br />

das FFH-relevante ökologische Wechselbeziehungsgefüge auszugleichen.<br />

An dieser Einschätzung vermag auch der Einwand des Klägers nichts zu ändern, die Grünbrücke<br />

werde die ihr zugedachte Funktion schon deshalb nicht erfüllen können, weil sie, einem „Tunneldach“<br />

vergleichbar, „nach allen Seiten hin abfallen ... und den höchsten Punkt in der näheren Umgebung darstellen“<br />

werde. Die höchste Erhebung im Trassenbereich ist der Schulberg, für dessen Querung ein<br />

Tunnel vorgesehen ist. Die Grünbrücke ist vom östlichen Tunnelportal knapp 300 m entfernt in einem<br />

Bereich, in dem die Trasse in Einschnittslage verläuft. Sie schließt nach den Planunterlagen niveaugleich<br />

mit dem anschließenden Gelände ab. Richtig an dem Vorbringen des Klägers ist allerdings, dass<br />

die Grünbrücke höher liegt als die Pfeifengraswiesen. Der Höhenunterschied wäre unter dem Blickwinkel<br />

des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL indes nur dann von ausschlaggebender Bedeutung, wenn die Grünbrücke<br />

dafür bestimmt wäre, Arten eine Querungsmöglichkeit zu bieten, die an Standortbedingungen<br />

gebunden sind, wie sie ausschließlich auf Pfeifengraswiesen herrschen. Nach der Darstellung des<br />

Beklagten nutzt der Schwarzblaue Ameisenbläuling indes ebenso wie andere für Pfeifengraswiesen<br />

typische Tierarten auch strukturell ähnliche Biotope, die auf dem „Lichtenauer Hochland“ in der Nachbarschaft<br />

der geplanten Grünbrücke vorkommen. Trifft dies zu, so kommt es nicht entsche<strong>id</strong>end darauf<br />

an, wie hoch der Anteil der Pfeifengraswiesen im vegetationskundlichen Sinne an den als Habitat<br />

geeig<strong>net</strong>en Pflanzengesellschaften ist. Wesentlich ist vielmehr, dass unabhängig von der Höhenlage<br />

artgemäße Leitstrukturen vorhanden sind, die zur Grünbrücke hin führen. Der Kläger behauptet selbst<br />

nicht, dass der Schwarzblaue Ameisenbläuling nur auf Pfeifengraswiesen und nicht auch in höher<br />

gelegenen sonstigen Biotopen anzutreffen ist. Dann aber ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Grünbrücke<br />

als Bindeglied zwischen eben diesen Biotopen ungeeig<strong>net</strong> sein soll.<br />

bb) Der Kläger bemängelt ohne Erfolg, dass „bei den Maßnahmen zur Sicherung des Natura 2000-<br />

Zusammenhangs ... der Raubwürger nicht aufgeführt (ist), obwohl er ein Schutzziel darstellt“. Der<br />

Raubwürger gehört nicht zu den Vogelarten, zu deren Gunsten ggf. nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der<br />

Vogelschutz-Richtlinie Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind. Er genießt auch sonst unter dem Blickwinkel<br />

des Gemeinschaftsrechts keinen besonderen Schutz. Freilich gehört er nach den Bekundungen<br />

des Klägers in Hessen zu den vom Aussterben bedrohten Arten. Kommt er, wie im Bereich des „Lichtenauer<br />

Hochlandes“, unbestritten in hoher Dichte (vier Brutpaare) vor, so mag dies als zusätzliches Indiz<br />

für den ökologischen Wert des Gebiets gedeutet werden. Es trifft jedoch nicht zu, dass der Raubwürger<br />

vom Beklagten nicht zur Kenntnis genommen worden sei. In der Verträglichkeitsuntersuchung wird er<br />

als eine der für den Landschaftsraum bedeutsamen, in den EG-Normen nicht genannten Arten besonders<br />

hervorgehoben. Der Beklagte räumt ein, dass die südlich der Trasse gelegene ca. 63 ha große<br />

Teilfläche des FFH-Gebiets sowohl durch die Zerschne<strong>id</strong>ung als auch durch betriebsbedingte Immissionen<br />

als ein für den Raubwürger und verschiedene andere Vogelarten geeig<strong>net</strong>er Lebens- und Aktionsraum<br />

dauerhaft beeinträchtigt, wenn nicht gar entwertet wird. Dieser Verlust soll dadurch ausgeglichen<br />

werden, dass das potentielle FFH-Gebiet „Lichtenauer Hochland“ im Norden am Hasenberg um<br />

ein Areal von rund 50 ha erweitert wird, das insofern ähnliche geomorphologische Strukturen wie der<br />

betroffene Gebietsteil aufweist, als es aus einer Mischung von Trocken- und Feuchtstandorten besteht.<br />

Dieser Darstellung tritt der Kläger nicht entgegen. Entspricht die Erweiterungsfläche aber schon jetzt<br />

weithin dem Gebietsteil, dessen Funktionen sie übernehmen soll, so ist die Gefahr einer „zeitlichen<br />

Funktionslücke“ offenbar gering. Auch sonst deutet nichts darauf hin, dass das Gebiet am Hasenberg<br />

den rechtlichen Eignungsanforderungen nicht genügt. Der Raubwürger ist zwar ausgesprochen lärmempfindlich.<br />

Der Hasenberg liegt aber weit außerhalb des Einwirkungsbereichs der geplanten Autobahn,<br />

deren Trasse im Bereich des potentiellen FFH-Gebiets „Lichtenauer Hochland“ ausschließlich in<br />

Tunnel- oder Einschnittslage verläuft.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 40


Rechtsprechung<br />

BVerwG, Urteil vom 28.6.2002 - 4 A 59/01 -<br />

Anerkannte Naturschutzverbände: hier die Eröffnung rückwirkender Klagebefugnis durch das<br />

BNatSchGNeuregG<br />

BNatSchG 2002 § 61 Abs. 1, § 61 Abs. 5; FStrG § 17 Abs. 1<br />

§ 69 Abs. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege<br />

und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchGNeuregG) vom 25.<br />

März 2002 (BGBl. I S. 1193) eröff<strong>net</strong> rückwirkend die Klagebefugnis für solche anerkannten<br />

Naturschutzverbände, die eine im Übrigen zulässige Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss<br />

erhoben haben, der nach dem 1. Juli 2000 erlassen wurde.<br />

Zum Sachverhalt:<br />

1. Der Kläger ist ein im Freistaat Sachsen anerkannter Naturschutzverband. Er hat gegen den Planfeststellungsbeschluss<br />

des Regierungspräs<strong>id</strong>iums Dresden für den Neubau der Bundesautobahn A 17,<br />

Dresden - Bundesgrenze D/CZ - Planfeststellungsabschnitt 2, B 170 bis AS Pirna, von Bau-km 12+450<br />

bis 25+300 vom 14. September 2001 am 24. Oktober 2001 Klage erhoben. Mit ihr macht der Kläger im<br />

Wesentlichen geltend, der Planfeststellungsbeschluss verletze gemeinschaftsrechtliches <strong>Naturschutzrecht</strong>.<br />

Der Kläger hat sich im Aufstellungsverfahren beteiligt. Er hat dort Einwendungen mit Schreiben vom<br />

31. Mai 2000 und zur Tekturplanung mit Schreiben vom 18. Juli 2001 erhoben. Der Beklagte hat diesen<br />

Einwendungen nicht entsprochen.<br />

Der Kläger beantragt, den Beschluss des Regierungspräs<strong>id</strong>iums Dresden vom 14. September 2001 zur<br />

Feststellung des Plans zum Neubau der Bundesautobahn A 17 Dresden - Bundesgrenze D/CZ, Planfeststellungsabschnitt<br />

2, B 170 bis Anschlussstelle Pirna von Bau-km 12+450 bis Bau-km 25+300 mit<br />

den Nebenbestimmungen und Tekturen aufzuheben.<br />

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.<br />

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Klage. Der Kläger hat seine Klagebefugnis bei Klageerhebung<br />

auf § 58 Abs. 1 Nr. 1 SächsNatSchG gestützt. Nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Neuregelung<br />

des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer<br />

Rechtsvorschriften (BNatSchGNeuregG) vom 25. März 2002 (BGBl I S. 1193) hat er zur Begründung<br />

der Klagebefugnis auf § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. verwiesen. Der<br />

Beklagte hat dem w<strong>id</strong>ersprochen. Er meint, der angegriffene Planfeststellungsbeschluss sei bereits vor<br />

In-Kraft-Treten des Gesetzes vom 25. März 2002 bestandskräftig geworden. Die erhobene Klage sei<br />

angesichts der seinerzeit nicht gegebenen Klagebefugnis nicht geeig<strong>net</strong> gewesen, den Eintritt der<br />

Bestandskraft zu verhindern.<br />

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Nach seiner Auffassung ist die Klagebefugnis<br />

des Klägers gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. gegeben.<br />

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 27. Juni 2002 gemäß § 173 VwGO, § 280<br />

ZPO abgesonderte Verhandlung und Entsche<strong>id</strong>ung über die Frage der Zulässigkeit der Klage angeord<strong>net</strong>.<br />

Die Beteiligten haben übereinstimmend für die zu klärende Frage der Zulässigkeit der Klage auf<br />

die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.<br />

Aus den Gründen:<br />

Das Gericht entsche<strong>id</strong>et über die Zulässigkeit der erhobenen Klage vorab durch Zwischenurteil (§ 109<br />

VwGO) und ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die Beteiligten haben dieser Verfahrensweise<br />

zugestimmt.<br />

1. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache zuständig. Das angegriffene Planvorhaben<br />

wird von § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planung für Verkehrswege in<br />

den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz) - VerkPBG -<br />

vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174) erfasst. Der Planfeststellungsbeschluss betrifft eine im<br />

Gebiet der neuen Bundesländer liegende Bundesfernstraße im Sinne der §§ 1, 17 Abs. 1 des Bundesfernstraßengesetzes<br />

in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1994 (BGBl I S. 854).<br />

2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Kläger mit seinem gegen den Planfeststellungsbeschluss<br />

des Beklagten vom 14. September 2001 gerichteten Vorbringen im Grundsatz kla-<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 41


Rechtsprechung<br />

gebefugt. Diese Feststellung genügt, um im Wege des Zwischenurteils die Zulässigkeit der Klage aussprechen<br />

zu können.<br />

2.1 Die Klagebefugnis ergibt sich nicht bereits aus § 58 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SächsNatSchG. Dieser Vorschrift<br />

liegt ein formeller Biotop- und Flächenschutz zugrunde (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - 4<br />

A 16.95 - = NVwZ 1997, 491). Die Verletzung eines formell unter Naturschutz gestellten Gebietes liegt<br />

nach dem klägerischen Vorbringen nicht vor. Einer weiteren Vertiefung dieser Frage bedarf es hier<br />

nicht, da sich die Klagebefugnis aufgrund neuer Rechtslage ergibt.<br />

2.2 Die Klagebefugnis des Klägers als einem im Freistaat Sachsen anerkannten Naturschutzverband<br />

folgt aus § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. der Überleitungsvorschrift des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F.<br />

Deren Voraussetzungen sind gegeben.<br />

Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss vom 14. September 2001 wurde nach dem 1. Juli 2000<br />

erlassen. Im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes<br />

und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchGNeuregG)<br />

vom 25. März 2002 (BGBl I S. 1193) war der Planfeststellungsbeschluss noch nicht bestandskräftig.<br />

Gegen ihn sind mehrere weitere Klagen erhoben worden. Das Neuregelungsgesetz trat nach seinem<br />

Art. 5 Halbsatz 1 am Tage nach der Verkündung in Kraft. Dies war der 4. April 2002. Zu diesem Zeitpunkt<br />

war ferner die vorliegende Klage anhängig. Sie war - aus der Sicht des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses<br />

- rechtzeitig, nämlich nach Maßgabe der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung<br />

gemäß § 74 VwGO fristgerecht erhoben worden. Allerdings war die Klage wegen fehlender Klagebefugnis<br />

unzulässig. Es mag zweifelhaft sein, ob und unter welchen Voraussetzungen eine unzulässige,<br />

insbesondere unstatthafte Klage den Eintritt der Bestandskraft verhindern kann. So wird etwa angenommen,<br />

dass die aufschiebende Wirkung jedenfalls die W<strong>id</strong>erspruchs- oder Klagebefugnis bedingt<br />

(vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1992 - 7 C 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 175 = NJW<br />

1993, 1610 (1611) = DVBl. 1993, 256). Auch bei offensichtlicher Unzulässigkeit eines Rechtsbehelfs<br />

soll die aufschiebende Wirkung nicht eintreten. Dies bedarf hier indes keiner näheren Erörterung. Maßgebend<br />

ist die Zielsetzung der Überleitungsvorschrift des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. selbst. Sie<br />

setzt gerade in der Anordnung der Rückwirkung einen noch sinnvollen Anwendungsbereich voraus.<br />

Das ist nur gegeben, wenn § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. eine bislang fehlende Klagebefugnis substituiert.<br />

Die Vorschrift ord<strong>net</strong> die Rückwirkung des Gesetzes gerade hinsichtlich der bundesrechtlich<br />

normierten Klagebefugnis der anerkannten Naturschutzverbände an. Es ist dieser Zusammenhang, der<br />

den Anwendungsbereich des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. konstituiert. Zwar wollte das Gesetz mit<br />

dem Merkmal der Bestandskraft ersichtlich ausschließen, dass bereits nach der früheren Rechtslage<br />

unanfechtbar gewordene Verwaltungsakte nunmehr einem Klageverfahren mit den Möglichkeiten des<br />

§ 61 BNatSchG n.F. unterzogen werden konnten. Damit nahm das Gesetz es einerseits hin, dass ein<br />

Naturschutzverband unter dem Eindruck der früheren Rechtslage eine fristgerechte Klageerhebung<br />

unterlassen hatte. Andererseits sollte den Naturschutzverbänden rückwirkend die Klagebefugnis des<br />

§ 61 Abs. 1 BNatSchG n.F. eröff<strong>net</strong> werden und damit eine bislang gerade nicht bestehende Rechtsposition<br />

begründet werden. Der Wortlaut des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. steht dieser Auslegung<br />

erkennbar nicht entgegen. Diese wird durch den systematischen Zusammenhang, in den die Vorschrift<br />

gestellt ist, bestätigt. Das Gesetz will offenkundig verschiedene Fallgruppen von noch nicht abgeschlossenen<br />

Verfahren erfassen und dazu die Anwendbarkeit des neuen Rechts regeln. Das gilt auch<br />

für § 69 Abs. 5 BNatSchG n.F. selbst. Auch § 69 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG n.F. mit der Bezugnahme auf<br />

§ 61 BNatSchG n.F. deutet dies an. Die Entstehungsgeschichte rechtfertigt gleichfalls die hier<br />

zugrunde gelegte Auslegung. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung im Verfahren nach Art.<br />

77 Abs. 2 GG vom 5. September 2001 dargelegt, dass sich die Rückwirkung im rechtlich möglichen<br />

Maße auch auf noch nicht bestandskräftige Verwaltungsakte erstrecken solle. Im Übrigen sei die Erhebung<br />

der Klage nur unter den sonstigen allgemeinen Voraussetzungen möglich (vgl. BTDrucks 14/6878<br />

- Anlage 3 S. 25 zu Art. 1 § 68 Abs. 5 Nr. 2). Mit dieser Begründung hat die Bundesregierung dem<br />

Begehren des Bundesrates, eine Rückwirkung ganz allgemein auszuschließen (vgl. BRDrucks 411/01<br />

(Beschluss) S. 32 zu Art. 1 § 68 Abs. 5 Nr. 2), w<strong>id</strong>ersprochen.<br />

Der Kläger hat auch an dem Verwaltungsverfahren, das zu dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss<br />

geführt hat, als anerkannter Verband mitgewirkt. Diese Mitwirkung war jedenfalls gemäß § 29<br />

Abs. 1 BNatSchG a.F. vorgeschrieben.<br />

2.3 Auch die weiteren Voraussetzungen des § 61 BNatSchG n.F. sind - soweit sie die Zulässigkeit der<br />

Klage betreffen - gegeben. Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG n.F. kann sich die Klage zulässig<br />

gegen einen Planfeststellungsbeschluss richten. Mit dem Vorhaben, das Gegenstand des Planfeststel-<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 42


Rechtsprechung<br />

lungsbeschlusses ist, sind Eingriffe in Natur und Landschaft verbunden. Es genügt für die Annahme<br />

der Klagebefugnis, dass eine naturfachlich erhebliche Beeinträchtigung gegeben ist.<br />

Der Kläger macht auch eine Rechtsverletzung im Sinne des § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG n.F. geltend.<br />

Aus seinem Vorbringen ergibt sich, dass er eine Verletzung der sich aus der Richtlinie des Rates der<br />

Europäischen Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (79/<br />

409/EWG) - Vogelschutz-RL (VRL) - (ABl EG Nr. L 103 S. 1 ff. vom 25. April 1979) und der Richtlinie<br />

des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume<br />

sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (92/43/EWG) - Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-<br />

RL) - (ABl EG Nr. L 206 S. 7 ff. vom 22. Juli 1992) ergebenden Anforderungen hinreichend substantiiert<br />

geltend macht. Auf weiteres kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Dass die genannten EG-<br />

Richtlinien im Sinne des § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG n.F. den Belangen des Naturschutzes und der<br />

Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, ist im Hinblick auf §§ 33 ff. BNatSchG n.F. offenkundig.<br />

Die weiteren Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BNatSchG n.F. sind gegeben. Der Kläger<br />

handelt innerhalb seines Satzungszwecks. Er war im Aufstellungsverfahren zur Mitwirkung berechtigt.<br />

Er hat davon auch Gebrauch gemacht (vgl. auch § 69 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG n.F.). Die näheren Voraussetzungen<br />

des § 61 Abs. 3 BNatSchG n.F. betreffen nicht die Zulässigkeit der Klage.<br />

2.4 Die Klage ist fristgerecht erhoben und begründet worden. Die Klageform der Anfechtung ist zulässig.<br />

Die in § 17 Abs. 6c FStrG vorgesehenen Rechtsfolgen stellen dies nicht in Zweifel. Bedenken, die<br />

im Übrigen gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen könnten, sind nicht ersichtlich.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 43


Rechtsprechung<br />

BVerwG, Urteil vom 31.1.2002 - 4 A 15/01 -<br />

Verbandsklage; faktisches Vogelschutzgebiet; Eignungsmerkmale; IBA-Verzeichnis 2000; potentielles<br />

FFH- Gebiet, Ostseeautobahn A 20 bei Lübeck<br />

FStrG § 17 Abs. 1; VwVfG § 46; BNatSchG § 8 Abs 2 u. 3, § 29 Abs. 1; NatSchG SH § 7a Abs. 3, § 8<br />

Abs. 1 u. 2, § 51c Abs 1; RL 409/79/EWG Art 4 Abs. 1, 2 u. 4, RL 43/92/EWG Art. 4 Abs. 1, Art. 6<br />

Abs. 4, Art. 10<br />

1. Die in einem Planfeststellungsverfahren eingeholte Stellungnahme der EU-Kommission zu<br />

Fragen der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie kann die Merkmale eines „einschlägigen<br />

Sachverständigengutachtens“ i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG aufweisen.<br />

2. Eröff<strong>net</strong> das Landesrecht anerkannten Naturschutzvereinen die Möglichkeit einer Verbandsklage,<br />

die eine materiellrechtliche Prüfung eines Planfeststellungsbeschlusses einschließt, so<br />

bleibt eine Verletzung des § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG im Regelfall folgenlos, wenn der Beteiligungsmangel<br />

die Entsche<strong>id</strong>ung in der Sache nicht beeinflusst haben kann.<br />

3. Als faktisches Vogelschutzgebiet ist ein Gebiet nur dann zu qualifizieren, wenn es aus ornithologischer<br />

Sicht für die Erhaltung der im Anhang I der VRL aufgeführten Vogelarten oder der<br />

in Art. 4 Abs. 2 VRL genannten Zugvogelarten von so hervorragender Bedeutung ist, dass es in<br />

dem Mitgliedstaat zu den zahlen- und flächenmäßig geeig<strong>net</strong>sten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz<br />

4 VRL gehört.<br />

4. Zum Kreis der potentiellen FFH-Gebiete im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. BVerwG<br />

Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 und vom 27. Oktober 2000 -<br />

BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140) zählt ein Gebiet u.a. dann, wenn die in ihm vorhandenen<br />

Lebensraumtypen im Sinne des Anhangs I oder Arten im Sinne des Anhangs II der FFH-Richtlinie<br />

eindeutig den im Anhang III (Phase 1) genannten Merkmalen entsprechen. Eine Gebietsmeldung<br />

kann unterbleiben, wenn dies gemessen an den Kriterien des Anhangs III (Phase 1), die so<br />

formuliert sind, dass sie unterschiedliche Wertungen nicht ausschließen, fachwissenschaftlich<br />

vertretbar ist.<br />

5. Gesichtspunkte der Kostenhöhe einer Maßnahme haben bei der fachplanerischen Abwägung<br />

ein höheres Gewicht als im Rahmen des Art. 6 Abs. 4 Satz 3 FFH-RL (in Ergänzung zu BVerwG,<br />

Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302).<br />

6. § 8 Abs. 3 BNatSchG nimmt selbst schwere Beeinträchtigungen des Naturhaushalts und des<br />

Landschaftsbildes in Kauf, wenn den für den Eingriff sprechenden Gründen größeres Gewicht<br />

zukommt. Ein weitergehender Schutz von Natur und Landschaft lässt sich nur über Schutzgebietsausweisungen<br />

im Sinne der §§ 12 ff. BNatSchG erreichen.<br />

Zum Sachverhalt:<br />

Die Kläger, zwei in Schleswig-Holstein anerkannte Naturschutzverbände, wenden sich mit ihrer Klage<br />

gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 19. Januar 2001 für den Neubau der Bundesautobahn<br />

A 20 - der so genannten Ostsee-Autobahn - in dem Abschnitt zwischen der Landesstraße<br />

L 92 im Westen und der Landesgrenze Schleswig- Holstein im Osten, der in die Teilstrecke 2 a von der<br />

L 92 bis zur Bundesstraße B 207 und die Teilstrecke 2 b von der B 207 bis zum Ostufer der Wakenitz<br />

unterteilt ist. Auf mecklenburgischer Seite schließt sich ein Abschnitt an, der Gegenstand eines ebenfalls<br />

im Klageweg angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses vom 2. Februar 2001 ist (BVerwG 4 A<br />

77.01). Die Ostseeautobahn, die im Westen mit der Bundesautobahn A 1 und im Osten mit der Bundesautobahn<br />

A 11 verknüpft werden soll, ist Teil des geplanten transeuropäischen Straßen<strong>net</strong>zes. Sie<br />

gehört zu den 17 Verkehrsprojekten Deutsche Einheit und ist im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen<br />

als vordringlicher Bedarf dargestellt. Der planfestgestellte Abschnitt dient zusammen mit<br />

dem Abschnitt, der den Gegenstand des inzwischen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses<br />

vom 28. April 1997 bildet, auch als Südumfahrung Lübecks. Die Trasse lehnt sich an die Linienbestimmung<br />

des Bundesministers für Verkehr vom 26. Juli 1995 an. Sie ist das Ergebnis einer Prüfung, bei<br />

der eine Reihe von Trassenvarianten unter Einschluss von Linienführungen in dem Bereich nördlich<br />

von Lübeck miteinander verglichen wurden. Der Abschnitt ist 12,8 km lang. Er durchschne<strong>id</strong>et die<br />

Wakenitzniederung, die Teil des Naturparks „Lauenburgische Seen“ und des Naturschutzgebiets<br />

„Wakenitz“ ist. Als Wakenitzquerung dient eine gut 294 m lange Talraumbrücke, die im Flussbereich<br />

eine lichte Höhe von 6 m aufweist. Im Brückenbereich ist der Mittelstreifen auf 3 m aufzuweiten und als<br />

offener Spalt auszugestalten. Entlang der Brücke sind 2,5 m hohe Lärmschutzwände zu errichten, die<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 44


Rechtsprechung<br />

im Flusssegment zur Verringerung des Vogelschlagrisikos auf 4 m zu erhöhen sind. Dem Vogelschutz<br />

dienen auch Verwallungen in dem Bereich, der sich an das Brückenbauwerk anschließt. Im Teilabschnitt<br />

2 a sind Wilddurchlässe vorgesehen.<br />

Die Kläger wurden im Verwaltungsverfahren beteiligt. Sie erhoben gegen die Planung Einwendungen,<br />

die im Planfeststellungsbeschluss zurückgewiesen wurden. Der Beklagte holte zu verschiedenen Fragen<br />

Gutachten ein. Er schaltete auch die EU-Kommission ein, die sich am 31. Oktober 2000 äußerte.<br />

Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Klage vor: Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss le<strong>id</strong>e<br />

an Verfahrensfehlern. Auch materiellrechtlich sei er zu beanstanden. Es gebe keinen Rechtfertigungsgrund<br />

für die Aufteilung des Vorhabens in zwei Unterabschnitte. Das Vorhaben sei nicht vereinbar mit<br />

den Vorschriften des europäischen Vogelschutzrechts. Die Wakenitzniederung weise sowohl für sich<br />

genommen wie auch als Teil des Naturparks „Lauenburgische Seen“ die Merkmale eines faktischen<br />

Vogelschutzgebiets auf. Sie diene einer Vielzahl von Vogelarten als Lebensraum, den der Bau einer<br />

Autobahn erheblich beeinträchtige. Von besonderer Bedeutung sei die Wakenitzniederung für den Eisvogel.<br />

Aber auch für den Brachpieper, die He<strong>id</strong>elerche, die Kornweihe, den Neuntöter, den Rot- und<br />

den Schwarzmilan, den Wachtelkönig, die Sperbergrasmücke und den Ziegenmelker spiele der Landschaftsraum,<br />

in dem das Vorhaben verwirklicht werden solle, eine große Rolle. Der Zugvogelschutz<br />

lasse ebenfalls besondere Schutzvorkehrungen geboten erscheinen. Die Wakenitzniederung weise die<br />

Merkmale eines Feuchtgebiets auf. Sie diene insbesondere Singvögeln als bedeutsames Durchzugsund<br />

Rastgebiet. Einige Arten seien mit mehr als 10 000 Indiv<strong>id</strong>uen vertreten. Die Wakenitz sei überdies<br />

als potenzielles FFH-Gebiet zu qualifizieren. Ihre Meldung sei aus unsachlichen Erwägungen unterblieben.<br />

Im Uferbereich gebe es Moor- und Auenwälder, die als prioritäre Lebensraumtypen besonderen<br />

Schutz genössen. Daneben verdienten weitere Lebensraumtypen Beachtung. Besondere Bedeutung<br />

komme den Dünen mit offenen Grasflächen zu. Weitere seltene Biotoptypen, wie trockene Sandhe<strong>id</strong>en,<br />

feuchte Hochstaudenfluren, Übergangs- und Schwingrasenmoore sowie Senken mit Torfmoorsubstraten,<br />

rundeten das Bild ab. Die Wakenitz diene außerdem gefährdeten Tierarten als Habitat.<br />

Hervorzuheben seien neben anderen der Kammmolch, die Rotbauchunke, die Teichfledermaus, das<br />

Große Mausohr und der Fischotter. Der geplante Autobahnbau sei mit dem Ziel, die in der Wakenitz<br />

vorhandenen Biotope und Habitate zu erhalten, unvereinbar. Die Voraussetzungen, unter denen eine<br />

Zulassung gleichwohl in Betracht komme, lägen nicht vor. Der Beklagte habe der Alternativenproblematik<br />

nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die ihr gebühre. Die Nordumfahrung sei fälschlich als anderes<br />

Projekt eingestuft worden. Sie sei vorzugswürdig, weil sie mit geringeren Beeinträchtigungen des<br />

im Aufbau befindlichen Netzes „Natura 2000“ einherginge. Auch unter den südlichen Varianten stelle<br />

die planfestgestellte Trasse nicht die bestmögliche Lösung dar. Die Wulfsdorfer He<strong>id</strong>e werde nicht<br />

wegen ihrer ökologischen Bedeutung geschont, sondern wegen der Pläne zur Erweiterung des Flughafens<br />

Lübeck-Blankensee ausgespart. Das Interesse daran, das Vogelschutzgebiet Schaalsee unangetastet<br />

zu lassen, rechtfertige nicht eine intensivere Inanspruchnahme der Wakenitzniederung, da aus<br />

Vogelschutzgründen be<strong>id</strong>e Gebiete gleichwertig seien. Der Brückenlösung habe nicht der Vorzug vor<br />

der Tunnelvariante gegeben werden dürfen. Die ökologischen Einbußen wögen im Verhältnis zu den<br />

Kosteneinsparungen ungleich schwerer. Der Planfeststellungsbeschluss genüge auch den Anforderungen<br />

der Eingriffsregelung nicht. Die Ausgleichsbilanz sei fehlerhaft. Die von dem Eingriff betroffenen<br />

Landschaftsbestandteile würden nicht in ihrem wahren Wert erfasst. Zerschne<strong>id</strong>ungseffekte und Barrierewirkungen<br />

würden unzulänglich berücksichtigt. Das schlage auf die naturschutzrechtlich gebotene<br />

Abwägungsentsche<strong>id</strong>ung durch, die noch zusätzlich dadurch verfälscht werde, dass der Beklagte nicht<br />

sauber zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen untersche<strong>id</strong>e. Der Planfeststellungsbeschluss<br />

trage den Verbotsregelungen der Verordnung, durch die die Wakenitzniederung zum Naturschutzgebiet<br />

erklärt worden sei, nicht in der rechtlich gebotenen Weise Rechnung.<br />

Aus den Gründen:<br />

Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Vorschriften,<br />

deren Verletzung die Kläger geltend machen können.<br />

A.1. Der Senat ist erstinstanzlich zuständig (vgl. § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 VerkPBG).<br />

A.2. Die Klage ist zulässig. Die Kläger sind im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Es handelt<br />

sich bei ihnen um rechtsfähige Vereine, die nach § 29 Abs. 2 BNatSchG als Naturschutzverbände anerkannt<br />

sind. Sie können sich im Klageweg gegen eine Verletzung der Mitwirkungsrechte zur Wehr setzen,<br />

die ihnen der Bundesgesetzgeber (§ 29 Abs. 1 BNatSchG) oder der Landesgesetzgeber gewährt.<br />

Darüber hinaus können die Kläger nach § 51 c Abs. 1 LNatSchG, ohne eine Verletzung in eigenen<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 45


Rechtsprechung<br />

Rechten darlegen zu müssen, geltend machen, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 19. Januar<br />

2001 Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes, des Landesnaturschutzgesetzes, den aufgrund<br />

dieser Gesetze erlassenen Rechtsvorschriften oder anderen Rechtsvorschriften w<strong>id</strong>erspricht, die auch<br />

den Belangen des Naturschutzes zu dienen bestimmt sind. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.<br />

B.1. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss le<strong>id</strong>et nicht an formellen Mängeln. Die geltend<br />

gemachten Verfahrensfehler sind überwiegend nicht gegeben; soweit sie vorliegen, beruht der angegriffene<br />

Planfeststellungsbeschluss hierauf nicht.<br />

1. Unschädlich ist, dass der Beklagte als Anhörungs- und als Planfeststellungsbehörde tätig geworden<br />

ist. Nach § 22 Abs. 4 FStrG bestimmen die Länder die zuständigen Behörden. Der Beklagte ist nach §<br />

52 Abs. 2 des schleswig- holsteinischen Straßen- und Wegegesetzes in der Fassung vom 2. April 1996<br />

(GVOBl Schl.-H. S. 414) für die Planfeststellung zuständig. Seine Zuständigkeit als Anhörungsbehörde<br />

im Planfeststellungsverfahren folgt aus Art. 2 der Landesverordnung zur Übertragung von Zuständigkeiten<br />

im Bereich des Straßenbaus und des Verkehrs vom 30. Juni 2000 (GVOBl Schl.-H. S. 544).<br />

Diese Doppelfunktion begeg<strong>net</strong> keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Untersche<strong>id</strong>ung<br />

zwischen Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde (vgl. §§ 73 und 74 VwVfG) ist nicht in einem organisatorischen<br />

Sinne zu verstehen. Sie bedeutet nicht, dass die Aufgaben von verschiedenen Behörden<br />

wahrgenommen werden müssen. Die Länder können im Rahmen ihrer Organisationsbefugnis bestimmen,<br />

ob sie die Funktionen der Anhörungs- und der Planfeststellungsbehörde zwei Landesbehörden<br />

übertragen oder bei einer Behörde vereinigen (BVerwG, Urteile vom 25. August 1971 - BVerwG 4 C<br />

22.69 - und vom 5. Dezember 1980 - BVerwG 4 C 28.77 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nrn. 15 und 36).<br />

Das Rechtsstaatsprinzip schränkt diese Wahlfreiheit nicht ein (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. Oktober<br />

1979 - BVerwG 4 N 1.79 - BVerwGE 58, 344 und vom 27. Juli 1990 - BVerwG 4 C 26.87 - Buchholz<br />

442.08 § 36 BBahnG Nr. 18).<br />

2. Fehl geht ferner die Rüge, dass im Linienbestimmungsverfahren keine Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

mit Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Allerdings sieht § 15 Abs. 1 Satz 1 UVPG für<br />

den Regelfall vor, dass im Rahmen der Linienbestimmung die Umweltverträglichkeit, wenn auch nur<br />

nach dem jeweiligen Planungsstand des Vorhabens, geprüft wird. Nach § 2 Abs. 2 VerkPBG findet<br />

diese Vorschrift im Geltungsbereich dieses Gesetzes indes nur mit der Maßgabe Anwendung, dass die<br />

Einbeziehung der Öffentlichkeit im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren stattfindet. Diese Regelung<br />

begeg<strong>net</strong> keinen rechtlichen Bedenken. Nach Art. 6 Abs. 3 UVP-RL bestimmen die Mitgliedstaaten<br />

u.a., in welcher Weise die Öffentlichkeit angehört werden soll. Um sicherzustellen, dass der mit der<br />

UVP-Richtlinie verfolgte Zweck erreicht wird, muss die Öffentlichkeit so frühzeitig beteiligt werden, dass<br />

das Ergebnis dieses Verfahrensschrittes bei der Bewertung der Umweltauswirkungen und der Entsche<strong>id</strong>ung<br />

über den Zulassungsantrag berücksichtigt werden kann. Diesem Erfordernis wird genügt,<br />

wenn die Öffentlichkeit nach Maßgabe des § 9 UVPG im Rahmen der im Planfeststellungsverfahren<br />

obligatorischen Anhörung einbezogen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1997 - BVerwG 4<br />

VR 17.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 127). Einen früheren Zeitpunkt zu bestimmen, ist den Mitgliedstaaten<br />

unbenommen, von Gemeinschaftsrechts wegen aber nicht zwingend geboten.<br />

3.1 Die Kläger bemängeln, ihnen seien die gesetzlich eingeräumten Mitwirkungsrechte verkürzt worden.<br />

Sie halten dem Planungsträger vor, ihnen nicht sämtliche Planunterlagen zugänglich gemacht zu<br />

haben. Ein Verfahrensmangel besteht nicht. Den Klägern wurden sechs Aktenordner zugeleitet. Die<br />

drei Ordner, in denen die wasser- und die lärmtechnischen Untersuchungen sowie das Entwässerungskonzept<br />

dargestellt sind, wurden nicht mit übersandt. Zweifelhaft ist, ob es sich bei diesem Material<br />

überhaupt um Unterlagen handelte, die den anerkannten Naturschutzverbänden auf der Grundlage<br />

des § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG oder des § 51 a Abs. 1 Satz 1 LNatSchG hätten zur Verfügung<br />

gestellt werden müssen. Jedenfalls wurden die Kläger nach der Darstellung des Beklagten ausdrücklich<br />

auf die Möglichkeit hingewiesen, die ihnen nicht ausgehändigten Materialbände einzusehen. Dies<br />

stellen sie nicht in Abrede. Sie zeigen insbesondere nicht auf, weshalb sie Veranlassung hatten, auf<br />

einer Zusendung zu beharren, anstatt von der ihnen angebotenen Einsichtsmöglichkeit Gebrauch zu<br />

machen.<br />

3.2 Der Beklagte hat gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG oder § 51 a Abs. 1 Satz 1 LNatSchG auch<br />

nicht dadurch verstoßen, dass er den Klägern die Stellungnahme der EU-Kommission vom 31. Oktober<br />

2000 nicht zugeleitet hat. § 51 a Abs. 1 Satz 1 LNatSchG greift insoweit tatbestandlich schon deshalb<br />

nicht ein, weil er nur die Phase der Planauslegung betrifft. Die Kläger können im Übrigen auch aus<br />

§ 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG letztlich nichts für sich herleiten. In diesem Zusammenhang messen sie<br />

zu Unrecht dem Umstand Bedeutung bei, dass ihnen keine Gelegenheit gegeben wurde, der Kommis-<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 46


Rechtsprechung<br />

sion ihre Sicht der Dinge darzulegen. Das durch § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG gewährte Mitwirkungsrecht<br />

im Planfeststellungsverfahren erschöpft sich darin, sich zum Vorhaben zu äußern und in die einschlägigen<br />

Sachverständigengutachten Einsicht zu nehmen. Dagegen braucht die Planungsbehörde<br />

nicht Sorge dafür zu tragen, dass die anerkannten Naturschutzverbände in den Vorgang der Informationsbeschaffung<br />

eingeschaltet werden und die Möglichkeit erhalten, bereits in dieser Phase ihren<br />

Standpunkt zur Geltung zu bringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - BVerwG 4 A 16.95 - Buchholz<br />

406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10).<br />

3.3 Die Rüge, nicht ordnungsgemäß beteiligt worden zu sein, greift freilich unter einem anderen Blickwinkel<br />

durch. Die Stellungnahme der Kommission vom 31. Oktober 2000 hätte den Klägern nämlich<br />

zugänglich gemacht werden müssen.<br />

Das Schreiben erfüllt die Merkmale eines einschlägigen Sachverständigengutachtens im Sinne des §<br />

29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG. Dass die Kläger schon in der Anfangsphase des Verfahrens Gelegenheit<br />

zur Äußerung erhalten hatten, enthob den Beklagten nicht der Verpflichtung, sie von dem Schreiben<br />

der Kommission zu unterrichten. Eine Mitwirkung von Naturschutzverbänden in einem frühen Verfahrensabschnitt<br />

schließt eine nochmalige Beteiligung nicht aus, wenn die Planfeststellungsbehörde auf<br />

Erkenntnisse zurückzugreifen beabsichtigt, die sie aufgrund neuer, den Naturschutz betreffender<br />

Untersuchungen gewonnen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 19.95 -<br />

BVerwGE 102, 358). Entgegen der Ansicht des Beklagten lässt sich der Äußerung der Kommission<br />

vom 31. Oktober 2000 nicht die Qualität eines solchen Erkenntnismittels absprechen. Richtig ist, dass<br />

§ 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG den Naturschutzverbänden kein freies Zugriffsrecht auf alle Akten des<br />

Planfeststellungsverfahrens gewährt, die einen Bezug zum <strong>Naturschutzrecht</strong> aufweisen (vgl. auch<br />

BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2001 - BVerwG 4 B 81.01 - juris, zur Veröffentlichung bestimmt).<br />

Der Anspruch auf Einsicht ist vielmehr begrenzt. Unter „Sachverständigengutachten“ sind aber nicht<br />

nur Äußerungen von „Sachverständigen“ im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG zu verstehen. Als vergleichbare<br />

Erkenntnisgrundlage können auch sonstige sachverständige Stellungnahmen Dritter oder<br />

beteiligter Behörden dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 1997 - BVerwG 11 A 49.96 - BVerwGE<br />

105, 348). Voraussetzung ist freilich, dass es sich um eine „einschlägige“ Äußerung im Sinne des<br />

§ 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG handelt. Das ist nur dann der Fall, wenn naturschutzrechtliche oder -<br />

fachliche Fragen ihren eigentlichen Gegenstand bilden.<br />

Gemessen an diesen Kriterien weist das Schreiben der Kommission vom 31. Oktober 2000 die vom<br />

Gesetzgeber vorausgesetzten Merkmale auf. Es gehört allgemein zu den Aufgaben der Kommission,<br />

darüber zu wachen, dass die Mitgliedstaaten den Verpflichtungen nachkommen, die sich für sie aus<br />

den zur Erhaltung und zum Schutz der Umwelt erlassenen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen ergeben<br />

(vgl. Art. 174, 226 EG). Das FFH-Recht trifft spezielle Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass die<br />

mit ihm verfolgten Ziele nicht verfehlt werden (vgl. auch Art. 5 FFH-RL). Unter den in Art. 6 FFH-RL<br />

genannten Voraussetzungen kommt der Kommission eine zentrale Rolle bei der Prüfung der Frage zu,<br />

ob ein Vorhaben, das ein FFH- rechtlich geschütztes Gebiet erheblich beeinträchtigt, verwirklicht werden<br />

darf. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat sich bei seiner Anfrage<br />

vom 16. Oktober 2000 allerdings nicht auf Art. 6 FFH-RL gestützt. Es hat vielmehr darum gebeten „zu<br />

bestätigen, dass es sich bei dem Gebiet nicht um ein 'potentielles' Schutzgebiet nach europäischem<br />

Recht“ handelt. Die Kommission hat ihre Antwort an dieser Fragestellung ausgerichtet und klargestellt,<br />

dass sich ihr Schreiben nicht als förmliche Stellungnahme im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL qualifizieren<br />

lässt. Sie teilt mit, „in der Frage der Notwendigkeit, den durch die A 20-Querung betroffenen Teil der<br />

Wakenitz als Natura 2000-Gebiet auszuweisen“, zu dem Ergebnis gekommen zu sein, „dass es sich<br />

um ein Gebiet handelt, dessen Ausweisung sowohl was die EG-Vogelschutz- Richtlinie 79/409 anbetrifft<br />

als auch hinsichtlich der FFH- Richtlinie 92/43 in den Ermessensbereich des Mitgliedstaates fällt“.<br />

Auch eine solche Äußerung des auf EU-Ebene zur Wahrung naturschutzrechtlicher Belange berufenen<br />

Gemeinschaftsorgans ist Ausdruck einer an den naturfachlichen Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts<br />

orientierten Wertung, die nach dem Schutzzweck des § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG den Naturschutzverbänden<br />

nicht vorenthalten werden darf, da sich in ihr, wie in einem Sachverständigengutachten,<br />

besonderer Sachverstand manifestiert. Eine derartige qualifizierte Bestätigung zu erhalten, war<br />

gerade das Ziel der gestellten Anfrage.<br />

Der dem Beklagten unterlaufene Fehler nötigt indes nicht dazu, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben<br />

oder für rechtsw<strong>id</strong>rig zu erklären. Der Rechtsverstoß ist unbeachtlich. Denn es ist offensichtlich,<br />

dass die Verletzung des Mitwirkungsrechts die Entsche<strong>id</strong>ung in der Sache nicht beeinflusst haben<br />

kann. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Kläger, dass eine Anwendung des § 115 LVwG (= § 46<br />

VwVfG) auf § 29 BNatSchG nicht in Betracht komme. Die Senatsentsche<strong>id</strong>ungen vom 31. Oktober<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 47


Rechtsprechung<br />

1990 - BVerwG 4 C 7.88 - (BVerwGE 87, 62) und vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 19.95 -<br />

(a.a.O.) geben für diese Ansicht nichts her. Auch das Urteil des früheren 11. Senats des Bundesverwaltungsgerichts<br />

vom 12. November 1997 - BVerwG 11 A 49.96 - (BVerwGE 105, 348) rechtfertigt nicht die<br />

Schlüsse, die die Kläger aus ihm ziehen. Der Senat hat sich bei seiner bisherigen Rechtsprechung<br />

maßgeblich von dem Gedanken leiten lassen, dass eine Verletzung des § 29 BNatSchG nicht folgenlos<br />

bleiben darf. Auf dieser Überlegung beruht auch die Entsche<strong>id</strong>ung des 11. Senats vom 12. November<br />

1997. Dahin stehen kann, ob das Anliegen, Verstöße gegen § 29 BNatSchG nicht ohne Ahndung zu<br />

lassen, es nahe legt, die Sanktionswirkung auch auf Fehler zu erstrecken, die sich auf das Entsche<strong>id</strong>ungsergebnis<br />

gar nicht ausgewirkt haben können. Jedenfalls übersehen die Kläger, dass die Urteile<br />

vom 31. Oktober 1990, 12. Dezember 1996 und 12. November 1997 allesamt Fälle betrafen, in denen<br />

sich die Naturschutzverbände als alleinigen Klagegrund nur auf die Verletzung des in § 29 Abs. 1<br />

BNatSchG eingeräumten Mitwirkungsrechts stützen konnten. Steht lediglich das Mittel der Partizipationserzwingungsklage<br />

zur Verfügung, um auf die Sachentsche<strong>id</strong>ung Einfluss zu nehmen, so mag es<br />

gerechtfertigt sein, für die Fehlerfolgen strenge Maßstäbe anzulegen. Denn der Gesetzgeber misst<br />

dem Beteiligungsrecht als solchem erkennbar ein eigenständiges Gewicht bei. Eine derartige Verstärkung<br />

des Verfahrensrechts erübrigt sich indes in den Fällen, in denen die Naturschutzverbände nicht<br />

darauf beschränkt sind, die ihnen durch § 29 BNatSchG gewährte Verfahrensposition zu verte<strong>id</strong>igen,<br />

sondern es auf der Grundlage des Landesrechts in der Hand haben, einen Planfeststellungsbeschluss<br />

oder eine sonstige Behördenentsche<strong>id</strong>ung einer gerichtlichen Prüfung anhand der Kriterien des materiellen<br />

Rechts unterziehen zu lassen. Können die Verbände es erreichen, dass der von ihnen angefochtene<br />

Verwaltungsakt je nach der Reichweite ihres Verbandsklagerechts wegen eines Verstoßes gegen<br />

naturschutzrechtliche Bestimmungen oder sonstige Rechtsvorschriften aufgehoben oder für rechtsw<strong>id</strong>rig<br />

erklärt wird, so gibt es keinen Rechtfertigungsgrund, einem bei Anwendung des § 29 BNatSchG<br />

unterlaufenen Beteiligungsfehler ein stärkeres Gewicht zuzuerkennen als sonstigen Verfahrensmängeln,<br />

die nur unter den in § 115 LVwG (= § 46 VwVfG) genannten Voraussetzungen die in § 113 Abs. 1<br />

Satz 1 VwGO bzw. § 17 Abs. 6 c Satz 2 Halbsatz 1 FStrG bezeich<strong>net</strong>en Rechtsfolgen nach sich ziehen.<br />

§ 17 Abs. 6 c Satz 2 Halbsatz 2 FStrG, nach dem § 46 VwVfG und die entsprechenden landesrechtlichen<br />

Bestimmungen unberührt bleiben, bestätigt diesen Befund. Diese Sichtweise liegt auch dem<br />

Urteil des früheren 11., jetzt 9. Senats vom 12. November 1997 (a.a.O.) zugrunde; es untersche<strong>id</strong>et<br />

maßgeblich danach, ob das Verfahrensrecht des § 29 BNatSchG eine „dienende Funktion zugunsten<br />

eines materiellen Rechts des Naturschutzverbandes an einem bestimmten, im Klagewege durchsetzbaren<br />

Inhalt der Entsche<strong>id</strong>ung“ hat oder nicht.<br />

Das schleswig-holsteinische Recht eröff<strong>net</strong> unter den in § 51 c LNatSchG genannten Voraussetzungen<br />

die Möglichkeit einer Verbandsklage, die eine materiellrechtliche Prüfung einschließt. Die Kläger haben<br />

von diesem Klagerecht Gebrauch gemacht. Sie stellen selbst nicht in Abrede, dass sie in diesem<br />

Zusammenhang auch die Gelegenheit genutzt haben, auf die ihnen im Verwaltungsverfahren vorenthaltene<br />

Äußerung der EU-Kommission vom 31. Oktober 2000 einzugehen. Ihr Vorbringen enthält<br />

jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Entsche<strong>id</strong>ung des Beklagten möglicherweise anders ausgefallen<br />

wäre, wenn sie zu dem Schreiben vorher hätten Stellung nehmen können.<br />

B.2. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss w<strong>id</strong>erspricht auch keinen Vorschriften des materiellen<br />

Rechts, deren Verletzung die Kläger geltend machen können.<br />

1. Das Vorhaben verletzt nicht Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April<br />

1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten - Vogelschutzrichtlinie (VRL) -. Der vom Vorhaben<br />

in Anspruch genommene Raum weist keine Merkmale eines faktischen Vogelschutzgebiets auf. Er<br />

unterliegt daher nicht dem Beeinträchtigungs- und dem Störungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL.<br />

Das Verbot gilt in Gebieten, die nach den Kriterien der Vogelschutz-Richtlinie förmlich unter Vogelschutz<br />

hätten gestellt werden müssen, aber nicht als Vogelschutzgebiet ausgewiesen worden sind,<br />

trotz Art. 7 FFH-RL fort (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - C 374/98 - Slg. 2000, I-10837 Rn.<br />

42 ff.). Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 VRL geregelten Voraussetzungen, unter denen die Mitgliedstaaten zur<br />

Ausweisung von Vogelschutzgebieten verpflichtet sind, sind indes hier nicht erfüllt.<br />

1.1 Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL erklären die Mitgliedstaaten insbesondere die für die Erhaltung der<br />

im Anhang I aufgeführten Vogelarten zahlen- und flächenmäßig geeig<strong>net</strong>sten Gebiete zu Schutzgebieten,<br />

wobei die Erfordernisse des Schutzes dieser Arten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet,<br />

in dem die Richtlinie Anwendung findet, zu berücksichtigen sind. Art. 4 Abs. 2 VRL ergänzt diese<br />

Bestimmung dahin, dass die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Schutzerfordernisse in dem<br />

geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem die Richtlinie Anwendung findet, entsprechende Maßnahmen<br />

für die nicht in Anhang I aufgeführten regelmäßig auftretenden Zugvogelarten hinsichtlich ihrer<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 48


Rechtsprechung<br />

Vermehrungs- und Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten treffen.<br />

Dabei ist dem Schutz der Feuchtgebiete und ganz besonders der international bedeutsamen Feuchtgebiete<br />

besondere Bedeutung beizumessen.<br />

Aus diesen Regelungen folgt nicht, dass sämtliche Landschaftsräume unter Schutz gestellt werden<br />

müssen, in denen vom Aussterben oder sonst bedrohte Vogelarten vorkommen. Vielmehr haben die<br />

Mitgliedstaaten die Gebiete auszuwählen, die im Verhältnis zu anderen Landschaftsteilen am besten<br />

die Gewähr für die Verwirklichung der Richtlinienziele bieten. Die Richtung gibt insbesondere Art. 4<br />

Abs. 1 Satz 1 VRL vor. Schutzmaßnahmen sind danach zu ergreifen, soweit sie erforderlich sind, um<br />

das Überleben und die Vermehrung der im Anhang I aufgeführten Vogelarten und der in Art. 4 Abs. 2<br />

VRL angesprochenen Zugvogelarten sicherzustellen. Die Auswahlentsche<strong>id</strong>ung hat sich ausschließlich<br />

an diesen ornithologischen Erhaltungszielen zu orientieren (vgl. EuGH, Urteile vom 2. August 1993 - C<br />

355/90 - Slg. 1993, I-4221 Rn. 26, vom 11. Juli 1996 - C 44/95 - Slg. 1996, I-3805 Rn. 26 und vom 19.<br />

Mai 1998 - C 3/96 - Slg. 1998, I-3031 Rn. 59). Eine Abwägung mit anderen Belangen findet nicht statt.<br />

Die in Art. 2 VRL erwähnten Gründe wirtschaftlicher oder freizeitbedingter Art haben bei der Auswahl<br />

außer Betracht zu bleiben (vgl. EuGH, Urteile vom 2. August 1993 - C 355/90 - a.a.O. Rn. 19 und vom<br />

11. Juli 1996 - C 44/95 - a.a.O. Rn. 31). Denn Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL ist das Ergebnis einer bereits<br />

vom Gemeinschaftsgesetzgeber getroffenen Abwägungsentsche<strong>id</strong>ung, die keiner weiteren Relativierung<br />

zugänglich ist (vgl. EuGH, Urteile vom 8. Juli 1987 - 247/85 - und - 262/85 - Slg. 1987, 3029 und<br />

3073).<br />

Für Art. 4 Abs. 2 VRL gilt Entsprechendes. Unter Schutz zu stellen sind die Landschaftsräume, die sich<br />

nach ihrer Anzahl und Fläche am ehesten zur Arterhaltung eignen. Welche Gebiete hierzu zählen, legt<br />

das Gemeinschaftsrecht nicht im Einzelnen fest. Jeder Mitgliedstaat muss das Seine zum Schutz der<br />

Lebensräume beitragen, die sich auf seinem Hoheitsgebiet befinden. Entsche<strong>id</strong>end ist die ornithologische<br />

Wertigkeit, die nach quantitativen und nach qualitativen Kriterien zu bestimmen ist (vgl. EuGH,<br />

Urteil vom 2. August 1993 - C 355/90 - a.a.O. Rn. 27 bis 29). Je mehr der im Anhang I aufgeführten<br />

oder in Art. 4 Abs. 2 VRL genannten Vogelarten in einem Gebiet in einer erheblichen Anzahl von Exemplaren<br />

vorkommen, desto höher ist der Wert als Lebensraum einzuschätzen. Je bedrohter, seltener<br />

oder empfindlicher die Arten sind, desto größere Bedeutung ist dem Gebiet beizumessen, das die für<br />

ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweist.<br />

Nur Lebensräume und Habitate, die unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe für sich betrachtet in signifikanter<br />

Weise zur Arterhaltung in dem betreffenden Mitgliedstaat beitragen, gehören zum Kreis der<br />

im Sinne des Art. 4 VRL geeig<strong>net</strong>sten Gebiete.<br />

1.2 Die Mitgliedstaaten können die Kriterien für die vom Gemeinschaftsrecht geforderte Auswahl festlegen.<br />

Machen sie von dieser Möglichkeit, wie die Bundesrepublik Deutschland, keinen Gebrauch, so<br />

kommt als Entsche<strong>id</strong>ungshilfe die sog. IBA-Liste in Betracht, die unter der Bezeichnung „Important Bird<br />

Areas in Europe“ erstmals im Jahre 1989 erschienen und im Jahre 2000 neu gefasst worden ist. In dem<br />

IBA-Katalog 2000 sind neben den Gebieten, die aufgrund von Vorschriften des nationalen und des<br />

europäischen Gemeinschaftsrechts oder aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen unter Schutz stehen,<br />

auch alle Gebiete erfasst, die keiner Schutzregelung unterliegen, aus ornithologischer Sicht aber<br />

ebenfalls als schutzwürdig zu qualifizieren sind. Der EuGH wertet die IBA-Liste 1989 als ein für die<br />

Gebietsauswahl geeig<strong>net</strong>es wissenschaftliches Erkenntnismittel (vgl. Urteil vom 19. Mai 1998 - C 3/96 -<br />

a.a.O. Rn. 68 ff.). Für die Fassung 2000, deren Zweck sich darin erschöpft, das ursprüngliche Inventar<br />

dem derzeitigen Entwicklungsstand anzupassen, gilt nichts Abweichendes.<br />

1.3 Das IBA-Verzeichnis 2000 nötigt nicht zu den Folgerungen, die sich nach Ansicht der Kläger für die<br />

Schutzwürdigkeit des von dem Autobahnbau betroffenen Gebietes aufdrängen.<br />

1.3.1 Als für den Vogelschutz in Deutschland bedeutsames Gebiet ist in dieser Liste unter Nr. 027 der<br />

„Naturpark Lauenburgische Seen samt Schaalseegebiet“ („Lauenburgische Seen Nature Park and<br />

Schaalsee area“) aufgeführt (S. 283). Seine Größe wird mit 50 000 ha angegeben. Der auf diese Weise<br />

umschriebene Landschaftsraum umfasst auch den Bereich der Wakenitz. Die Bezeichnung „Naturpark<br />

Lauenburgische Seen samt Schaalseegebiet“ lässt jedoch nicht schon für sich genommen den Schluss<br />

zu, dass sämtliche Gebietsteile zwingend unter Schutz zu stellen sind. Tatsache ist, dass die Wakenitz<br />

nicht die Merkmale aufweist, die es auf der Grundlage der IBA-Daten nahe legen, Anordnungen zum<br />

Schutz der Vogelwelt zu treffen. Aus IBA-Sicht ist der unter der Nr. 027 erfasste Naturraum geeig<strong>net</strong>,<br />

einen wirksamen Beitrag zum Fortbestand und zur Fortpflanzung des Haubentauchers, der Saatgans,<br />

der Bläßgans, der Graugans, der Reiherente und des Kranichs zu leisten. Außerdem wird das Gebiet<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 49


Rechtsprechung<br />

auch deshalb als ornithologisch wertvoll eingestuft, weil es mehr als 20 000 Enten und Gänsen (wildfowl<br />

= Anat<strong>id</strong>ae, S. 15) als Winterrastplatz dient.<br />

Die Kläger machen selbst nicht geltend, dass die Wakenitzniederung, die mit einer Fläche von rund<br />

450 ha den äußersten nördlichen Zipfel des Naturparks „Lauenburgische Seen“ bildet, für diese Vogelarten<br />

eine nennenswerte Rolle spielt. Sie erwähnen ein Kranichvorkommen, das nach den Angaben<br />

von LEGUAN (Gutachten vom Februar 1998, S. 33) aus einem Brutpaar besteht, lassen aber selbst<br />

keine Zweifel daran aufkommen, dass diese Art für die ornithologische Wertigkeit des Gebietsteils ohne<br />

Bedeutung ist (vgl. die von ihnen vorgelegte gutachterliche Stellungnahme von Köppel/Ziese vom 15.<br />

Juni 2001, S. 9).<br />

1.3.2.1 Zugunsten der Kläger kann unterstellt werden, dass die Eisvogelpopulation, die in der Aufzählung<br />

unter der Nr. 027 nicht ausdrücklich als eine für das Gebiet charakteristische Art genannt wird, mit<br />

ursächlich dafür war, die Wakenitzniederung als Teil des „Naturparks Lauenburgische Seen samt<br />

Schaalseegebiet“ in die IBA-Liste aufzunehmen. Weder der Eisvogel noch sonstige Vogelarten lassen<br />

sich indes als Beleg dafür ins Feld führen, dass die Wakenitz unabhängig von dem im IBA-Verzeichnis<br />

aufgeführten Vogelbestand über ein Arteninventar verfügt, das es rechtfertigt, diesen Raum anhand der<br />

IBA-Kriterien als ein Gebiet einzustufen, das die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL erfüllt.<br />

Die Kläger weisen zwar darauf hin, dass sich die Wakenitz durch eine große Artendiversität auszeich<strong>net</strong>.<br />

Etliche der von ihnen genannten Vogelarten sind jedoch von vornherein ungeeig<strong>net</strong>, als ein den<br />

Landschaftsraum prägendes Element nennenswert zu Buche zu schlagen. Dies trifft insbesondere für<br />

die Arten zu, für die eingestandenermaßen seit Jahren Nachweise fehlen. Hierzu zählen die Sperbergrasmücke,<br />

die Zwergdommel und der Ziegenmelker.<br />

Die Kläger messen dem Umstand, dass diese Arten in der Wakenitz nicht mehr vorkommen, deshalb<br />

keine entsche<strong>id</strong>ende Bedeutung bei, weil ihnen eine Wiederbesiedlung aussichtsreich erscheint (vgl.<br />

Köppel/Ziese, a.a.O., S. 8; vgl. auch Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein<br />

- LANU -, gutachterliche Stellungnahme vom 4. März 1998, S. 15). Dem kann nicht gefolgt werden.<br />

Zwar gehört es nach Art. 3 VRL zu den Schutzzielen des Gemeinschaftsgesetzgebers, Lebensräume<br />

nicht nur zu erhalten, sondern auch wiederherzustellen. Das kann aber nicht bedeuten, dass Schutzgebiete<br />

auch dort eingerichtet werden müssen, wo bedrohte Vogelarten nicht mehr nachweisbar sind, die<br />

Hoffnung auf Rückkehr aber noch besteht. Von welchen Erwägungen sich die Mitgliedstaaten im Rahmen<br />

des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL leiten zu lassen haben, ergibt sich vornehmlich aus Art. 4 Abs. 1 Satz<br />

2 VRL. Bloße Entwicklungspotenziale können in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende<br />

Rolle spielen.<br />

1.3.2.2 Auch einige andere der von den Klägern aufgezählten Vogelarten brauchte das Land Schleswig-Holstein<br />

nicht zum Anlass dafür zu nehmen, den Bereich der Wakenitz zu einem Vogelschutzgebiet<br />

zu erklären. Das rührt daher, dass für sie auf schleswig-holsteinischer Seite kein geeig<strong>net</strong>er<br />

Lebensraum zur Verfügung steht. Dies trifft insbesondere für die He<strong>id</strong>elerche und den Brachpieper zu<br />

(vgl. LEGUAN, Februar 1998, S. 34, 35; Kaule, Stellungnahme vom 25. März 1999, Teil B, S. 9; Köppel/<br />

Ziese, a.a.O., S. 9), die auf Standortbedingungen angewiesen sind, wie sie nurmehr im Grenzstreifen<br />

auf mecklenburgischem Gebiet, nicht aber in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Trockenbereichen<br />

westlich der Wakenitzniederung anzutreffen sind. Ein Teil der weiteren von den Klägern erwähnten<br />

Vogelarten gibt der Wakenitz schon deshalb kein im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL besonderes<br />

Gepräge, weil sie diesen Raum nicht als Habitat, sondern nur als gelegentliches Nahrungsrevier<br />

nutzen. Das gilt für den Rot- und den Schwarzmilan ebenso wie für die Kornweihe und den Weißstorch<br />

(vgl. LEGUAN, a.a.O., S. 38 bis 42). Auch das Tüpfelsumpfhuhn, der Fischadler, der Schwarzspecht,<br />

der Mittelspecht, der Seeadler und der Wespenbussard können als Beleg für die von den Klägern<br />

angeführte reiche Vielfalt außer Betracht bleiben, da Einigkeit darüber besteht, dass die Wakenitz als<br />

Lebensraum für diese Vogelarten ohne nennenswerte Bedeutung ist (vgl. Köppel/Ziese, a.a.O., S. 9).<br />

1.3.2.3 Erhöhte Aufmerksamkeit verdienen allenfalls die Rohrdommel, der Wachtelkönig, der Neuntöter<br />

und der Eisvogel. Aber auch für diese Vogelarten führen die Kläger ohne Erfolg die IBA-Liste 2000 ins<br />

Feld. Nach dem C6- Kriterium des IBA-Verzeichnisses 2000 (S. 11) ist ein Gebiet für den Vogelschutz<br />

u.a. dann bedeutsam, wenn es für eine nach dem Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie bedrohte Art<br />

oder Unterart zu den fünf wichtigsten der jeweiligen NUTS-Region gehört. Die NUTS-Gebietssystematik<br />

untersche<strong>id</strong>et unterhalb der Ebene der Mitgliedstaaten regionale und lokale Ebenen. Die regionale<br />

Stufe bilden in Deutschland die einzelnen Bundesländer (vgl. ABl Nr. L 107 vom 24. April 1997, S. 49).<br />

Hieran knüpft der IBA-Katalog 2000 an (S. 852). Soweit im Rahmen des C6-Kriteriums auf die jeweilige<br />

NUTS-Region (Nomenclature des Unites territoriales pour la Statistique) abgestellt wird, kommt das<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 50


Rechtsprechung<br />

Land Schleswig-Holstein als Bezugsraum in Betracht. Daraus können die Kläger aber für ihren Standpunkt<br />

nichts herleiten. Schon nach ihren eigenen Annahmen gehört die Wakenitz für die Rohrdommel,<br />

den Wachtelkönig und den Neuntöter nicht zu den wichtigsten Gebieten im Sinne des C6-Kriteriums.<br />

Dem vorliegenden Gutachtenmaterial ist zu entnehmen, dass die Rohrdommel und der Wachtelkönig<br />

im Bereich der Wakenitzniederung äußerst selten vorkommen. Das LANU (Stellungnahme vom 4. März<br />

1998, S. 13/14) geht davon aus, dass ein bis zwei Rohrdommelpaare im Niederungsbereich brüten.<br />

Nach den Angaben des Beklagten (S. 415 der Prozessakte) ist bei neueren Untersuchungen freilich ein<br />

Nachweis nicht mehr gelungen. Ähnlich unsicher ist die Situation beim Wachtelkönig. Bei der Erfassung<br />

des BFU im Jahre 1997 wurden Vorkommen entlang der Trasse und im Bereich der Bundesstraße<br />

B 207, vereinzelt aber auch im Trassenkorr<strong>id</strong>or der geplanten BAB A 20 festgestellt (vgl. Erfassungsbericht,<br />

S. 40 ff.). Im Rahmen der Kartierung von LEGUAN (Februar 1998, S. 22 ff.) wurde nur<br />

noch eine Brutverdachtsfläche im Bereich des Kammerbruchs ermittelt. Spätere Untersuchungen ergaben<br />

keine weiteren Aufschlüsse, die sich als Bestätigung werten lassen könnten (vgl. Kaule, Beurteilung<br />

der Wakenitzniederung, vom 25. März 1999, Teil B, S. 10). Das LANU misst dem Rohrdommelvorkommen<br />

Bedeutung bei, weil es meint, Grund zu der Annahme zu haben, dass die Wakenitz gute<br />

Möglichkeiten zur dauerhaften Etablierung dieser Art bietet, die in Deutschland nur noch mit weniger<br />

als 500 Brutpaaren vertreten ist (vgl. IBA 2000, S. 271) und in Schleswig-Holstein mit maximal 160<br />

Brutpaaren einen Verbreitungsschwerpunkt hat. Der Wachtelkönig ist besonders schutzwürdig, da er<br />

zu der Gruppe der 35 Vogelarten gehört, die weltweit vom Aussterben bedroht sind (vgl. IBA 2000, S.<br />

13). Die Wakenitz drängt sich indes nicht als besonderes Schutzgebiet für diese be<strong>id</strong>en Vogelarten auf.<br />

Das Land Schleswig-Holstein hat andernorts Gebiete bereitgestellt, die sich für diesen Zweck besser<br />

eignen. Für die Rohrdommel steht die E<strong>id</strong>er-Treene-Sorge-Niederung mit 15 Brutpaaren, der nördliche<br />

Binnensee mit Fastensee und Salzensee mit 10 Brutpaaren, der Selenter See mit sieben Brutpaaren,<br />

das Naturschutzgebiet Schalsee mit sechs Brutpaaren, das Gotteskoog-Gebiet mit sechs Brutpaaren<br />

und der Hauke-Haien- Koog mit vier Brutpaaren zur Verfügung. Dem Lebensraumschutz des Wachtelkönigs<br />

dienen die E<strong>id</strong>er-Treene- Sorge-Niederung mit 40 Brutpaaren, die He<strong>id</strong>moor-Niederung mit 21<br />

Brutpaaren, die Alsterniederung mit 17 Brutpaaren, das Naturschutzgebiet Nordstrander Bucht mit 10<br />

Brutpaaren, der schleswig-holsteinische Elbästuar mit acht Brutpaaren sowie das Vorland Sankt Margarethen<br />

mit fünf Brutpaaren. Gemessen hieran ist die Wakenitz sowohl für die Rohrdommel als auch<br />

für den Wachtelkönig von allenfalls zweitrangiger Bedeutung.<br />

Zahlenmäßig stärker ins Gewicht fällt der Neuntöter, der nach den Angaben der Gutachter in der Wakenitz<br />

mit 11 bis 13 Brutpaaren vertreten ist (vgl. LEGUAN, Februar 1998, S. 36/37; Kaule, Beurteilung<br />

der Wakenitzniederung, vom 25. März 1999, Teil A, S. 2). Der Neuntöterbestand wird in Deutschland<br />

auf 90 000 Brutpaare geschätzt. Davon entfallen auf Schleswig-Holstein etwa 1 600 Paare. Das Land<br />

hat für diese Vogelart den Oldenburger Graben (30 Brutpaare), die Treene-Sorge-Niederung (30 Brutpaare),<br />

den Plöner See (12 Brutpaare), die Barker und Wittenborner He<strong>id</strong>e (20 Brutpaare), die Schlei<br />

(10 Brutpaare), die He<strong>id</strong>moor- Niederung (7 Brutpaare) sowie die Alsterniederung (12 Brutpaare) als<br />

Schutzgebiete ausgewiesen. Im Vergleich mit diesen Gebieten schne<strong>id</strong>et die Wakenitz jedenfalls nicht<br />

besser ab.<br />

1.3.2.4 Auch das Eisvogelvorkommen nötigte das Land Schleswig-Holstein nicht, die Wakenitzniederung<br />

zum Vogelschutzgebiet zu erklären.<br />

Die Untersuchungen, die Clement über lange Jahre hinweg angestellt hat (Stellungnahme vom 22.<br />

April 1998), lassen im Schnitt auf einen Bestand von sieben Brutpaaren schließen. Diese Angaben<br />

werden von keiner Seite in Zweifel gezogen (vgl. LANU, Stellungnahme vom 4. März 1998, S. 11;<br />

LEGUAN, Februar 1998, S. 40/41; Kaule, Beurteilung der Wakenitzniederung, vom 25. März 1999, Teil<br />

A, S. 3). Die Ergebnisse neuerer Beobachtungen lassen sich möglicherweise als Indiz dafür werten,<br />

dass die Zahl der Brutpaare steigt (vgl. Koop, Gutachten vom April 2001, S. 6). Das Eisvogelvorkommen<br />

reicht nach Ansicht der Kläger schon als solches aus, um die Wakenitzniederung als faktisches<br />

Vogelschutzgebiet anzusehen. Das LANU (Stellungnahme vom 4. März 1998, S. 4) und Köppel/Ziese<br />

(gutachterliche Stellungnahme vom 15. Juni 2001, S. 11) teilen diese Auffassung. Der Eisvogelbestand<br />

in Schleswig-Holstein wird auf 150 Brutpaare geschätzt (vgl. LEGUAN, Februar 1998, S. 40/41). Nur<br />

für einen kleinen Teil dieses Vorkommens ist ein besonderer Lebensraumschutz gewährleistet.<br />

Das Land Schleswig-Holstein hat vier Gebiete bezeich<strong>net</strong>, die dem Schutz des Eisvogels dienen. Es<br />

handelt sich um den Lanker See (sechs Brutpaare), das Naturschutzgebiet Schaalsee (sechs Brutpaare),<br />

den Großen Plöner See (drei Brutpaare) und das Naturschutzgebiet Kossautal (drei Brutpaare).<br />

Schon diese Angaben machen deutlich, dass die Wakenitzniederung aus der Sicht des Landes Schles-<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 51


Rechtsprechung<br />

wig- Holstein zu den für die Erhaltung des Eisvogels bestgeeig<strong>net</strong>en Gebieten gehört. Denn nur die<br />

Gebiete am Lanker See und am Schaalsee beherbergen eine vergleichbare Anzahl dieser Tiere. Der<br />

Große Plöner See und das Naturschutzgebiet Kossautal fallen, gemessen an dem in der Wakenitzniederung<br />

nachweisbaren Bestand, deutlich ab.<br />

Trotz dieses Befundes lässt das C6-Kriterium nicht die Schlüsse zu, die die Kläger aus ihm ziehen. Es<br />

ist nicht geeig<strong>net</strong>, den Besonderheiten der Wakenitzniederung Rechnung zu tragen. Das Eisvogelvorkommen<br />

im Niederungsbereich weist nicht die Merkmale einer eigenständigen Population auf. Es kann<br />

nicht isoliert betrachtet werden. Insbesondere lässt es sich nicht in ein holsteinisches und ein mecklenburgisches<br />

Kontingent aufteilen. Es ist vielmehr Teil einer relativ homogen strukturierten länderübergreifenden<br />

Population, deren Lebensraum nach Osten bis zum Warnow-Recknitz-Gebiet reicht (vgl.<br />

Kaule, Beurteilung der Wakenitzniederung vom 25. März 1999, Teil A, S. 4 ff.). In diesem größeren<br />

Bezugsrahmen erfüllt die Wakenitz lediglich eine Annexfunktion. Die Bestände, die in diesem Teilraum<br />

am westlichen Rand des Verbreitungsgebiets nachweisbar sind, fallen nicht nennenswert ins Gewicht.<br />

Die Kläger stellen selbst nicht in Abrede, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern in dem Bereich, in<br />

dem der Eisvogel seinen Vorkommensschwerpunkt hat, neun Gebiete gemeldet hat, die das Wakenitztal<br />

an Bedeutung weit überragen. Dazu zählen das Pee<strong>net</strong>al mit 43, das Naturreservat Schaalsee mit<br />

bis zu 50, der Müritz-Nationalpark mit 20, die Mecklenburgische Schweiz mit 19 und das Trebeltal mit<br />

15 Brutpaaren (vgl. dazu S. 404 der Prozessakte). Das IBA- Kriterium C6, auf das sich die Kläger berufen,<br />

verbietet es nicht, diese Gebiete in die vergleichende Betrachtung mit einzubeziehen. Das IBA-<br />

Regelwerk hat keine Rechtsnormqualität. Es dient nach der Rechtsprechung des EuGH als Orientierungshilfe,<br />

ersetzt aber nicht bereits für sich genommen die Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal<br />

der „zahlen- und flächenmäßig geeig<strong>net</strong>sten Gebiete“ in Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL. Der Vogelschutz-Richtlinie<br />

liegt auch unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 VRL nicht die<br />

Zielvorstellung zugrunde, den Vogelschutz dadurch zu stärken, dass gerade in den Randbereichen der<br />

jeweiligen Verbreitungsräume Schutzgebiete für jede beliebig kleine Zahl von Indiv<strong>id</strong>uen geschaffen<br />

werden, nur weil es in der maßgeblichen Region Gebiete gibt, in denen der Bestand noch geringer ist.<br />

In der IBA-Aufstellung 2000 (S. 271) wird das Eisvogelvorkommen in Deutschland mit mindestens 3<br />

500 Brutpaaren angegeben. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt offensichtlich außerhalb der Grenzen<br />

des Landes Schleswig- Holstein, das nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten maximal<br />

150 Brutpaare beherbergt. Es deutet nichts darauf hin, dass der Fortbestand der Art in Deutschland<br />

von den Brutpaaren in der Wakenitzniederung abhängt. Den förmlichen Vogelschutz auf diese Paare<br />

zu erstrecken, ist keine Maßnahme, die als nennenswerter Beitrag zur Erhaltung der Art geboten<br />

erscheinen könnte.<br />

1.4.1 Die Wakenitzniederung lässt sich auch unter dem Blickwinkel des Art. 4 Abs. 2 VRL nicht als faktisches<br />

Vogelschutzgebiet einstufen. Sie hat als Vermehrungs-, Überwinterungs- oder Rastplatz für<br />

Zugvögel keine so überragende Bedeutung, dass sie zu den in Deutschland geeig<strong>net</strong>sten Gebieten zu<br />

rechnen ist.<br />

Die Wakenitzniederung ist kein Feuchtgebiet im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 VRL. Von der Ramsar-<br />

Konvention wird sie nicht erfasst. Sie steht auch nicht zur Aufnahme in das Verzeichnis der international<br />

bedeutsamen Feuchtgebiete an (vgl. Mitlacher, Ramsar-Bericht Deutschland, 1997, S. 16, 19/20).<br />

Feuchtgebiete zeichnen sich dadurch aus, dass bestimmte Wasservogelpopulationen sie auf ihren<br />

Zugwegen als Jahreslebensräume nutzen (vgl. die im Ramsar-Bericht auf S. 91 enthaltene Aufzählung).<br />

Die Kläger machen selbst nicht geltend, dass das von ihnen gezeich<strong>net</strong>e Bild der Wakenitz als<br />

Rastplatz durch diese Vogelgruppen beherrscht oder auch nur maßgeblich mitgeprägt wird. LEGUAN<br />

(Vogelzuggutachten vom 3. Oktober 2000, S. 5) und Risch (Vogelzuggutachten vom Dezember 1997,<br />

S. 6 bis 9) sind sich in der Beurteilung einig, dass die Wakenitz Wasservögeln zwar als Korr<strong>id</strong>or dient,<br />

von der großen Masse dieser Vögel aber lediglich überflogen wird. Die Kläger stellen dies nicht in<br />

Abrede. Auch nach ihrer Einschätzung spielt Art. 4 Abs. 2 VRL allenfalls deshalb eine Rolle, weil der<br />

Niederungsbereich insbesondere von Singvögeln als Rast-, Nahrungs- oder Durchzugsgebiet genutzt<br />

wird. Die Kläger sehen in dem Umstand, dass bei der Untersuchung des Vogelzuges 1998 und 1999<br />

144 Vogelarten registriert und eine Gesamtindiv<strong>id</strong>uenzahl von mehr als 200 000 ermittelt wurden (im<br />

LEGUAN-Vogelzuggutachten, S. 118, ist von einem geschätzten Rastvogelaufkommen von mindestens<br />

157 000 Indiv<strong>id</strong>uen während der Herbst- und der Frühjahrszugphase die Rede), einen Indikator für<br />

die hohe Bedeutung der Wakenitz als Zuggebiet. Sie machen indes selbst nicht geltend, dass die von<br />

ihnen genannten Zahlen bereits für sich genommen die Annahme rechtfertigen, dass den Anforderungen<br />

genügt ist, die an ein faktisches Vogelschutzgebiet zu stellen sind. Rechtliche Relevanz messen<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 52


Rechtsprechung<br />

sie freilich der Tatsache bei, dass die Indiv<strong>id</strong>uenzahl bei einzelnen Arten über der Marke von 10 000<br />

lag. Diese Mengenangabe nötigt indessen nicht zu den Schlüssen, die sie aus ihr ziehen.<br />

1.4.2 Die Kläger nehmen ausdrücklich Bezug auf die Vogelzuguntersuchungen von LEGUAN (a.a.O.).<br />

Danach wurden im Zählzeitraum in und über der Wakenitzniederung u.a. 26 185 Kiebitze, 31 155 Ringeltauben,<br />

13 990 Kolkraben, 11 275 Rauchschwalben, 12 570 Erlenzeisige und 30 980 Stare ermittelt<br />

(vgl. Anhang I S. LIX bis LXIII). Diese Zahlenangaben lassen sich aber nicht als Beleg dafür werten,<br />

dass die IBA-Kriterien, die als Gradmesser für die Bedeutung eines Gebiets heranzuziehen sind, erfüllt<br />

sein könnten. Nach dem C4-Kriterium dient als Schwellenwert zwar eine Anzahl von 20 000 Indiv<strong>id</strong>uen<br />

bzw. 10 000 Paaren. Diese Angabe bezieht sich jedoch nicht auf beliebige Zugvogelarten, sondern<br />

ausschließlich auf Wasser- und auf Seevögel. Diese Vögel aber sind in der Wakenitzniederung als<br />

Rastgäste nicht annähernd in einer Größenordnung vertreten, die eine Ausweisung als Vogelschutzgebiet<br />

unabdingbar erscheinen lassen könnte. Auch das so genannte „Flaschenhals“-Kriterium C5 der<br />

IBA-Studie taugt nicht zum Nachweis dafür, dass die Wakenitz zu den Gebieten gehört, die in Deutschland<br />

zur Erreichung der mit Art. 4 Abs. 2 Satz 1 VRL verfolgten Zwecke am besten geeig<strong>net</strong> sind. Voraussetzung<br />

hierfür wäre, dass der Niederungsbereich von mindestens 3 000 Greifvögeln während des<br />

Frühjahres- oder des Herbstzuges regelmäßig aufgesucht wird. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.<br />

Nach den Angaben von LEGUAN (Vogelzuggutachten, Anhang I S. LXII) wurden während des Herbstzuges<br />

2 490 Greifvögel gezählt. Die Kläger stellen dieses Ergebnis zwar pauschal infrage, sie machen<br />

aber selbst nicht geltend, auf der Grundlage der im Jahre 2000 angestellten neueren Erhebungen zu<br />

besseren Erkenntnissen gekommen zu sein (vgl. Koop, Stellungnahme vom Dezember 2001, S. 4).<br />

Auch sonst fehlt es an Unterlagen, die sich als Bestätigung ihres Standpunktes werten lassen könnten.<br />

Risch stellt in seinem Vogelzuggutachten (a.a.O.) keine an Art. 4 Abs. 2 Satz 1 VRL orientierten vergleichenden<br />

Betrachtungen über den Stellenwert der Wakenitz an. Die gutachterliche Stellungnahme<br />

von Köppel/Ziese vom 15. Juni 2001 (a.a.O.) gibt ebenfalls keine weiteren Aufschlüsse. Sie erschöpft<br />

sich in diesem Punkt in der allgemeinen Feststellung, dass es sich bei der Wakenitz um ein qualitativ<br />

und quantitativ bedeutsames Rastgebiet handelt (S. 16). Eine solche Charakterisierung ersetzt indes<br />

nicht den Nachweis bester Eignung im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 VRL.<br />

1.5 Die Stellungnahme der EU-Kommission vom 31. Oktober 2000 bietet weitere Fingerzeige, die den<br />

Schluss rechtfertigen, dass die Bundesrepublik die Verpflichtungen, die ihr aufgrund der Vogelschutz-<br />

Richtlinie obliegen, nicht dadurch verletzt hat, dass die Wakenitzniederung nicht förmlich unter Vogelschutz<br />

gestellt worden ist. Die Kommission teilt mit, „zu dem Ergebnis gekommen (zu sein), dass es<br />

sich um ein Gebiet handelt, dessen Ausweisung, ... was die EG-Vogelschutz-Richtlinie 79/409 anbetrifft<br />

..., in den Ermessensbereich des Mitgliedstaats fällt“. Dies läuft auf die Zubilligung eines Entsche<strong>id</strong>ungsspielraums<br />

hinaus, die die Annahme ausschließt, die Wakenitzniederung weise aus europäischer<br />

Sicht Qualifikationsmerkmale auf, die sie aus dem Kreis der zur Erhaltung der Vogelwelt geeig<strong>net</strong>en<br />

Gebiete so weit herausheben, dass sie als Vogelschutzgebiet hätte ausgewiesen werden müssen.<br />

Die Äußerung vom 31. Oktober 2000 lässt sich nicht mit dem Einwand entwerten, sie basiere „nicht auf<br />

dem vollständigen Informationsstand“. Als Informationsdefizit führen die Kläger ohne Erfolg den<br />

Umstand ins Feld, dass ihnen die Möglichkeit vorenthalten wurde, der Kommission ihre Sicht der Dinge<br />

darzulegen. Holt die Planungsbehörde eine gutachterliche Stellungnahme ein, so verpflichtet weder §<br />

29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG noch § 51 a Abs. 1 LNatSchG sie dazu, den anerkannten Naturschutzverbänden<br />

zuvor Gelegenheit zu einer eigenen Sachdarstellung und rechtlichen Beurteilung zu geben. Zu<br />

bemängeln ist freilich, dass in der umfangreichen Materialsammlung, die der Anfrage des Bundesministeriums<br />

für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen beigefügt war, das Gutachten des LANU vom 4.<br />

März 1998 fehlte. Beim Landesamt handelt es sich nicht um einen beliebigen Träger öffentlicher<br />

Belange, sondern um die obere Naturschutzbehörde des Landes Schleswig-Holstein (§ 45 Abs. 1 Nr. 2<br />

LNatSchG), deren fachliche Stellungnahmen besondere Beachtung verdienen. Gleichwohl kann entgegen<br />

der Auffassung der Kläger keine Rede davon sein, dass die EU-Kommission ihre Äußerung<br />

„anhand unvollständiger Tatsachengrundlagen“ abgegeben habe. Nach der Einschätzung des LANU<br />

wird die Schutzwürdigkeit der Wakenitzniederung unter Vogelschutzgesichtspunkten maßgeblich durch<br />

das Eisvogel- und das Rohrdommelvorkommen bestimmt. Was die für diese Vogelarten maßgeblichen<br />

tatsächlichen Gegebenheiten angeht, vermittelte das von deutscher Seite übersandte Material indes<br />

auch ohne die Stellungnahme des LANU kein verfälschtes Bild. Die Annahme einer unzureichenden<br />

Informationsbasis liegt im Übrigen auch deshalb fern, weil die Kommission auf die Erkenntnisse<br />

zurückgreifen konnte, die sie im Rahmen des von ihr im Jahre 1994 eingeleiteten Beanstandungsverfahrens<br />

gesammelt hatte. Schon bei dieser Gelegenheit war die ökologische Ausstattung der Wakenitz<br />

Gegenstand eingehender Erörterungen gewesen. Erst „nach ausführlicher Prüfung der Sach- und<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 53


Rechtsprechung<br />

Rechtslage“ hatte die Kommission im August 1996 beschlossen, das Beanstandungsverfahren nicht<br />

weiter zu verfolgen.<br />

2. Das Planvorhaben scheitert auch nicht an den sich aus der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.<br />

Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen<br />

(FFH-RL) ergebenden Verpflichtungen.<br />

2.1 Das Land Schleswig-Holstein hat die Wakenitz nicht nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL als Gebiet gemeldet,<br />

das für eine Aufnahme in das Netz „Natura 2000“ in Betracht kommt. Auch für die Zukunft wird eine<br />

Meldung nicht erwogen. Das ist rechtlich bedenkenfrei.<br />

Die Mitgliedstaaten haben bei der Gebietsauswahl keine freie Hand. Welche Gebiete, in denen natürliche<br />

Lebensraumtypen im Sinne des Anhangs I oder einheimische Arten im Sinne des Anhangs II vorkommen,<br />

zu melden sind, ist nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL anhand der in Anhang III (Phase 1) festgelegten<br />

Kriterien zu bestimmen. Danach kommt es für die Beurteilung der Bedeutung des Gebiets für einen<br />

Lebensraumtyp des Anhangs I u.a. auf den Repräsentativitätsgrad, auf die Fläche im Vergleich zur<br />

Gesamtfläche des betreffenden Lebensraumtyps im gesamten Hoheitsgebiet des Staates und auf den<br />

Erhaltungsgrad bzw. die Wiederherstellungsmöglichkeit an. Für die Beurteilung der Bedeutung für eine<br />

der im Anhang II genannten Arten ist u.a. die Populationsgröße und -dichte im Gebiet im Vergleich zu<br />

den Populationen im ganzen Land, der Erhaltungsgrad der für die betreffende Art wichtigen Habitatselemente<br />

bzw. die Wiederherstellungsmöglichkeit und der Isolierungsgrad der im Gebiet vorkommenden<br />

Population im Vergleich zum natürlichen Verbreitungsgebiet der jeweiligen Art maßgebend. Dieser Kriterienkatalog<br />

belegt, dass politische oder wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Auswahl ebenso außer<br />

Betracht zu bleiben haben wie sonstige Zweckmäßigkeitserwägungen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.<br />

Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 und vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE<br />

112, 140; Beschluss vom 24. August 2000 - BVerwG 6 B 23.00 - Buchholz 451.91 EuropUmweltR<br />

Nr. 4). Einen Beurteilungsspielraum gesteht die Richtlinie den Mitgliedstaaten bei der Gebietsauswahl<br />

nur insofern zu, als der im Anhang III aufgeführte Kriterienkatalog so formuliert ist, dass er im Einzelfall<br />

unterschiedliche fachliche Wertungen zulässt (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2000 - C 371/98 -<br />

Slg. 2000, I-9249 Rn. 14). Erfüllt ein Gebiet aber aus fachwissenschaftlicher Sicht zweifelsfrei die von<br />

der Richtlinie vorausgesetzten Merkmale, so gehört es zum Kreis der potenziellen Schutzgebiete, auch<br />

wenn der Mitgliedstaat, aus welchen Gründen immer, von einer Meldung absieht (vgl. BVerwG, Urteile<br />

vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - a.a.O., vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - BVerwGE<br />

110, 302 und vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - a.a.O.). Anders als der Beklagte annimmt,<br />

kann das Land Schleswig-Holstein die Diskussion um die Existenz etwaiger potenzieller Schutzgebiete<br />

nicht dadurch beenden, dass es das Gebietsauswahlverfahren selbst für abgeschlossen erklärt.<br />

Die Entsche<strong>id</strong>ung des Landes Schleswig-Holstein, von einer Meldung der Wakenitz abzusehen, lässt<br />

sich im Ergebnis rechtlich nicht beanstanden. Eine Aufnahme dieses Gebiets in die der EU-Kommission<br />

übermittelte Liste wäre zwar möglich gewesen; zwingend geboten war sie jedoch nicht. Denn die<br />

Wakenitz weist nicht die Merkmale auf, die für ein potenzielles FFH-Gebiet unabdingbar sind. Soweit<br />

sich im schleswig-holsteinischen Teil Biotope und Arten im Sinne der Anhänge I und II der FFH-Richtlinie<br />

finden, sind sie weder für sich genommen noch zusammen mit den auf mecklenburgischer Seite<br />

vorhandenen Lebensraumtypen und Arten geeig<strong>net</strong>, dem Gebiet den Stempel der FFH-Relevanz aufzudrücken.<br />

Gemessen an den in Anhang III (Phase 1) festgelegten Kriterien ist der Schluss, dass das<br />

Gebiet für die Schaffung des kohärenten Netzes „Natura 2000“ entbehrlich ist, naturschutzfachlich vertretbar.<br />

Der Beklagte konnte aus den Gutachten, die ihm vorlagen, ersehen, dass in der Wakenitz verschiedene<br />

natürliche Lebensraumtypen des Anhangs I und einige Arten des Anhangs II vorkommen.<br />

Daraus brauchte er aber nicht abzuleiten, dass das Land Schleswig-Holstein aus fachlicher Sicht<br />

gehalten gewesen wäre, das Gebiet als einen für das europäische Netz unverzichtbaren Baustein einzustufen.<br />

Seine Wertung wird auch durch die Gegengutachten der Kläger nicht nachträglich erschüttert.<br />

2.2 In der Wakenitz ist kein prioritärer Lebensraumtyp vorhanden, der dem Gebiet besondere Bedeutung<br />

verleiht.<br />

2.2.1 Entgegen der Auffassung der Kläger kommt der Biotoptyp 91 EO (uenwälder mit Alnus glutinosa<br />

und Fraxinus excelsior) im Niederungsbereich nicht vor. Zwar charakterisiert Sturm (Gutachten vom 18.<br />

April 1998) die Vegetation entlang der Wakenitz aus pflanzensoziologischer Sicht als einen eng verzahnten<br />

Übergangs- bzw. Durchdringungskomplex von Bruch- und Auenwäldern, der sich dem Typus<br />

„Auenwälder an Fließgewässern“ zuordnen lasse (S. 20/21). Auch Dierßen (Stellungnahme vom 15.<br />

August 1995) neigt dazu, die „Erlen-Eschen-Wälder“ im Uferbereich im Gegensatz zu den von ihm als<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 54


Rechtsprechung<br />

„Erlen-Birken-Bruchwälder“ bezeich<strong>net</strong>en uferferneren Waldabschnitten als Auenwälder zu qualifizieren.<br />

Das LANU (Stellungnahme vom 4. März 1998) äußert sich insoweit eher zurückhaltend. Es<br />

bezeich<strong>net</strong> es als „fraglich“, ob die Ufervegetation die Merkmale eines Auenwaldes aufweist (S. 21).<br />

Eindeutig ist dagegen die gutachtliche Würdigung von LEGUAN (Gutachten zu den Feuchtwaldbeständen,<br />

Februar 1999). Danach sind die Wälder, die die Kläger als Auenwälder bezeichnen, als Bruchwälder<br />

einzustufen. Die Abgrenzung nimmt das Planungsbüro anhand von hydrologischen, pedologischen<br />

und pflanzensoziologischen Kriterien vor: Danach untersche<strong>id</strong>en sich Auenwälder von Bruchwäldern<br />

unter hydrologischen Gesichtspunkten dadurch, dass sie in regelmäßiger Wiederkehr überflutet werden,<br />

und unter pedologischen Aspekten dadurch, dass sie nicht ausschließlich oder überwiegend auf<br />

Niedermoor oder sonstigen organischen Materialien, sondern auf mineralischen Sedimentationsböden<br />

stocken (S. 11 - 16). Die Wakenitz erfüllt nach den Angaben von LEGUAN diese Voraussetzungen<br />

schon deshalb nicht, weil sie bereits seit dem 13. Jahrhundert, als sie auf 4 m über NN angestaut<br />

wurde, keine Auendynamik mehr aufweist. Diese Analyse wird durch die Stellungnahme des LANU<br />

vom 4. März 1998 (S. 24) erhärtet, in der bestätigt wird, dass die seit langem aufgestaute Wakenitz<br />

nicht den Anforderungen genügt, die nach der FFH-Richtlinie an ein Fließgewässer mit natürlicher bzw.<br />

naturnaher Dynamik zu stellen sind.<br />

Die gutachterlichen Äußerungen von Härdtle/Sturm zur Schutzwürdigkeit der Wälder der Wakenitzniederung<br />

gemäß der FFH-Richtlinie rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Sie beschränken sich<br />

auf den Hinweis, dass während der Vegetationsperiode sehr wohl Wasserspiegelschwankungen zu<br />

verzeichnen sind. Aus Aufzeichnungen des Wasserwirtschaftsamts in Lübeck sollen sich insoweit<br />

„regelmäßig auftretende Amplituden von ca. 14 bis 60 cm“ ergeben. Für die rechtliche Einordnung als<br />

„Auenwald“ im Sinne der Code-Nummer 91 EO genügt indes nicht bereits der Nachweis von Pegelveränderungen.<br />

Wie sich aus dem Vorspann des Anhangs I der FFH-Richtlinie ergibt, ist als Orientierungshilfe<br />

für die Interpretation der Typen natürlicher Lebensräume das „Interpretationshandbuch der<br />

Lebensräume der Europäischen Union“ („Interpretation Manual of European Union Habitats“) heranzuziehen.<br />

Dort wird der Lebensraumtyp 91 EO u.a. wie folgt umschrieben: „All types occur on heavy soils<br />

(generally rich in alluvial deposits) periodically inundated by the annual rise of the river (or brook) level,<br />

but otherwise well-drained an aerated during low-water.“ In Anknüpfung hieran stellt auch das Bundesamt<br />

für Naturschutz in seinem Handbuch zur Umsetzung der FFH- Richtlinie und der Vogelschutz-<br />

Richtlinie auf die „regelmäßige Überflutung in der Aue“ ab. Für eine solche vom Wechsel der Jahreszeiten<br />

abhängige Überflutungsdynamik bieten die gutachterlichen Äußerungen von Härdtle/Sturm keine<br />

Anhaltspunkte. Auch die übrigen Quellen geben für diese Annahme nichts her. Die pedologischen<br />

Befunde bieten ebenfalls keinen Anlass, die Einschätzung des LEGUAN- Planungsbüros in Frage zu<br />

stellen. Im „Interpretation Manual“ ist von „heavy soils, generally rich in alluvial deposits“ die Rede. Im<br />

Handbuch des Bundesamts für Naturschutz werden als überwiegender Standort „autochthone oder<br />

allochthone Auenböden“ genannt. Anhand dieser Erläuterungen ist davon auszugehen, dass Auenböden,<br />

die aus Flussablagerungen entstanden sind, für Auenwaldvorkommen ein wesentliches Anzeichen<br />

sind, andere Bodentypen als Standort allerdings nicht von vornherein aussche<strong>id</strong>en. Das Bundesamt<br />

für Naturschutz nennt insoweit „Hanggleye und vergleyte Auenböden“. Die Kläger gehen über<br />

diese Charakterisierung indes hinaus, wenn sie sich auf den Standpunkt stellen, dass es auf das Vorhandensein<br />

von Sedimentationsböden überhaupt nicht ankommt. Auch wenn Auensedimente nicht<br />

vorherrschen müssen, dürfen sie als prägendes Element nach den insoweit maßgeblichen Vorgaben<br />

des „Interpretation Manual“ nicht gänzlich fehlen. Von dieser Erkenntnis hat sich LEGUAN im Gutachten<br />

zu den Feuchtwaldbeständen zutreffend leiten lassen. Nach seiner Einschätzung tendiert der Anteil<br />

der Auenböden in der Wakenitzniederung gegen Null. Als Bestätigung hierfür lässt sich die Stellungnahme<br />

des STAUN vom 10. November 1999 werten. Darin ist die Rede von „Schlammspuren ..., die<br />

eindeutig auf eine Überflutungsdynamik hindeuten“. Ferner weist der STAUN auf „das stellenweise Vorkommen<br />

von Eichen“ hin, die in dem betreffenden Bereich „auf mineralisches Substrat“ schließen lassen.<br />

Diese Feststellungen sind nicht geeig<strong>net</strong>, den Wertungen des LEGUAN-Planungsbüros den<br />

Boden zu entziehen. Dabei kann dahinstehen, wie weit die Ufervegetation aus pflanzensoziologischer<br />

Sicht den im „Interpretation Manual“ genannten Merkmalen entspricht. Das Vorkommen bestimmter<br />

Pflanzenarten hat allenfalls Indizcharakter. Ausschlaggebende Bedeutung kann ihm nur als Ergänzung,<br />

nicht aber an Stelle der übrigen Kriterien zukommen.<br />

2.2.2 Auch der prioritäre Lebensraumtyp 91 DO (*Moorwälder) rechtfertigt es nicht, die Wakenitzniederung<br />

als potentielles FFH-Gebiet einzustufen. Zwar ist dieser Typ im Niederungsbereich nachweisbar,<br />

jedoch beschränkt sich das Vorkommen auf Restbestände, die so kleinflächig sind, dass es sich nach<br />

der fachlichen Einschätzung von LEGUAN (vgl. Gutachten vom Februar 1998, S. 27/28 sowie Gutach-<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 55


Rechtsprechung<br />

ten vom Februar 1999, S. 19) verbietet, sie überhaupt noch als „Wald“ zu bezeichnen. Kaule (Beurteilung<br />

vom 25. März 1999) hält das Moorwaldvorkommen in der Wakenitz für so unbedeutend, dass es<br />

ihm keiner weiteren Betrachtung wert erscheint (Teil A S. 8).<br />

Zu einer abweichenden Beurteilung nötigt nicht die gutachterliche Stellungnahme von Köppel/Ziese<br />

vom 15. Juni 2001. Darin ist zwar von größeren Birken-Moorwaldbeständen die Rede (S. 27). Die Gutachter<br />

lassen jedoch keine Zweifel daran aufkommen, dass sich die von ihnen erwähnten Vorkommen<br />

auf mecklenburgischem Gebiet befinden. Die von LEGUAN getroffenen Feststellungen werden auch<br />

durch die gutachterlichen Äußerungen von Härdtle/Sturm nicht in Frage gestellt. Danach beschränkt<br />

sich das Moorwaldvorkommen in der Wakenitz nicht auf den einen als unbedeutend eingestuften<br />

Standort. Nach der Einschätzung, die insbesondere der ergänzenden Stellungnahme vom 27. Dezember<br />

2001 zugrunde liegt, finden sich Moorwälder größeren Umfangs an mindestens zwei weiteren Stellen.<br />

Diese Wälder weisen indes nicht die Merkmale auf, derer es zur Subsumtion unter den Lebensraumtyp<br />

91 DO bedarf. Im „Interpretation Manual“ werden „Moorwälder“ („bog woodland“) wie folgt<br />

charakterisiert: „Coniferous and broad-leaved forests on a hum<strong>id</strong> to wet peaty substrate, with the water<br />

level permanently high and even higher than the surrounding water table. The water is always very<br />

poor in nutrients (raised bogs and ac<strong>id</strong> fens).“ Dahinstehen kann, ob dieses Kriterium sich, wie<br />

LEGUAN meint, nur auf Übergangsmoorstandorte sowie die Randbereiche von Hochmooren bezieht<br />

und Birken-Bruchwälder auf dauernassen, nährstoff- und basenarmen Standorten ausschließt. Für<br />

diese Sichtweise mag die Standortbeschreibung im Handbuch des Bundesamtes für Naturschutz sprechen:<br />

„Auf meist feuchten bis wassergesättigten Torfen, leicht bis mäßig zersetzt, am Rande von Hochund<br />

Übergangsmooren. Je nach klimatischen und edaphischen Verhältnissen als Moor-Randwälder<br />

auftretend oder aber das ganze Moor als lückiger Wald überziehend“. Gegen ein solches enges Verständnis<br />

könnte sich freilich folgender Hinweis im „Interpretation Manual“ ins Feld führen lassen:<br />

„Forests on the edge of upland bogs or transition mires may form a transition towards swamp forests“.<br />

Dem trägt das Handbuch des Bundesamts dadurch Rechnung, dass sich die „Moorwald“-Definition u.a.<br />

auch auf „Birken-Moorwald ggf. mit Übergängen zum Birken-Bruchwald“ erstreckt. Unter den verschiedenen<br />

Ausprägungen des Lebensraumtyps 91 DO wird dementsprechend auch „Birken- und Birken-<br />

Erlenbruchwald nährstoffärmerer Standorte“ aufgeführt. Dieser weite Begriffsinhalt darf aber nicht<br />

dahin missverstanden werden, dass sich jeder Birken- Bruchwald unbesehen als „Moorwald“ qualifizieren<br />

lässt. Das Bundesamt für Naturschutz macht in seinem Erläuterungsbericht zu den fachlichen Hinweisen<br />

zur nationalen Bewertung vom 2. April 2001 auf Folgendes aufmerksam (S. 9): „nur Moorwälder<br />

zählen zum Typ, Birkenbruchwälder sind ausgeschlossen. Die Übergänge der Moor- zu den Bruchwäldern<br />

sind regional unterschiedlich fließend entwickelt. Birken- und Birken-Erlenbruchwald nährstoffarmer<br />

Standorte ... zählen nur dann zu den Moorwäldern im Sinne der RL, wenn sie pflanzen-soziologisch<br />

zu der Einheit Vaccinio uliginosi-Betuletum pubescentis gehören ...“. Es sind keine greifbaren<br />

Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sich in der Wakenitz Birken- und Birken- Erlenbruchwald befindet,<br />

der diese besonderen Merkmale aufweist. In dem Erläuterungsbericht vom 2. April 2001 listet das<br />

Bundesamt für Naturschutz für Schleswig-Holstein Lebensraumtypen auf, die als Anregung für zusätzliche<br />

Gebietsmeldungen verstanden werden sollten. In der Zusammenstellung werden zwar auch<br />

Moorwaldvorkommen aufgeführt. In diesem Zusammenhang wird aber im Gegensatz zu anderen<br />

Standorten (He<strong>id</strong>moor, Vollstedter See) die Wakenitz nicht genannt. Dies deutet darauf hin, dass die<br />

Moorwaldbestände von ihrem Repräsentativitätsgrad und der von ihnen eingenommenen Fläche her<br />

ungeeig<strong>net</strong> sind, einen wirksamen Beitrag zur Kohärenz des Netzes „Natura 2000“ zu leisten.<br />

2.3 Auch die Ausstattung der Wakenitzniederung mit nicht prioritären Lebensraumtypen nötigt nicht zur<br />

Annahme eines potenziellen FFH-Gebietes.<br />

2.3.1 Die Lebensraumtypen 2310 (Trockene Sanddünen mit Calluna und Genista), 6430 (Feuchte<br />

Hochstaudenfluren), 7140 (Übergangs- und Schwingrasenmoore), 7150 (Torfmoor- Schlenken) sowie<br />

9110 (Hainsimsen-Buchenwald) sind in der Wakenitz allesamt nur kleinflächig vertreten. Das Vorkommen<br />

der Typen 2310 und 6430 beschränkt sich auf jeweils einen einzigen Standort (vgl. LEGUAN, Gutachten<br />

vom Februar 1998, S. 15/18). Die Typen 7140 und 7150 kommen ebenfalls reliktisch an einem<br />

Weiler bzw. an einem ehemaligen Torfstich vor (vgl. LEGUAN, Gutachten vom Februar 1998, S. 19/20).<br />

Nicht anders steht es um den Typ 9110, der hier und da inselartig in Erscheinung tritt (vgl. LEGUAN,<br />

Gutachten vom Februar 1998, S. 22/23).<br />

Zusätzlich zu der geringen Größe wird die FFH-Eignung noch dadurch beeinträchtigt, dass einige der<br />

vorbezeich<strong>net</strong>en Lebensraumtypen qualitative Mängel aufweisen. Bei den Lebensraumtypen 2310 und<br />

9110 weichen die Pflanzenformationen teilweise von den typischen Ausprägungen ab (vgl. LEGUAN,<br />

Gutachten vom Februar 1998, S. 22 und Gutachten vom Februar 1999, S. 14). Dies stellen auch Köp-<br />

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Rechtsprechung<br />

pel/Ziese (a.a.O.) nicht in Abrede. Sie weisen lediglich darauf hin, dass die Möglichkeit bestünde, die<br />

Biotope mit geringem Aufwand wiederherzustellen (S. 23). Der Typ 7140 ist nur als schmaler Saum<br />

eines Weilers in der typischen Weise ausdifferenziert, im Übrigen aber durch dichtes Aufkommen von<br />

Strauchwe<strong>id</strong>en überprägt (vgl. LEGUAN, Gutachten vom Februar 1999, S. 18). Das LANU (vgl. Stellungnahme<br />

vom 4. März 1998, S. 5 und 24) teilt die Einschätzung von LEGUAN. Dem Lebensraumtyp<br />

2310 misst es Bedeutung allein bei einer Zusammenschau mit dem Lebensraumtyp 2330 bei. Die Vorkommen<br />

der übrigen Typen sind nach seiner Einschätzung zu kleinflächig, als dass sie sich als repräsentativ<br />

einstufen ließen. Sie sind bei der Beurteilung der FFH-Relevanz nicht von ausschlaggebender<br />

Bedeutung. Auch Kaule macht sich diese Betrachtungsweise zu Eigen (Beurteilung vom 25. März<br />

1999, Teil A, S. 8).<br />

2.3.2 Der Lebensraumtyp 2330 (Offene Grasflächen mit Corynephorus und Agrostis auf Binnendünen)<br />

rechtfertigt letztlich keine andere Beurteilung. Auch er tritt im schleswig-holsteinischen Teil der Wakenitzniederung<br />

nur an einer einzigen Stelle auf (vgl. LEGUAN, Gutachten vom Februar 1998, S. 15/16).<br />

Trotzdem nimmt er in der Diskussion einen breiteren Raum ein, weil in die Betrachtung durchweg auch<br />

der ehemalige Grenzstreifen auf mecklenburgischer Seite einbezogen wird, wo er in großflächigerer<br />

Ausprägung nachweisbar ist. Das LANU (Stellungnahme vom 4. März 1998, S. 4/5, 22 bis 24) räumt<br />

ein, dass das Vorkommen auf schleswig-holsteinischem Gebiet, für sich genommen, aus landesweiter<br />

Perspektive kaum zu Buche schlägt, zumal der Anteil der offenen Grasflächen vergleichsweise gering<br />

ist. Es meint indes, dass der räumliche und der funktionelle Zusammenhang mit den auf mecklenburgischer<br />

Seite vorhandenen Binnendünen es rechtfertigt, die Wakenitzniederung als einheitlichen Naturraum<br />

unter FFH-Schutz zu stellen. Dieser Wertung treten LEGUAN und Kaule entgegen. LEGUAN<br />

(Gutachten vom Februar 1999, S. 17, 20 bis 22) spricht unter dem Blickwinkel der FFH-Relevanz allenfalls<br />

den auf mecklenburgischem Gebiet vorhandenen Binnendünen das Maß an Repräsentativität und<br />

flächenmäßigem Gewicht zu, das nach Anhang III (Phase 1) der FFH-Richtlinie vorausgesetzt wird.<br />

Kaule (Beurteilung vom 25. März 1999, Teil A, S. 9) stellt selbst diese Einschätzung in Frage. Hat die<br />

westlich der Wakenitz festgestellte Sanddüne als Unikat so geringes Eigengewicht, dass sie nach der<br />

Einschätzung maßgeblicher Fachleute nicht geeig<strong>net</strong> ist, auch nur einen geringen Beitrag zur Prägung<br />

des Gesamtgebiets unter Einschluss des auf mecklenburgischer Seite gelegenen Grenzstreifens zu<br />

leisten, so lässt es sich dem Land Schleswig-Holstein nicht als Versäumnis anlasten, diesen Lebensraumtyp<br />

nicht zum Anlass für eine Gebietsmeldung genommen zu haben.<br />

2.4 Die Wakenitz bietet sich auch von ihrer faunistischen Ausstattung her nicht als potenzielles FFH-<br />

Gebiet an. Der Niederungsbereich dient zwar mehreren der im Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführten<br />

Tierarten als Habitat. Dieser Umstand allein nötigte jedoch noch nicht zur Aufnahme des Gebiets in<br />

die vom Land Schleswig-Holstein nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL erstellte Liste. Der Umfang der Meldepflicht<br />

wird auch insoweit durch die Kriterien bestimmt, die der Gemeinschaftsgesetzgeber im Anhang<br />

III (Phase 1) für die Gebietsauswahl vorgibt.<br />

2.4.1 Einige der von den Klägern bezeich<strong>net</strong>en Tierarten sind für die Beurteilung schon deshalb irrelevant,<br />

weil für sie Nachweise fehlen oder jedenfalls nicht sicher ist, ob sie in der Wakenitzniederung vorkommen.<br />

Dies gilt für die Schmale Windelschnecke (Code 1014), die Bauchige Windelschnecke (Code<br />

1016), die Gemeine Flussmuschel (Code 1032), die Grüne Keiljungfer (Code 1037), die Große Moosjungfer<br />

(Code 1042) und den Juchtenkäfer (Code 1084). Die Ausführungen von Köppel/Ziese (a.a.O.)<br />

deuten darauf hin, dass die Wakenitzniederung sich für einige dieser Arten als Habitat eig<strong>net</strong> (S. 38).<br />

Diese Feststellung ersetzt indes nicht den positiven Nachweis. Auch der Erläuterungsbericht des Bundesamts<br />

für Naturschutz vom 2. April 2001 bietet in dieser Hinsicht keine weiteren Aufschlüsse. Das<br />

Bundesamt spricht von „eventuellen rezenten Vorkommen“. Es schlägt insoweit zusätzliche Prüfungen<br />

vor und mahnt eine Meldung an, „sofern ein signifikantes Vorkommen vorhanden ist“ (S. 27 bis 31).<br />

2.4.2 Die Fischfauna kann ebenfalls außer Betracht bleiben. Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten fehlt<br />

es an sicheren Nachweisen für das Bach- und das Flussneunauge (Code 1096 und 1099), den Bitterling<br />

(Code 1134) und den Steinbeißer (Code 1149) (vgl. LEGUAN, Fisch-Gutachten vom 22. März<br />

1999; Kaule, Beurteilung vom 25. März 1999, Teil A, S. 10). Die neueste Übersicht des Umweltamts der<br />

Hansestadt Lübeck über „Süßwasserfische und Neunaugen“ führt hierüber nicht hinaus. Danach fehlen<br />

seit langem Nachweise für den Bitterling, den Schlammpeitzger und den Steinbeißer. Aus nicht offen<br />

gelegten Quellen soll sich freilich ergeben, dass diese Fischarten möglicherweise doch noch in der<br />

Wakenitz vorkommen. Auch Köppel/Ziese (a.a.O.) lassen es mit der Bemerkung bewenden, dass die<br />

Wakenitz mit ihren Nebengewässern als potenzieller Lebensraum dieser Arten anzusehen ist (S. 37/<br />

38). Das Gleiche gilt für den Kammmolch (Code 1166), der nach den Erkenntnissen des Bundesamts<br />

für Naturschutz (Erläuterungsbericht vom 2. April 2001, S. 5) wohl nicht in der Wakenitz, sondern „am<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 57


Rechtsprechung<br />

Rande der 'Wulfsdorfer He<strong>id</strong>e'„ anzutreffen ist. Belegt ist ein Rotbauchunkenvorkommen (Code 1188)<br />

im Kammerbruch am äußersten südlichen Rand der Wakenitzniederung. Es liegt indes auf der Hand,<br />

dass es nicht der Sinn der FFH- Gebietsvorschriften ist, Einzelexemplare zu schützen. Nach der Einschätzung<br />

des LANU (Stellungnahme vom 4. März 1998, S. 4, 25/26) sind unter dem Blickwinkel der<br />

Auswahlkriterien der FFH-Richtlinie allenfalls die Teichfledermaus (Code 1318) und der Fischotter<br />

(Code 1355) relevant. LEGUAN (vgl. Fledermaus-Gutachten vom Februar 1998), Kaule (Beurteilung<br />

vom 25. März 1999) und Köppel/Ziese (a.a.O.) beziehen in ihre Beurteilung auch das Große Mausohr<br />

(Code 1324) ein. Sie charakterisieren die Feucht- und die Trockenlebensräume der Wakenitzniederung<br />

und der angrenzenden Sanddünenbereiche als Fledermausjagdrevier. Das Bundesamt für Naturschutz<br />

macht es von der Bedeutung des Jagdreviers abhängig, ob Nachmeldebedarf besteht oder nicht<br />

(Erläuterungsbericht vom 2. April 2001, S. 23/24). Insbesondere Kaule hebt indes hervor, dass dieser<br />

Umstand allein sich nicht als Kriterium für die Ausweisung als FFH-Gebiet eig<strong>net</strong> (Beurteilung vom 25.<br />

März 1999, Teil A, S. 10).<br />

2.4.3 Breiteren Raum nimmt in den gutachtlichen Bewertungen der Fischotter ein. Einigkeit besteht<br />

darüber, dass es vitale Fischottervorkommen östlich der Elbe im Lausitzer Teichgebiet, in Südostbrandenburg<br />

und im Bereich der Mecklenburgischen Seenplatte, im übrigen Deutschland unter Einschluss<br />

von Schleswig-Holstein dagegen nur noch isolierte Restbestände gibt (LEGUAN, Fischotter-Gutachten<br />

vom Februar 1998, S. 6; LANU, Stellungnahme vom 4. März 1998, S. 26; Gutachten des Wasser/Otter/<br />

Mensch e.V. vom 1. März 2001, S. 5). Übereinstimmung herrscht auch in der Einschätzung, dass der<br />

Fischotter in der Wakenitz nachweisbar ist.<br />

Die Bedeutung des Vorkommens wird freilich unterschiedlich bewertet. Während LEGUAN (Fischotter-<br />

Gutachten vom Februar 1998, S. 12) Zweifel daran anmeldet, dass der Fluss als ständig besetztes<br />

Revier genutzt wird, äußert Kaule die Überzeugung, dass jedenfalls der Kammerbruch für die im Naturpark<br />

Schaalsee und am Ratzeburger See nachgewiesene Fischotterpopulation ein regelmäßig aufgesuchtes<br />

Ausweichgebiet darstellt und die Flussabschnitte, die sich nördlich anschließen, als geeig<strong>net</strong>es<br />

Jagdrevier in Betracht kommen. Die gutachterlichen Stellungnahmen von Köppel/Ziese (a.a.O., S.<br />

35) und des Wasser/Otter/Mensch e.V. (a.a.O., S. 20) lassen weitergehend darauf schließen, dass der<br />

gesamte Flusslauf als Lebensraum von Bedeutung ist. Köppel/Ziese machen auf die günstigen Habitatstrukturen<br />

aufmerksam. Der Wasser/Otter/Mensch e.V. schließt aus verschiedenen Funden, dass<br />

die Wakenitz regelmäßig als Aktionsraum genutzt wird. Das LANU geht davon aus, dass allen verbliebenen<br />

Ottervorkommen eine landesweite Bedeutung zukommt, der bei der Gebietsauswahl nach Art. 4<br />

Abs. 1 FFH-RL Rechnung zu tragen ist (a.a.O., S. 26). Auch das Bundesamt für Naturschutz hält eine<br />

Meldung für erforderlich (Erläuterungsbericht vom 2. April 2001, S. 22). Dem w<strong>id</strong>erspricht Kaule. Nach<br />

seiner Einschätzung (a.a.O., S. 10) fällt das Fischottervorkommen nicht so stark ins Gewicht, dass es<br />

geeig<strong>net</strong> ist, bei der Gebietsauswahl den Ausschlag zu geben.<br />

Der Meinungsstreit unter den Experten macht deutlich, dass es vor dem Hintergrund der Kriterien des<br />

Anhangs III (Phase 1) der FFH-RL nicht nur gute Gründe für eine Meldung der Wakenitz als Habitat<br />

des Fischotters gibt. Auch die Entsche<strong>id</strong>ung gegen eine Aufnahme in die nationale Liste erscheint<br />

durchaus vertretbar. Sie lässt sich schon deshalb ohne weiteres rechtfertigen, weil es in dem Gewässersystem,<br />

in das die Wakenitz als Fischotterhabitat eingebettet ist, offensichtlich nicht an einem ausreichenden<br />

Lebensraumschutz fehlt. Von den 139 FFH-Gebieten, die das Land Mecklenburg-Vorpommern<br />

gemeldet hat, dienen ausweislich der Landtags-Drucksache 3/1040 61 Gebiete dem Schutz des<br />

Fischotters. Dazu gehören ausgedehnte Gewässerlandschaften, die mit der Wakenitz in unmittelbarer<br />

Verbindung stehen, wie etwa die Stepenitz mit ihren Zuflüssen, der Schaalseebereich samt Techin und<br />

Nebel, der Schaalelauf sowie die Elbe-Sude-Niederung.<br />

2.5 Deutet aus fachlicher Sicht nichts darauf hin, dass eine Einbeziehung der Wakenitz in das Netz<br />

„Natura 2000“ unumgänglich ist, um die Erhaltung gerade der Arten zu sichern, die diesen Raum nutzten,<br />

so brauchte sich dem Land Schleswig-Holstein eine Meldung des Gebiets nicht aufzudrängen.<br />

Als Bestätigung lässt sich auch in diesem Punkt das Schreiben der EU-Kommission vom 31. Oktober<br />

2000 werten. Anders als die Kläger meinen, lässt sich die Bedeutung dieser Äußerung nicht mit dem<br />

Hinweis darauf in Frage stellen, dass es sich nicht um eine förmliche Verfahrenshandlung im Sinne des<br />

FFH-Rechts handelt. Es trifft freilich zu, dass die Äußerung keine Stellungnahme ist, wie sie etwa Art. 6<br />

Abs. 4 Satz 3 FFH-RL vorsieht. Denn die Wakenitzniederung hat nicht den Status eines besonderen<br />

Schutzgebiets im Sinne des FFH-Rechts, das dem Schutzregime des Art. 6 FFH-RL unterliegt. Die<br />

Kommission stellt dies ausdrücklich klar. Gleichwohl spricht sie die FFH-Problematik in einer Weise an,<br />

die den Schluss zulässt, dass sie die Nichtaufnahme der Wakenitz in die nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 58


Rechtsprechung<br />

vorgesehene Liste nicht für beanstandenswert hält. Sie teilt mit, „in der Frage der Notwendigkeit, den<br />

durch die A 20-Querung betroffenen Teil der Wakenitz als Natura 2000 Gebiet auszuweisen, ... zu dem<br />

Ergebnis gekommen (zu sein), dass es sich um ein Gebiet handelt, dessen Ausweisung ... hinsichtlich<br />

der FFH-Richtlinie 92/43 in den Ermessensbereich des Mitgliedstaates fällt“. Bringt die Kommission<br />

zum Ausdruck, dass die Meldung der Wakenitzniederung von einer mitgliedstaatlichen „Ermessens“-<br />

Entsche<strong>id</strong>ung abhängt, so lässt sich hieraus folgern, dass das Land Schleswig-Holstein nach ihrer Einschätzung<br />

nicht in einer bestimmten Richtung festgelegt ist. Entgegen der Auffassung der Kläger liegt<br />

die Annahme fern, dass die Äußerung vom 31. Oktober 2000 bei Kenntnis der Stellungnahme des<br />

LANU vom 4. März 1998 anders ausgefallen wäre. Wie durch den Gang des 1996 abgeschlossenen<br />

Beanstandungsverfahrens belegt wird, war die Kommission nicht nur unter dem Blickwinkel des Vogelschutzes<br />

(s.o.), sondern auch unter FFH- Gesichtspunkten über das Ausstattungspotential der Wakenitz<br />

voll im Bilde.<br />

2.6 Weist die Wakenitz, gemessen an den Kriterien des Anhangs III (Phase 1) der FFH-Richtlinie nicht<br />

die für ein potenzielles FFH-Gebiet charakteristischen ökologischen Merkmale auf, so sche<strong>id</strong>et das<br />

Gemeinschaftsrecht als Prüfungsmaßstab aus. Um den Zielsetzungen der Vogelschutz- und der FFH-<br />

Richtlinie gleichwohl gerecht zu werden, darf sich das Land Schleswig-Holstein der Mittel bedienen, die<br />

ihm hierfür geeig<strong>net</strong> erscheinen.<br />

Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 2 VRL bemühen sich die Mitgliedstaaten, auch außerhalb förmlich ausgewiesener<br />

Vogelschutzgebiete eine Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume zu verme<strong>id</strong>en.<br />

Nach Art. 10 FFH-Richtlinie fördern sie unabhängig von den Schutzgebietsregelungen die Pflege von<br />

Landschaftsräumen, die aufgrund ihrer linearen, fortlaufenden Struktur (z.B. Flüsse mit ihren Ufern<br />

oder herkömmlichen Feldrainen) oder ihrer Ver<strong>net</strong>zungsfunktion (z.B. Teiche oder Gehölze) für die<br />

Wanderung, die geografische Verbreitung und den ge<strong>net</strong>ischen Austausch wild lebender Arten wesentlich<br />

sind. Dem Auftrag, der sich aus diesen Bestimmungen ergibt, ist das Land Schleswig-Holstein<br />

dadurch nachgekommen, dass es die Wakenitz mit ihren angrenzenden Niederungsflächen durch Verordnung<br />

vom 20. April 1999 unter Naturschutz gestellt hat, um auf diese Weise das Gewässerökosystem<br />

mit seiner charakteristischen Pflanzen- und Tierwelt zu erhalten und zu schützen.<br />

3. Das Planvorhaben w<strong>id</strong>erspricht keinen Vorschriften des nationalen Rechts, deren Verletzung die Kläger<br />

nach § 51 c Abs. 1 LNatSchG zu rügen berechtigt sind (vgl. zur Reichweite dieser Bestimmung:<br />

OVG Schleswig, Urteil vom 15. Februar 2001, - 4 L 92/99 -, NordÖR 2001, 486).<br />

3.1 Zwingendes Recht steht dem Bau der BAB A 20 in dem planfestgestellten Abschnitt nicht entgegen.<br />

Allerdings werden Flächen im räumlichen Geltungsbereich der Landesverordnung über das Naturschutzgebiet<br />

„Wakenitz“ vom 20. April 1999 (GVOBl Schl.-H. S. 100) in Anspruch genommen, auf<br />

denen es nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Schutzverordnung u.a. verboten ist, Straßen anzulegen. § 6<br />

Abs. 4 der Schutzverordnung enthält zwar einen Ausnahmetatbestand. Danach gelten die Verbote der<br />

Verordnung nicht für die „nach Maßgabe des Linienbestimmungsverfahrens vom 26. Juli 1995 ... gestrichelt<br />

dargestellte Trasse der Bundesautobahn A 20, sofern diese planfestgestellt wird“.<br />

Die Trasse, die den Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Januar 2001 bildet, weicht<br />

allerdings von dem im Linienbestimmungsverfahren vorgesehenen Verlauf ab. Der nördliche Fahrbahnrand<br />

ragt im Bereich der Wakenitzquerung geringfügig über den für die BAB A 20 frei gehaltenen Korr<strong>id</strong>or<br />

hinaus. Insoweit hat der Beklagte indes auf der Grundlage des § 6 Abs. 3 Satz 1 der Schutzverordnung<br />

eine Befreiung erteilt. Dies ist nach § 54 Abs. 2 Nr. 2 LNatSchG unter der Voraussetzung möglich,<br />

dass überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiung erfordern. Der Planfeststellungsbeschluss<br />

genügt diesem Erfordernis. In § 6 Abs. 4 der Schutzverordnung kommt zum Ausdruck, dass die seinerzeit<br />

bereits bis zur Linienbestimmung gediehene Planung der BAB A 20 Vorrang vor den Naturschutzbelangen<br />

genießt und dem Schutzzweck der Verordnung nicht entgegensteht, obwohl das Schutzgebiet<br />

durch den Bau der Autobahn durchschnitten wird. Eine Beeinträchtigung der mit der Ausweisung<br />

verfolgten Erhaltungsziele tritt nicht dadurch ein, dass die Trasse mit dem durch die Linienbestimmung<br />

vorgegebenen Korr<strong>id</strong>or nicht vollständig deckungsgleich ist.<br />

3.2 Das Planvorhaben genügt den Anforderungen des in § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG verankerten Abwägungsgebots<br />

jedenfalls insoweit, als Belange betroffen sind, die von den Klägern geltend gemacht werden<br />

können.<br />

Der Beklagte hat nicht verkannt, dass Teil des Abwägungsprogramms auch die Alternativenprüfung ist.<br />

Er ist der Frage nachgegangen, ob Lübeck im Norden oder im Süden umfahren werden soll. Er hat<br />

mehrere Südvarianten miteinander verglichen. Schließlich hat er untersucht, ob als Wakenitzquerung<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 59


Rechtsprechung<br />

eine Brücke oder ein Tunnel vorzugswürdig ist. Die von ihm getroffene Entsche<strong>id</strong>ung lässt sich unter<br />

keinem dieser Gesichtspunkte beanstanden.<br />

3.2.1 Der Beklagte brauchte die Nordumfahrung Lübecks nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen. In der<br />

Klageerw<strong>id</strong>erung macht er unter Berufung auf die Senatsentsche<strong>id</strong>ung vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A<br />

9.97 - (a.a.O.) geltend, etwaige Nordvarianten könnten von den Klägern schon deshalb nicht diskutiert<br />

werden, weil sie im Verhältnis zum planfestgestellten Vorhaben begrifflich ein anderes Projekt darstellten.<br />

Der Senat hat die im Urteil vom 19. Mai 1998 in diesem Sinne getroffene Aussage bereits in der<br />

Entsche<strong>id</strong>ung vom 18. Dezember 1998 - BVerwG 4 A 10.97 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 144) relativiert<br />

und die Nordumfahrung Lübecks ergänzend auch nach Abwägungsgrundsätzen beurteilt. An diesem<br />

Ansatz ist festzuhalten. Die BAB A 20 dient konzeptionell vorrangig der Abwicklung eines weiträumigen<br />

Verkehrs. Dieser Zweckrichtung lässt sich mit der Nord- und der Südumfahrung gleichermaßen<br />

Rechnung tragen. Der in der Klageerw<strong>id</strong>erung vertretenen Auffassung, die Nordumfahrung spiele<br />

rechtlich schon deshalb keine Rolle mehr, weil mit dem östlichen Ende des in Bau befindlichen ersten<br />

Abschnitts südlich von Lübeck inzwischen unumkehrbar ein Zwangspunkt geschaffen worden sei, ist<br />

ebenfalls nicht zu folgen. Ist ein Vorhaben abschnittsweise bereits verwirklicht worden, so darf dies<br />

nicht dazu führen, dass die Alternativenprüfung fortan zulasten der in nachfolgenden Abschnitten<br />

Betroffenen eingeschränkt oder aus dem Abwägungsprogramm gar gänzlich ausgeblendet wird. Die<br />

Planung muss in jedem Abschnitt dem Einwand Stand halten, dass eine andere Planungsvariante bei<br />

einer auf die Gesamtplanung bezogenen Betrachtung gegenüber dem der Planfeststellung zugrunde<br />

liegenden Planungskonzept vorzugswürdig ist. In vorangegangenen Teilabschnitten geschaffene<br />

Zwangspunkte erzeugen keine strikten Bindungen. Sie sind als öffentlicher Belang berücksichtigungsfähig<br />

und -bedürftig, können aber im Wege der Abwägung überwunden werden (vgl. BVerwG,<br />

Beschluss vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92). Die Planfeststellungsbehörde<br />

hat dem Rechnung getragen. Sie hat sich zwar die Sichtweise zu Eigen gemacht,<br />

dass eine nördliche Trassenführung auf die Verwirklichung eines anderen Projekts hinauslaufe, hat<br />

aber „unabhängig hiervon“ die Vor- und die Nachteile einer Nord- oder einer Südumfahrung einander<br />

gegenübergestellt und bewertet (S. 185 ff. PFB). Das Ergebnis, zu dem sie gelangt ist, hält einer Prüfung<br />

anhand der zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätze stand.<br />

Die Nordumfahrung brauchte sich der Planungsbehörde schon aus ökologischen Gründen nicht als<br />

vorzugswürdige Alternative aufzudrängen. Der Beklagte weist darauf hin, dass bei einer Trassenführung<br />

im Norden Lübecks zwangsläufig Landschaftsräume durchschnitten würden, die der EU-Kommission<br />

als Vogelschutz- bzw. FFH-Gebiete gemeldet worden sind. Die Kläger stellen dies nicht in Abrede.<br />

Sie halten diesen Umstand für nicht entsche<strong>id</strong>end, weil sie der Wakenitz die Qualität eines Vogelschutz-<br />

bzw. FFH-Gebiets beimessen, das nicht weniger schutzwürdig sei als die Gebiete, die im Zuge<br />

einer Nordumfahrung beeinträchtigt werden müssten. Diese Annahme trifft aber nicht zu. Der Schutzstatus<br />

der Wakenitz bestimmt sich - wie dargelegt - nicht nach den Regelungen des Gemeinschaftsrechts.<br />

Im Übrigen schne<strong>id</strong>et die Nordumfahrung auch aus städtebaulichen und aus verkehrstechnischen<br />

Gründen schlechter ab als die Südumfahrung. Insoweit hebt die Planfeststellungsbehörde<br />

unw<strong>id</strong>ersprochen hervor: Die Stadt Lübeck entwickle sich als Wohn-, Gewerbe- und Hochschulstandort<br />

hauptsächlich nach Westen und Süden. Nur die Südumfahrung sei geeig<strong>net</strong>, zur verkehrlichen<br />

Erschließung dieses Entwicklungsbereichs und zur Entlastung des untergeord<strong>net</strong>en Straßen<strong>net</strong>zes<br />

beizutragen. Werde die BAB A 20 nicht am Südrand Lübecks entlanggeführt, so sei es unumgänglich,<br />

das Problem der Süd- und Westumfahrung anderweitig zu lösen. Die BAB A 1 und die BAB A 226,<br />

deren Kapazitäten schon jetzt nahezu erschöpft seien, müssten im Falle einer Nordumfahrung zusätzlichen<br />

Verkehr aufnehmen, ohne dass dieser Mehrbelastung eine signifikante Entlastung des städtischen<br />

Straßen<strong>net</strong>zes gegenüberstehen würde.<br />

3.2.2 Die Auswahl, die der Beklagte unter den von ihm geprüften Südvarianten getroffen hat, genügt,<br />

was die Berücksichtigung der Naturschutzbelange angeht, ebenfalls den Anforderungen des Abwägungsgebots.<br />

Der Beklagte hat im Laufe des Verfahrens aus dem Kreis der vier Hauptvarianten V 4, V 5, V 7 und V 8<br />

eine neue Variante 5 D entwickelt und in die Varianten V 7 und V 8 integriert (vgl. PFB S. 197 ff.). Als<br />

Begründung dafür, weshalb er die Varianten V 4 und V 5 ausgeschieden hat, nennt er die Erwägung,<br />

dass die Linie V 4 durch die als Vogelschutzgebiet gemeldete Wulfsdorfer He<strong>id</strong>e führt, und die Linie V 5<br />

auf mecklenburgischer Seite den Naturpark Schaalsee anschne<strong>id</strong>en würde, der die Qualität eines ausgewiesenen<br />

Vogelschutzgebietes hat. Die Kläger halten diese Überlegungen für nicht stichhaltig. Sie<br />

meinen, die Trasse V 4 sei nicht verworfen worden, um die Wulfsdorfer He<strong>id</strong>e zu schonen, sondern um<br />

die Voraussetzungen für einen Ausbau des Flughafens Lübeck-Blankensee zu sichern. Die Linie V 5<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 60


Rechtsprechung<br />

habe nicht zurückgestellt werden dürfen, da sie insbesondere unter Vogelschutzgesichtspunkten besser<br />

geeig<strong>net</strong> sei als die Wahllinie. Be<strong>id</strong>e Einwände greifen nicht durch.<br />

Die planfestgestellte Trasse verläuft so weit südlich, dass die Wulfsdorfer He<strong>id</strong>e nicht beeinträchtigt<br />

wird. Das Anliegen, dieses Gebiet zu schonen, ist im Rahmen der planerischen Abwägung billigenswert.<br />

Denn die Wulfsdorfer He<strong>id</strong>e eig<strong>net</strong> sich - auch nach Ansicht der Kläger - als Vogelschutzgebiet.<br />

Wird dieser Raum in das Netz „Natura 2000“ aufgenommen, so kommt eine Flughafenerweiterung nurmehr<br />

unter den erschwerten Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL in Betracht. Unter diesen<br />

Umständen liegt die Vermutung eher fern, das Land könnte sich allein aus taktischen Gründen<br />

dazu entschlossen haben, bei der Trassierung der BAB A 20 die Wulfsdorfer He<strong>id</strong>e auszusparen. Als<br />

unzutreffend erweist sich die Würdigung der Kläger, die Wahllinie schne<strong>id</strong>e bei einem Vergleich mit der<br />

Linie V 5 eindeutig schlechter ab. Diese Wertung wäre allenfalls nachvollziehbar, wenn nicht bloß das<br />

Schaalseegebiet, sondern auch die Wakenitzniederung die Merkmale eines Vogelschutzgebietes aufweisen<br />

würde. Entgegen der Auffassung der Kläger trifft dies jedoch nicht zu. Lässt sich die Trasse im<br />

Bereich der Wakenitzniederung so verschieben, dass das Schaalsee-Vogelschutzgebiet nicht angeschnitten<br />

zu werden braucht, so ist mit Händen zu greifen, dass eine Alternative im Sinne des maßgeblichen<br />

EG-Rechts zur Verfügung steht, von der nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL Gebrauch gemacht werden<br />

muss. Entgegen dem von den Klägern erweckten Eindruck zeich<strong>net</strong> sich die Wahllinie dadurch aus,<br />

dass sie in optimaler Weise Rücksicht auf die Gebiete nimmt, die aus naturfachlicher Sicht besonderen<br />

Schutz beanspruchen. Von einer Fehlgewichtung kann keine Rede sein.<br />

3.2.3 Auch unter dem Blickwinkel der Projektvariantenprüfung lässt der angefochtene Planfeststellungsbeschluss<br />

keinen Abwägungsfehler erkennen.<br />

Der Beklagte hat drei Möglichkeiten untersucht. Er hat die Vor- und die Nachteile einander gegenübergestellt<br />

und bewertet, die sich jeweils ergeben, wenn die Wakenitz mit Hilfe einer Brücke oder eines<br />

Tunnels gequert wird. Bei der Tunnelvariante hat er weiter danach unterschieden, ob das Bauwerk in<br />

offener Bauweise oder im Schildvortrieb hergestellt wird (vgl. PFB S. 271 ff. sowie Erläuterungsbericht<br />

zum Streckenbereich 2 b). Danach erweist sich die Tunnellösung im Schildvortriebsverfahren insbesondere<br />

unter ökologischen Gesichtspunkten als die günstigste Gradientenvariante. Auch ein in offener<br />

Bauweise errichteter Tunnel schne<strong>id</strong>et - ökologisch betrachtet - besser ab als eine Brücke. Bei der Tunnelvariante<br />

bedarf es quantitativ geringerer Eingriffe in Biotope als bei der Brückenlösung. Die Beeinträchtigungen<br />

sind im Bereich des Tunnelbauwerks zudem zeitlich begrenzt und mittel- bis langfristig<br />

regenerierbar. Nachteilige Standortveränderungen, Zerschne<strong>id</strong>ungseffekte und Verlärmungserscheinungen<br />

beschränken sich auf die Bauphase. Das Vogelschlagrisiko ist minimal. Bei der Brückenvariante<br />

sind nachteilige Wirkungen dagegen auf Dauer vorprogrammiert. Die negativen Folgen lassen<br />

sich allerdings bis zu einem gewissen Grad durch die baulichen Vorkehrungen mindern, die der Vorhabenträger<br />

zu treffen hat. Die Wakenitzniederung kann ihrer Verbundfunktion weiterhin gerecht werden.<br />

Die Trasse ist so gewählt, dass der Talraum an der engsten Stelle gequert wird. Die Brükkenkonstruktion<br />

bietet die Gewähr dafür, dass die Niederung für amphibische und für terrestrische Lebewesen<br />

durchlässig bleibt. Barrierewirkungen werden durch eine größtmögliche Spannweite von mehr als 294<br />

m sowie eine lichte Höhe von 6 m über dem Fluss und von immerhin noch mehr als 3 m an den W<strong>id</strong>erlagern<br />

weitgehend abgemildert. Der Gefahr der Eutrophierung als Folge des unverme<strong>id</strong>lichen Lichtund<br />

Regenschattens wird dadurch entgegengewirkt, dass das Brückenbauwerk im Bereich des Mittelstreifens<br />

auf 3 m aufgeweitet wird und als offener Spalt konzipiert ist. Einer nicht hinnehmbaren Verlärmung<br />

wird durch Lärmschutzwände vorgebeugt. Das Vogelschlagrisiko wird dadurch vermindert, dass<br />

die Lärmschutzwände im Flusssegment auf 4 m erhöht werden. Diese Maßnahmen veranlassen Kaule<br />

(Überprüfung der Verträglichkeit vom 25. März 1999, Teil B, S. 17 bis 19) bei seiner vergleichenden<br />

Bewertung zu folgender Schlussfolgerung: „Insgesamt kann die Talraumbrücke über die Wakenitz im<br />

Vergleich zur Tunnellösung in offener Bauweise nur geringfügig ungünstiger in Bezug auf die Zerschne<strong>id</strong>ungswirkung<br />

betrachtet werden. Eine Tunnellösung in offener Bauweise, die zudem erheblich<br />

in den vorhandenen Torfkörper eingreift, ist somit nicht zwingend für die Belange des Arten- und Biotopschutzes<br />

erforderlich.“<br />

Wenn der Beklagte sich trotz der Erkenntnis, dass eine Tunnellösung insbesondere unter ökologischen<br />

Gesichtspunkten vorzugswürdig wäre, gleichwohl für die Brückenvariante entschieden hat, dann beruht<br />

dies auf Kostenüberlegungen. Das ist rechtlich im Rahmen der zu treffenden Abwägung aller Belange<br />

zu billigen. In die Entsche<strong>id</strong>ung für die eine oder andere Trassen- oder Ausführungsvariante dürfen als<br />

einer von mehreren Abwägungsposten auch Kostengesichtspunkte einfließen. Denn das Interesse,<br />

den finanziellen Aufwand für den Straßenbau gering zu halten, gehört zu den öffentlichen Belangen,<br />

denen in der Abwägung Rechnung zu tragen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 61


Rechtsprechung<br />

73.82 - BVerwGE 71, 163, vom 28. Februar 1996 - BVerwG 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr.<br />

110 und vom 9. November 2000 - BVerwG 4 A 51.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 159).<br />

Nach den Berechnungen der Beklagten würde ein Tunnel im Schildvortrieb einen Kostenaufwand von<br />

mindestens 350 Millionen DM verursachen. Hinzu kämen jährliche Unterhaltungskosten in Höhe von<br />

730 000 DM. Für einen Tunnel in offener Bauweise müssten mindestens 150 Millionen DM aufgewendet<br />

werden. Hier kämen jährlich 330 000 DM Unterhaltungskosten hinzu. Die Kosten für die Talraumbrücke<br />

einschließlich der Kosten für die im Bereich des Grenzstreifens geplante Grünbrücke beziffert<br />

der Beklagte demgegenüber auf weniger als 46 Millionen DM. Die Kostendifferenz, die in be<strong>id</strong>en Fällen<br />

einen dreistelligen Millionenbetrag ausmacht, übersteigt nach seiner Einschätzung jedes vernünftige<br />

Maß. Sie rechtfertigt es nach seiner Ansicht, der Brückenlösung den Vorzug zu geben. Die Kläger halten<br />

dem Beklagten vor, die Kostenrelation falsch eingeschätzt zu haben, da die Kosten für die Tunnelkonstruktion<br />

zu hoch angesetzt worden seien. Es sei nicht ersichtlich, wieso es für die Wakenitzquerung<br />

nicht mit einem finanziellen Aufwand sollte sein Bewenden haben können, der den üblichen<br />

Erfahrungssätzen entspreche. Auch wenn man zum Vergleich die Kosten heranziehe, die bei anderen<br />

Tunnelbauwerken entstanden seien, liege die Annahme nahe, dass der Beklagte von überhöhten Kostenansätzen<br />

ausgehe.<br />

Die für das konkrete Vorhaben angestellten Kostenberechnungen, in die eine Vielzahl von im Einzelnen<br />

ausgewiesenen Rechenposten eingestellt worden ist, lassen sich indes nicht allein mit dem Hinweis<br />

darauf erschüttern, dass ein geringerer Kostenaufwand dem Üblichen entspreche oder sich bei anderen<br />

Bauvorhaben zur Zweckerreichung als ausreichend erwiesen habe. Selbst wenn davon auszugehen<br />

wäre, dass die vom Beklagten genannten Zahlen zu hoch gegriffen sind, würde dies dem Vorhabenträger<br />

nicht als Fehlgewichtung angelastet werden können. Die Kläger zeigen nicht auf, dass<br />

Einsparungen in Betracht kommen, die die vom Beklagten in dreistelliger Millionenhöhe genannten<br />

Beträge als Kalkulationsgrundlage ungeeig<strong>net</strong> erscheinen lassen könnten. Stehen den für ein Brückenbauwerk<br />

veranschlagten 46 Millionen DM auch nach dem Vorbringen der Kläger Kosten gegenüber, die<br />

diesen Betrag um ein Vielfaches übersteigen, so durfte der Beklagte von der Tunnelvariante ohne Verstoß<br />

gegen das Abwägungsgebot Abstand nehmen.<br />

Die Senatsurteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG 4 A 9.97 - (a.a.O.) und vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4<br />

C 2.99 - (a.a.O.) lassen sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht mit Erfolg gegen dieses Abwägungsergebnis<br />

ins Feld führen. Aus diesen Entsche<strong>id</strong>ungen erhellt, dass eine Alternativlösung im<br />

Sinne des Art. 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 FFH-RL mit finanziellen Erwägungen nur in den engen Grenzen<br />

verworfen werden darf, die durch den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

gezogen werden. Die Wakenitzniederung unterfällt jedoch nicht dem besonderen Schutzregime, das<br />

durch das Gemeinschaftsrecht aufgerichtet wird. Maßgeblich sind vielmehr ausschließlich die im nationalen<br />

Recht zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätze. Der Planungsbehörde ist es daher nicht<br />

verwehrt, selbst gewichtige Naturschutzbelange in der Konkurrenz mit gegenläufigen Belangen unter<br />

Einschluss von Kostengesichtspunkten hintanzustellen. Der Beklagte durfte sich bei der Wahl zwischen<br />

Brücke und Tunnel in offener Bauweise schon deshalb für eine Brücke entsche<strong>id</strong>en, weil die ökologischen<br />

Vorteile einer Tunnellösung nicht so eindeutig auf der Hand liegen, dass sie eine zusätzliche<br />

Kostenbelastung von mehr als 100 Millionen DM rechtfertigen. Bei einem Tunnel im Schildvortrieb wäre<br />

der Gewinn für Natur und Landschaft freilich beträchtlich. Allerdings würde auch die Kostenmehrbelastung<br />

noch weit erheblicher zu Buche schlagen als bei offener Bauweise. Eine solche Kostenbelastung<br />

wäre ein unvertretbar hoher Preis, zumal wenn berücksichtigt wird, dass dieses finanzielle Opfer für die<br />

Erhaltung eines Biotopverbundes zu erbringen wäre, der durch eine Brücke zwar beeinträchtigt, aber<br />

keineswegs ernstlich gefährdet oder gar zerstört wird. Die grundsätzliche Eignung, den Naturschutzbelangen<br />

angemessen Rechnung zu tragen, lässt sich jedenfalls auch der Brückenlösung nicht absprechen.<br />

3.3 Keinen rechtlichen Bedenken begeg<strong>net</strong>, dass der Beklagte den Abschnitt zwischen der L 92 im<br />

Westen und der Landesgrenze im Osten in die Unterabschnitte 2 a und 2 b unterteilt hat. Die Kläger<br />

sehen selbst keinen Anlass, diese Vorgehensweise als willkürliche Parzellierung zu kritisieren. Für die<br />

Unterabschnitte 2 a und 2 b wurden jeweils eigenständige Antragsunterlagen erstellt. Der Planfeststellungsbeschluss<br />

vom 19. Januar 2001 fasst diese Teilplanungen indes in einer Entsche<strong>id</strong>ung zusammen.<br />

Die Kläger machen nicht geltend, dass durch die Aufteilung in zwei Unterabschnitte Naturschutzbelange<br />

nicht mit dem Gewicht berücksichtigt worden seien, das ihnen hätte zukommen können, wenn<br />

der gesamte Streckenabschnitt von vornherein als planerische Einheit behandelt worden wäre. Die<br />

Aufspaltung trug im Gegenteil dazu bei, den Naturschutzbelangen in optimaler Weise Rechnung zu tragen.<br />

Die Bildung des Teilabschnitts 2 b, der die Wakenitzniederung umfasst, diente nämlich erklärter-<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 62


Rechtsprechung<br />

maßen dazu, in die Betrachtung insbesondere der Umweltfolgen auch die östlichen Teile des Talraumes<br />

und des anschließenden ehemaligen Grenzstreifens mit einzubeziehen.<br />

Der Beklagte hat damit der Rechtsprechung des Senats Rechnung getragen, wonach bei der Ausführung<br />

eines Gesamtprojekts in Teilschritten den Prüfungsgegenstand zwar nur der jeweilige Abschnitt<br />

bildet, die Folgen für die weitere Planung jedoch wegen des Grundsatzes der Konfliktbewältigung, der<br />

es verbietet, Probleme ungelöst zu lassen, die durch die Gesamtplanung ausgelöst werden, nicht<br />

gänzlich ausgeblendet werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 1996 - BVerwG 4 A 27.95<br />

- a.a.O. und vom 10. April 1997 - BVerwG 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236). Der Unterabschnitt 2 b setzt<br />

sich mit gleicher Bezeichnung auf dem Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns fort. Zusammen mit diesem<br />

Abschnitt erstreckt er sich auf den gesamten Naturraum der Wakenitzniederung. Wie die bei den Akten<br />

befindlichen Gutachten und Stellungnahmen zeigen, wurden in die ökologischen Untersuchungen die<br />

schleswig- holsteinischen und die mecklenburgischen Landesteile gleichermaßen einbezogen. Hierdurch<br />

verschaffte sich der Beklagte eine tragfähige Grundlage für die nach der Rechtsprechung gebotene<br />

Prognose, dass der Verwirklichung der weiteren Planungsschritte auf dem Gebiet des Nachbarlandes<br />

Mecklenburg-Vorpommern keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse<br />

entgegenstehen.<br />

3.4 Bei der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind dem Beklagten ebenfalls<br />

keine Fehler unterlaufen, die dazu nötigen, den Planfeststellungsbeschluss vom 19. Januar 2001 aufzuheben<br />

oder für nicht vollziehbar zu erklären.<br />

3.4.1 Der Beklagte hat dem in § 8 Abs. 1 LNatSchG normierten Verme<strong>id</strong>ungsgebot in vielfältiger Weise<br />

Rechnung getragen. Er hat Maßnahmen angeord<strong>net</strong>, die geeig<strong>net</strong> sind, die mit dem Eingriff verbundenen<br />

nachteiligen Folgen für Natur und Landschaft so weit wie möglich zu begrenzen. Hierzu gehören<br />

nicht zuletzt Vorkehrungen zur Verminderung der Zerschne<strong>id</strong>ungswirkungen und zur Aufrechterhaltung<br />

notwendiger Ver<strong>net</strong>zungsfunktionen. Um zu verhindern, dass sich die Trasse außerhalb des Bereichs<br />

der Brücke über die Wakenitzniederung als unüberwindliche Barriere erweist, sind mehrere Wilddurchlässe<br />

vorgesehen (vgl. PFB S. 362).<br />

Einem ähnlichen Zweck dient die 50 m breite Grünbrücke, die in dem Bereich, in dem FFH-relevante<br />

Lebensraum- und Habitattypen durch das Planvorhaben am empfindlichsten getroffen werden, die Voraussetzungen<br />

dafür schaffen soll, dass die für eine Ver<strong>net</strong>zung erforderlichen Strukturen an dieser<br />

Stelle nicht unterbrochen werden. Um das Vogelschlagrisiko zu minimieren, hat der Planungsträger<br />

dafür zu sorgen, dass die 2,5 m hohen Schutzwände auf der Wakenitzbrücke im Bereich des Flusssegments<br />

auf 4 m erhöht werden. Dem gleichen Ziel zu dienen bestimmt ist die Auflage, den Straßenkörper<br />

auch in dem Abschnitt, der sich an das Brückenbauwerk anschließt, durch Verwallungen von mindestens<br />

2,5 m Höhe abzuschirmen. Mit Rücksicht auf das Anliegen, die negativen Auswirkungen auf<br />

die Flora in der Wakenitzniederung gering zu halten, ist die Talraumbrücke so zu gestalten, dass der<br />

durch sie verursachte Licht- und Regenschatten nur auf relativ schmale Streifen fällt.<br />

3.4.2 Das Ausgleichskonzept gibt ebenfalls keinen Anlass zu rechtlichen Beanstandungen, auch wenn<br />

die Kläger an ihm Kritik üben. Maßgeblich ist § 8 Abs. 2 LNatSchG. Danach hat der Verursacher eines<br />

Eingriffs unverme<strong>id</strong>bare Beeinträchtigungen innerhalb einer zu bestimmenden Frist so auszugleichen,<br />

dass nach dem Eingriff oder Ablauf der Frist keine erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen<br />

des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes zurückbleiben.<br />

Die Kläger halten dem Beklagten vor, schon bei der Bestandserfassung Fehler gemacht zu haben.<br />

Richtig an ihrem Vorbringen ist, dass Eingriffe in Natur und Landschaft sich nur dann zutreffend bewerten<br />

lassen, wenn hinreichend aussagekräftiges Datenmaterial zur Verfügung steht. Wie der Senat im<br />

Beschluss vom 31. Januar 1997 - BVerwG 4 NB 27.96 - (BVerwGE 104, 68) betont hat, lässt sich die<br />

Frage, in welchem Ausmaß die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild beeinträchtigt<br />

wird, nur auf der Grundlage zuverlässiger Feststellungen über den vorhandenen Zustand von<br />

Natur und Landschaft sachgerecht beantworten. Deshalb hat der Planungsträger gerade unter dem<br />

Blickwinkel des Naturschutzes und der Landschaftspflege der Ermittlungsphase besonderes Augenmerk<br />

zu schenken. Das ist aber nicht dahin zu verstehen, dass er verpflichtet wäre, ein lückenloses<br />

Arteninventar zu erstellen. Die Untersuchungstiefe hängt maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten<br />

ab. Aus fachlicher Sicht kann sich eine bis ins letzte Detail gehende Untersuchung erübrigen.<br />

Sind bestimmte Tier- und Pflanzenarten ein Indikator für die Biotopqualität und die Lebensraumanforderungen<br />

auch anderer Arten oder lassen bestimmte Vegetationsstrukturen sicherere<br />

Rückschlüsse auf ihre faunistische und floristische Ausstattung zu, so kann es mit der gezielten Erhebung<br />

der insoweit maßgeblichen repräsentativen Daten sein Bewenden haben. Das Recht nötigt nicht<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 63


Rechtsprechung<br />

zu einem Ermittlungsaufwand, der keine zusätzlichen Erkenntnisse verspricht (vgl. BVerwG, Beschluss<br />

vom 21. Februar 1997 - BVerwG 4 B 177.96 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 20).<br />

3.4.2.1 Der Beklagte ist diesen Anforderungen gerecht geworden. Über die von ihm angestellten Untersuchungen<br />

geben die landschaftspflegerischen Begleitpläne zu den Teilstrecken 2 a und 2 b Aufschluss,<br />

die nach § 9 Abs. 2 LNatSchG Bestandteil des Fachplans sind. Der Beklagte differenziert zwischen<br />

Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie Eingriffen in Biotop- und in Habitatstrukturen,<br />

und zwar getrennt nach einzelnen Konfliktbereichen. Die betroffenen Flächen sind mit Größenangaben<br />

in einem Verzeichnis unter Hinweis auf die Art des Eingriffs und der Auswirkungen im Einzelnen aufgelistet.<br />

Gestützt auf die von Winkler am 22. Mai 2001 vorgelegte Stellungnahme (Akte BVerwG 4 A<br />

21.01, S. 796 ff. der Prozessakte) halten die Kläger dem Beklagten vor, in das Inventar nicht sämtliche<br />

Biotope aufgenommen zu haben, die im näheren Umkreis der Trasse vorhanden seien. Eine Bestandserhebung<br />

in einem Raum, der Hunderte von Hektar umfasst, lässt sich indes nicht allein dadurch in<br />

Frage stellen, dass vergleichsweise unbedeutende Einzelflächen bezeich<strong>net</strong> werden, die unberücksichtigt<br />

geblieben sind, bei zutreffender Beurteilung aber in die Betrachtung hätten einbezogen werden<br />

sollen oder müssen.<br />

3.4.2.2 Den eigentlichen Kritikpunkt bilden auch weniger etwaige Defizite auf der Ermittlungsebene als<br />

vielmehr die Modalitäten des Bilanzierungsverfahrens, das nach Ansicht der Kläger insbesondere im<br />

Teilabschnitt 2 a Unzulänglichkeiten aufweist. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen.<br />

Der Beklagte hat die Situation vor Beginn der Straßenbaumaßnahme anhand des so genannten Landschaftsausgangswerts<br />

ermittelt, bei dem der Grundwert und der Schutzwert multipliziert, der Funktionswert<br />

addiert und das Ergebnis mit der entsprechenden betroffenen Fläche in Quadratmetern multipliziert<br />

und die so errech<strong>net</strong>en Einzelwerte miteinander addiert werden. Er hat sich darüber hinaus bei<br />

der Bewertung von Eingriff und Ausgleich an dem Gemeinsamen Runderlass des Innenministers und<br />

der Ministerien für Natur und Umwelt vom 8. November 1994 orientiert, dem der Gedanke der so<br />

genannten biotopentsprechenden Bilanzierung zugrunde liegt. Danach werden die Ausgleichsflächen,<br />

je nachdem, ob sie innerhalb oder außerhalb der Belastungszone des Vorhabens liegen, differenziert<br />

nach Biotoptypen und besonders geschützten Biotopen aufgenommen und dem Eingriff gegenübergestellt.<br />

Bei der Ermittlung der Flächenansätze wird dem Umstand Rechnung getragen, dass mit zunehmender<br />

Regenerationsdauer eines Biotops der Ausgleichsflächenbedarf steigt. Danach sind bei kurzfristig<br />

wiederherstellbaren Funktionen und Werten (z.B. Trockenrasen, Ruderalfluren,<br />

Erstaufforstungen) Kompensationsmaßnahmen im Verhältnis 1:1 (Kategorie 1), bei mittelfristig wiederherstellbaren<br />

Funktionen und Werten (z.B. Feuchtwiesen, Obststreuwiesen, Jungwaldbestände) im<br />

Verhältnis 1:2 (Kategorie 2) und bei nur langfristig wiederherstellbaren Funktionen und Werten (z.B. Altwaldbestände)<br />

im Verhältnis 1:3 (Kategorie 3) anzuordnen. Diese verhältnismäßige Zuordnung von<br />

Eingriff und Ausgleich unter Berücksichtigung der Regenerationsdauer von Biotopen wird zusätzlich<br />

noch, je nachdem, ob es sich um einen Eingriff durch direkte Flächeninanspruchnahme oder eine<br />

Beeinträchtigung von Flächen in der Belastungszone handelt, durch „Sollausgleichsgrößen“ modifiziert,<br />

die bei der Kategorie 1 im Verhältnis 1:0,5, bei der Kategorie 2 im Verhältnis 1:1 und bei der Kategorie<br />

3 im Verhältnis 1:1,5 einzustellen sind. Der Beklagte geht unter Berücksichtigung des nach Zeitansätzen<br />

ermittelten Ausgleichsbedarfs davon aus, dass die Eingriffe insbesondere im Bereich des<br />

Bruchwaldes und des sonstigen Waldes, des Feuchtgrünlandes, des Mager- und Trockenrasens, der<br />

ruderalen Hochstaudenfluren und des mesophilen Grünlandes ausgleichbar sind. Dagegen räumt er<br />

ein, dass ein biotopentsprechender Ausgleich bei Knicks nur in beschränktem Umfang, bei Fließgewässern<br />

und bei Moorstandorten überhaupt nicht in Betracht kommt.<br />

Hier setzen die Kläger mit ihrer Kritik an. Unter Hinweis auf die Stellungnahme vom 22. Mai 2001 wenden<br />

sie sich gegen die Bilanz des Beklagten mit dem Argument, es habe kein Anlass bestanden, das<br />

Biotopwertverfahren mit dem Verfahren zu kombinieren, bei dem die Regenerationsdauer der von<br />

einem Eingriff betroffenen Biotope in die Bewertung mit einbezogen wird. Im Übrigen bemängeln sie<br />

neben einer unzureichenden Berücksichtigung abiotischer Schutzgüter, dass in der vom Planungsträger<br />

verwendeten Bilanzierungsformel die Flächengröße in einer Weise gewichtet wird, die sie als „sehr<br />

stark“ charakterisieren. Nach ihrer Auffassung führt diese Gewichtung dazu, dass die Wertigkeit von<br />

Landschaftselementen, die kleinflächig sind, naturfachlich aber gleichwohl als hochwertig eingestuft<br />

werden müssen, nicht ihrer wahren Bedeutung entsprechend in die Bilanz eingeht.<br />

Die Rügen greifen allesamt nicht durch. Das für die Planung einschlägige Recht enthält keine verbindlichen<br />

Bewertungsvorgaben. Es gebietet nicht, die Eingriffsintensität anhand standardisierter Maßstäbe<br />

oder in einem bestimmten schematisierten und rechenhaft handhabbaren Verfahren zu beurteilen (vgl.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 64


Rechtsprechung<br />

BVerwG, Beschluss vom 23. April 1997 - BVerwG 4 NB 13.97 - Buchholz 406.401 § 8 a BNatSchG Nr.<br />

4; Urteil vom 11. Januar 2001 - BVerwG 4 A 13.99 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 16; vgl. zur<br />

UVP auch Urteile vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 und vom 21. März 1996 -<br />

BVerwG 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370). Es stellt keine Besonderheit der Eingriffsregelung dar, dass<br />

das Ergebnis der als gesetzliches Erfordernis unverzichtbaren Bewertung unterschiedlich ausfallen<br />

kann, je nachdem, welches Verfahren angewendet wird. Es kommt nicht darauf an, ob sich bei Verwendung<br />

anderer Parameter ein höherer Ausgleichsbedarf errechnen ließe. Zu Beanstandungen besteht<br />

erst dann Anlass, wenn ein Bewertungsverfahren sich als unzulängliches oder gar als ungeeig<strong>net</strong>es<br />

Mittel erweist, um den Anforderungen des § 8 Abs. 2 LNatSchG gerecht zu werden. Einen solchen<br />

Mangel zeigen die Kläger nicht auf. Sie stellen das Bewertungskonzept, das dem landschaftspflegerischen<br />

Begleitplan zugrunde liegt, nicht als solches in Frage. Soweit sie unter dem Blickwinkel der Wertigkeit<br />

bei einer Reihe von Biotopen zu einem abweichenden Ergebnis gelangen, beruht dies darauf,<br />

dass sie von anderen Grund- oder Funktionswerten ausgehen als der Beklagte.<br />

Selbst wenn unterstellt wird, dass ihre Einwände berechtigt sind, bedeutet dies allenfalls, dass die Ausgleichsbilanz<br />

punktuell möglicherweise korrekturbedürftig ist. Aufs Ganze betrachtet wird die innere<br />

Stimmigkeit und Aussagekraft der Bewertung hierdurch aber nicht erschüttert. Wie die Übersicht auf S.<br />

306 des landschaftspflegerischen Begleitplans 2 a zeigt, geht der Beklagte bei der Gesamtflächenbilanz<br />

von einem hohen Überhang an Kompensationsflächen aus. Dieser Einschätzung treten die Kläger<br />

nicht entgegen. Selbst wenn sich bei der Gegenüberstellung von Landschaftsausgangswert und verändertem<br />

Landschaftswert zwischen den verschiedenen Flächenanteilen aus den in der Stellungnahme<br />

vom 22. Mai 2001 genannten Gründen einzelne Verschiebungen ergeben sollten, bleiben die Grundzüge<br />

des Gesamtkonzepts unberührt. Das Gleiche gilt, soweit die Kläger anhand von Einzelfällen Zweifel<br />

daran anmelden, ob sämtliche Maßnahmen die Gewähr dafür bieten, die Lebensraumfunktionen<br />

wirksam zu sichern, die durch den Bau der BAB A 20 gestört werden. Kaule hebt in diesem Zusammenhang<br />

hervor (Stellungnahme vom 25. März 1999, Teil B, S. 22 ff.), dass wegen des zerschne<strong>id</strong>ungsbedingten<br />

Funktionsverlustes und der sonstigen durch den Eingriff verursachten Beeinträchtigungen<br />

von faunistischen Funktionsräumen und - beziehungen ein überproportionaler<br />

Flächenausgleich notwendig ist. Er untersucht, ob das Ausgleichskonzept des Beklagten für die EGrechtlich<br />

relevanten Lebensraumtypen und Arten diesem Erfordernis entspricht. Defizite stellt er in diesem<br />

Bereich nicht fest. Die Kläger erheben gegen diese Einschätzung keine Einwände. In der Stellungnahme<br />

vom 22. Mai 2001, die sie sich zu Eigen machen, werden als Beispiele Habitatverluste genannt,<br />

von denen Arten betroffen sind, mit denen Kaule sich nicht auseinander gesetzt hat. Soweit es hierbei<br />

um die Feldlerche geht, erweist sich das in der Stellungnahme aufgezeigte vermeintliche Defizit freilich<br />

als reines Wertungsproblem. Die Kläger teilen nicht die Auffassung, dass auch nach der Verwirklichung<br />

des Planvorhabens ein ausreichendes Lebensraumangebot sichergestellt bleibt. Was den Verlust des<br />

Laichplatzes der Knoblauchkröte und des Laubfrosches angeht, wird in der Stellungnahme vom 22.<br />

Mai 2001 nicht in Abrede gestellt, dass im landschaftspflegerischen Begleitplan die Anlage von Kleingewässern<br />

als neues Laichhabitat vorgesehen ist. Die Qualität eines funktionalen Ausgleichs sprechen<br />

die Kläger dieser Maßnahme nur deshalb ab, weil nach ihrer Einschätzung die Gefahr groß ist, dass<br />

solche Gewässer innerhalb weniger Jahre verlanden. Dies mag zutreffen, lässt deshalb aber nicht<br />

ohne weiteres auf einen Eignungsmangel schließen. Vielmehr handelt es sich um ein Problem der Effizienzkontrolle.<br />

Nach § 9 Abs. 5 LNatSchG überprüft die Genehmigungsbehörde nach Beendigung des<br />

Eingriffs die Durchführung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen; sie soll auch die Wirksamkeit überprüfen.<br />

An diese rechtliche Vorgabe knüpft der Planfeststellungsbeschluss vom 19. Januar 2001 mit<br />

der Bestimmung an (S. 21), dass der Nachweis zur Effizienz der Kompensationsmaßnahmen drei<br />

Jahre nach deren Umsetzung erfolgen und alle drei bis fünf Jahre bis zum Eintritt des Erfolges wiederholt<br />

werden soll. Mit dieser Regelung ist den gesetzlichen Anforderungen Genüge geschehen.<br />

3.4.3 Der Beklagte hat nicht übersehen, dass ein Planvorhaben, das mit unverme<strong>id</strong>baren Beeinträchtigungen<br />

verbunden ist, die nicht ausgeglichen werden können, nach § 7 a Abs. 3 Satz 2 LNatSchG nur<br />

zugelassen werden kann, wenn die mit dem Eingriff geförderten Belange im Rahmen der Abwägung<br />

den Belangen des Naturschutzes im Range vorgehen. Die Kläger halten ihm im Anschluss an das<br />

Senatsurteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - (a.a.O.) vor, zu einer sachgerechten Abwägung<br />

nicht in der Lage gewesen zu sein, da er zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht in<br />

dem rechtlich gebotenen Maße unterschieden habe. Mit diesem Einwand sind sie entgegen der Auffassung<br />

des Beklagten nicht nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG präkludiert. Dahinstehen kann, ob diese Vorschrift<br />

überhaupt auf anerkannte Naturschutzverbände anwendbar ist. Mit ihrem Vorbringen sind die<br />

Kläger jedenfalls deshalb nicht ausgeschlossen, weil sie bis zum Ablauf der Einwendungsfrist gar nicht<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 65


Rechtsprechung<br />

in der Lage waren, einen Verstoß gegen § 7 a Abs. 3 Satz 2 LNatSchG geltend zu machen. Ihnen<br />

lagen zum damaligen Zeitpunkt lediglich die landschaftspflegerischen Begleitpläne vor, die über die in §<br />

9 Abs. 2 LNatSchG aufgeführten Gegebenheiten Auskunft gaben. Die nach § 7 a Abs. 3 Satz 2<br />

LNatSchG gebotene Abwägung ist der Planfeststellungsbehörde vorbehalten, deren Entsche<strong>id</strong>ung seinerzeit<br />

noch ausstand.<br />

Die Kritik der Kläger an der Vorgehensweise des Beklagten geht indes aus tatsächlichen Gründen ins<br />

Leere. Die Planung krankt unbeschadet der gegen sie gerichteten Angriffe nicht daran, dass Ausgleichs-<br />

und Ersatzmaßnahmen miteinander vermengt worden wären. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss<br />

nimmt in diesem Punkt Bezug auf die landschaftspflegerische Begleitplanung (S. 20).<br />

Die landschaftspflegerischen Begleitpläne für die Teilabschnitte 2 a und 2 b enthalten jeweils ein Verzeichnis,<br />

in dem die einzelnen Maßnahmen aufgelistet und näher beschrieben werden. Den Klägern ist<br />

einzuräumen, dass sich in den verwendeten Formblättern Beispiele dafür finden, dass Maßnahmen<br />

gleichzeitig als Ausgleichs- und als Ersatzmaßnahme bezeich<strong>net</strong> werden. Gleichwohl kann von einem<br />

Verstoß gegen § 7 a Abs. 3 Satz 2 LNatSchG keine Rede sein. Das Maßnahmenverzeichnis darf nicht<br />

isoliert betrachtet werden. Es wird ergänzt durch die Maßnahmenbeschreibungen im verbalen Teil der<br />

landschaftspflegerischen Begleitpläne sowie durch zeichnerische Darstellungen, die belegen, dass die<br />

Kompensation nicht darauf angelegt ist, als Gesamtmaßnahme in sich ununtersche<strong>id</strong>bar Elemente des<br />

Ausgleichs und des Ersatzes einzuschließen. Bei einer Gesamtschau lässt sich mit noch hinreichender<br />

Bestimmtheit feststellen, welche Maßnahme auf welcher Fläche dem Ausgleich von bestimmten Eingriffen<br />

zu dienen geeig<strong>net</strong> und bestimmt ist und welche Maßnahme nur Ersatz für nicht ausgleichbare<br />

Eingriffe ist. Die Bilanz, die sich auf S. 310 des landschaftspflegerischen Begleitplans 2 a findet, ist ein<br />

zusätzlicher Beleg dafür, dass der Beklagte dem Erfordernis, zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen<br />

zu differenzieren, gerecht geworden ist. Denn sie gibt Auskunft darüber, in welchen Bereichen<br />

Ausgleichsdefizite bestehen. Hätte der Vorhabenträger sich von der Vorstellung leiten lassen, dass in<br />

die Ausgleichsbilanz ohne weiteres auch Ersatzmaßnahmen eingestellt werden dürfen, so hätte sich<br />

eine solche Feststellung erübrigt. Stattdessen zeigt er eigens auf, wie sich der nach seinen Ermittlungen<br />

nicht befriedigte Ausgleichsbedarf anderweitig kompensieren lässt.<br />

Es begeg<strong>net</strong> keinen rechtlichen Bedenken, dass der Beklagte auf der Grundlage der Ausgleichsbilanz<br />

den Belangen, denen das Planvorhaben zugute kommt, den Vorrang vor den Belangen des Naturschutzes<br />

eingeräumt hat. Der Vorhabenträger geht davon aus, dass für die mit dem Eingriff verbundenen<br />

Beeinträchtigungen weithin ein Ausgleich geschaffen werden kann. Er legt freilich nicht im Einzelnen<br />

dar, wie hoch er die Ausgleichsrate veranschlagt. Das muss er auch nicht, da ihm weder § 8 Abs. 2<br />

noch § 7 a Abs. 3 Satz 2 LNatSchG eine entsprechende Pflicht auferlegt. Er lässt jedenfalls keine Zweifel<br />

daran aufkommen, dass dem Planungsinteresse schon deshalb größeres Gewicht beizumessen ist,<br />

weil es um die Verwirklichung eines Projekts geht, dem für die Komplettierung des innerdeutschen und<br />

des transeuropäischen Straßen<strong>net</strong>zes oberste Priorität gebührt. Die Kläger heben demgegenüber ohne<br />

Erfolg darauf ab, dass ein Landschaftsraum beeinträchtigt wird, der sich unabhängig davon, ob er europäischen<br />

Schutzvorschriften unterliegt oder nicht, unbestreitbar durch eine hohe Schutzwürdigkeit auszeich<strong>net</strong>.<br />

Die Eingriffsregelung kennt keine unantastbaren Gebiete. Sie verbietet es nicht, selbst Landschaftsteile<br />

von überragendem ökologischen Wert für andere Zwecke in Anspruch zu nehmen. Sie<br />

macht Eingriffe lediglich davon abhängig, dass für die mit ihnen verbundenen Beeinträchtigungen ein<br />

Ausgleich geschaffen wird. Sie erschwert die Inanspruchnahme von Natur und Landschaft freilich insofern<br />

mittelbar, als sie so konzipiert ist, dass der Ausgleichsbedarf mit der Schwere des Eingriffs wächst.<br />

Ist ein Vollausgleich möglich, so nimmt sie jedoch selbst schwere Beeinträchtigungen des Naturhaushalts<br />

oder des Landschaftsbildes in Kauf. Auch bei einem Ausgleichsdefizit nötigt sie zu keinem abweichenden<br />

Ergebnis, wenn die gewichtigeren Gründe für den Eingriff sprechen. Ein weitergehender<br />

Schutz von Natur und Landschaft lässt sich, soweit nicht das Gemeinschaftsrecht eingreift, nur über<br />

Schutzgebietsausweisungen im Sinne der §§ 12 ff. BNatSchG erreichen.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 66


Buchbesprechung<br />

Neue Bücher:<br />

Plate, E. J.; Merz, B. (Hrsg.): Naturkatastrophen: Ursachen, Auswirkungen, Vorsorge.<br />

475 S., 51 Abbildungen, 31 Tabellen, 40,80 , ISBN 3-510-65195-2<br />

Schweizerbart, Stuttgart, 2001 (bestellbar unter: www.schweizerbart.de)<br />

Angesichts der zunehmenden Häufigkeit und Schwere von Naturkatastrophen erklärten die Vereinten<br />

Nationen die 90er Jahre zur Internationalen Dekade der Reduzierung von Naturkatastrophen (IDNDR).<br />

Das vorliegende Buch dokumentiert und interpretiert die im letzten Jahrzehnt gewonnenen Erkenntnisse<br />

der deutschen Sektion der IDNDR.<br />

In den 5 Kapiteln<br />

- Naturkatastrophen: Herausforderung an Wissenschaft und Gesellschaft,<br />

- Katastrophenvorsorge als wissenschaftliche und technische Aufgabe,<br />

- Katastrophenvorsorge als gesellschaftliche Aufgabe,<br />

- Vorhersage und Frühwarnung,<br />

- Akteure des Katastrophenmanagements<br />

werden die Ursachen von Katastrophen sowie die naturwissenschaftlichen, ingenieurtechnischen, wirtschaftlichen<br />

und politischen Aspekte des Katastrophenmanagements ausführlich dargelegt.<br />

So werden z.B. die durch Erdbeben, Vulkanausbrüche, Massenbewegungen, Stürme, Überschwemmungen,<br />

Dürre und Feuer ausgelösten Naturkatastrophen erläutert und die Möglichkeiten des Katastrophenmanagements<br />

und der Katastrophenvorsorge aufgezeigt.<br />

Das Buch macht deutlich, dass Frühwarnung und Katastrophenmanagement eine mult<strong>id</strong>isziplinäre und<br />

multisektorale Kooperation zwischen allen betroffenen Akteuren erfordert und auf die vor Ort herrschenden<br />

Bedürfnisse zugeschnitten sein muss.<br />

Auch auf gesellschaftlich bedingte Katastrophenanfälligkeit sowie die politischen Rahmenbedingungen<br />

des Katastrophenmanagements wird eingegangen. Ebenso werden die Ämter und Institutionen, die<br />

sich auf staatlicher und lokaler Ebene mit Katastrophenmanagement befassen, vorgestellt.<br />

Für alle, die sich mit Naturkatastrophen und Katastrophenvorsorge beschäftigen, ist dieses Buch eine<br />

lesenswerte Lektüre.<br />

Dahl, H.-J.; Niekisch, M.; Riedl, U.; Scherfose, V.: Arten-, Biotop- und Landschaftsschutz. -<br />

Umweltschutz: Grundlagen und Praxis Bd. 8,<br />

424 S., 39,90 , ISBN: 3-87081-552-3<br />

Economica Verlag, Bonn, 2000 (bestellbar unter: www.huethig.de)<br />

Mit dem nun vorliegenden Band 8 wird die insgesamt 17-bändige Reihe „Umweltschutz - Grundlagen<br />

und Praxis“ abgeschlossen. Der Band gliedert sich in die Themenbereiche Artenschutz, Biotopschutz,<br />

Landschaftsschutz und Internationaler Naturschutz. Das Kapitel Artenschutz (Dahl, H.-J. et al.) behandelt<br />

Themen wie Artenvielfalt, Gefährdungsursachen, Rote Liste, Leitarten, Monitoring, Bewertung im<br />

Rahmen von Landschaftsplanung und Eingriffsregelung, Artenschutzprogramme, Problemarten, Handels-<br />

und Besitzverbote. Der Bereich Biotopschutz (Riedl, U.) stellt dar, welche Daten und Bewertungsgrundlagen<br />

der Biotopschutz benötigt und welche Instrumente ihm zur Umsetzung seiner Ziele zur<br />

Verfügung stehen. Dabei steht die Umsetzung eines flächendifferenzierten Biotopschutzes im Vordergrund.<br />

Sicherung von Vorrangflächen, Biotopverbundsysteme, Biotoppflege und -entwicklung werden<br />

erläutert. Das Kapitel Landschaftsschutz (Scherfose, V.) w<strong>id</strong>met sich Themen wie: Gefährdung der<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 67


Buchbesprechung<br />

Landschaft, Instrumente des Flächenschutzes, Förderprogramme und Flächensicherung. Zu den einzelnen<br />

Schutzgebietskategorien werden Übersichten zu Anzahl, Lage und Flächengröße der Schutzgebiete<br />

präsentiert. Dabei wird auch auf deren Zielstellung per Gesetz und ihrer Wirksamkeit für den<br />

Arten- und Biotopschutz eingegangen. Der Beitrag Internationaler Naturschutz (Niekisch, M.) befasst<br />

sich mit der globalen Bedrohung der Biodiveristät, den internationalen Konventionen, Red Data Books<br />

und Rote Listen sowie mit internationalen Schutzgebietstypen. Eine Übersicht über Institutionen und<br />

Organisationen im internationalen Naturschutz schließt das Kapitel ab. Das Buch bietet auf über 400<br />

Seiten einen guten Einblick in die Grundlagen des Arten-, Biotop- und Landschaftsschutzes. Durch<br />

zahlreiche Beispiele ist es für die Praxis eine wertvolle Arbeitshilfe.<br />

Beile, F.: Wassergesetz für das Land Rheinland-Pfalz (Landeswassergesetz - LWG).<br />

Ergänzbarer Kommentar, Stand 2002, Loseblattausgabe,<br />

742 Seiten, Format 16,5 x 23,5 cm, 60,40 , ISBN 3-88061-763-5<br />

Kommunal- und Schul-Verlag, Walluf (bestellbar unter: www.kommunalpraxis.de)<br />

Das Loseblattwerk enthält eine umfangreiche Kommentierung des rheinland-pfälzischen Landeswassergesetzes.<br />

Die einzelnen Paragraphen des LWG werden praxisnah und leicht verständlich erläutert. Hilfreich hierbei<br />

ist auch, dass in dem Kommentartext nicht nur der Wortlaut des behandelten Paragraphen, sondern<br />

auch diejenigen Regelungen anderer Fachgesetze abgedruckt sind, auf die im Text verwiesen wird.<br />

Das erspart dem Nutzer das mühsame Suchen nach den einzelnen Gesetzen. Weitere wichtige Landesverordnungen<br />

und Verwaltungsvorschriften, die Grundwasserverordnung und Abwasserverordnung<br />

des Bundes sind im Anhang abgedruckt.<br />

Entsprechend der Gliederung des Gesetzes ist auch der Kommentar in folgende Teile gegliedert:<br />

Einleitende Bestimmungen - Einteilung der Gewässer - Schutz der Gewässer - Wasserwirtschaftliche<br />

Grundlagen, Bewirtschaftung der Gewässer - Benutzung der Gewässer - Wasserversorgung und<br />

Abwasserbeseitigung - Ausgleich der Wasserführung, Unterhaltung und Ausbau der Gewässer - Sicherung<br />

des Hochwasserabflusses - Gewässeraufsicht - Zwangsrechte - Behörden, Zuständigkeiten - Verwaltungsverfahren<br />

- Wasserbuch - Bußgeldbestimmungen - Übergangs- und Schlußbestimmungen.<br />

Ein detailliertes Inhaltsverzeichnis, das Abkürzungsverzeichnis und ein ausführliches Stichwortverzeichnis<br />

erleichtern die Arbeit.<br />

Der Autor, Regierungsdirektor a.D. Fritz Beile, hat die Rechtsproblematik der Einzelbereiche des Wassergesetzes<br />

unter Einbeziehung der ebenfalls in der letzten Fassung abgedruckten bundesrechtlichen<br />

Rahmenbestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes systematisch dargestellt. Des Weiteren verdeutlicht<br />

die Kommentierung die Verflechtung des wasserrechtlichen Vollzugs mit anderen Rechtsbereichen,<br />

wie etwa der Abwasserabgabe, dem Baurecht, dem Landespflegerecht, der Abfallbeseitigung,<br />

der Landesplanung, dem Fischereirecht, dem Straßenrecht, der Schiffahrt, dem Bergrecht, dem Immissionsschutzrecht<br />

und der Flurbereinigung. Im Rahmen der Kommentierung werden auch andere mit<br />

dem Wassergesetz verbundene Verordnungen - wie z.B. die Indirekteinleiterverordnung (IndVO), die<br />

Eigenüberwachungsverordnung (EÜVOA) oder die LVO über die Beseitigung von kommunalem<br />

Abwasser (KomAbwVO) erläutert.<br />

Der Praxis-Kommentar ist eine nützliche Arbeitshilfe für alle mit dem Wasserrecht Rheinland-Pfalz<br />

befassten Personen und Institutionen, der den Umgang mit der doch sehr komplexen Rechtsmaterie<br />

wesentlich erleichtert.<br />

Die Loseblattform erlaubt eine zeitnahe Aktualisierung, so dass das Werk laufend auf dem neuesten<br />

Stand gehalten werden kann.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 68


Buchbesprechung<br />

Haupt, J.-A.; Reffken, H.; Rhode, E.: Niedersächsisches Wassergesetz (NWG).<br />

Ergänzbarer Kommentar, Stand 2002, Loseblattausgabe,<br />

918 Seiten, Format 16,5 x 23,5 cm, 70,60 , ISBN 3-88061-865-8.<br />

Kommunal- und Schul-Verlag, Walluf (bestellbar unter: www.kommunalpraxis.de)<br />

Der von Ministerialrat Johann-Albrecht Haupt, Ministerialdirigent Dr. Hermann Reffken und Ministerialrat<br />

a.D. Erich Rhode im Jahre 1990 begründete Kommentar Niedersächsisches Wassergesetz (NWG)<br />

hat sich mittlerweile sowohl in Niedersachsen, als auch - wegen der vergleichbaren Rechtsmaterie - in<br />

Sachsen-Anhalt zu dem wertvollen Nachschlagewerk entwickelt.<br />

Der Kommentar zum Niedersächsischen Wassergesetz gliedert sich in:<br />

Einleitende Bestimmung - Gemeinsame Bestimmungen - Bestimmungen für oberirdische Gewässer -<br />

Bestimmungen für das Grundwasser, Heilquellenschutz - Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung -<br />

Anlagen für wassergefährdende Stoffe - Behörden, Zuständigkeit, Datenverarbeitung, Gefahrenabwehr<br />

- Zwangsrechte - Wasserwirtschaftliche Planung, Wasserbuch - Bußgeldbestimmungen - Übergangsund<br />

Schlußbestimmungen<br />

Der Anhang enthält zahlreiche für die Praxis wichtige wasserrechtliche Verordnungen, ein umfassendes<br />

Literaturverzeichnis und ein ausführliches Stichwortverzeichnis ergänzen das Werk.<br />

Alle wesentlichen neueren Entsche<strong>id</strong>ungen, Änderungen auf Verordnungsebene und wichtigen Erlasse<br />

zum Wasserrecht sind in die aktuelle Kommentierung eingearbeitet.<br />

Das Werk ist leicht verständlich und sehr informativ und damit als wertvolles Hilfsmittel für alle zu empfehlen,<br />

die sich mit wasserrechtlichen Fragenstellungen in Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt auseinandersetzen<br />

müssen.<br />

Als Loseblattwerk kann der Kommentar zeitnah auf gesetzliche Änderungen reagieren und aktuell über<br />

Neuentwicklungen im Wasserrecht informieren.<br />

Meßerschm<strong>id</strong>t, K.; Schumacher, J.: Bundesnaturschutzrecht. Kommentar zum Bundesnaturschutzgesetz,<br />

Vorschriften und Entsche<strong>id</strong>ungen. Loseblattsammlung<br />

51. Ergänzungslieferung, Oktober 2002, 204 S.<br />

Grundwerk: 5532 S., Loseblattwerk in 5 Ordnern mit CD-ROM, 152,40 ,<br />

ISBN des Grundwerks: 3-8114-3870-0<br />

C.F. Müller Verlag, He<strong>id</strong>elberg (bestellbar unter: www.cfmueller-verlag.de)<br />

In der nun vorliegenden 51. Ergänzungslieferung wird mit den Erläuterungen zu § 1 BNatSchG die<br />

Kommentierung zum novellierten Bundesnaturschutzgesetzes begonnen. Der Vorschriftenteil enthält<br />

das geänderte Hessische Naturschutzgesetz sowie die neue EG-Verordnung zur Aussetzung der Einfuhr<br />

von Exemplaren frei lebender Tier- und Pflanzenarten in die Gemeinschaft.<br />

Die Entsche<strong>id</strong>ungssammlung wurde um ein weiteres wichtiges FFH-Urteil des BVerwG vom 31.1.2002<br />

(faktisches Vogelschutzgebiet, potenzielles FFH-Gebiet, Planfeststellungsverfahren) ergänzt. Die be<strong>id</strong>en<br />

anderen Entsche<strong>id</strong>ungen - ebenfalls vom BVerwG - ergingen bereits zum neuen Bundesnaturschutzgesetz<br />

(§ 61, Klagebefugnis anerkannter Naturschutzverbände).<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 69


Termine<br />

Termine:<br />

Das Bodenschutzgesetz - Was hat sich getan für den Umweltschutz in Schleswig-Holstein?<br />

Termin: 4. Dezember 2002, Rendsburg<br />

Veranstalter: Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK), Landesverband<br />

Schleswig-Holstein und Hamburg e.V., in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Umwelt,<br />

Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein.<br />

Teilnehmerkreis: Vertreterinnen und Vertreter der auf dem Gebiet des Bodenschutz- und Altlastenrechts<br />

tätigen Behörden, aus Wissenschaft und Forschung, aus dem Bereich der Bodennutzerinnen<br />

und -nutzer, der Ingenieurbüros und der Umweltverbände<br />

Teilnahmebetrag: BWK-Mitglieder: EUR 25,00 - Nicht-BWK-Mitglieder: EUR 70,00 - Studierende: EUR<br />

5,00 - BWK-Studierende: kostenlos, jeweils zzgl. Verpflegungskosten<br />

Information/Anmeldung: Dr. Thomas Haarhoff, Sehmsdorfer Str. 29, 23843 Bad Oldesloe, Fax: 04531 /<br />

885764, E-mail: thomas.haarhoff@bwk-nord.de<br />

Zwölfte Schneverdinger Naturschutztage<br />

5.-6. Dezember 2002, Schneverdingen<br />

Veranstalter: Alfred Töpfer Akademie für Naturschutz (NNA)<br />

Teilnehmerkreis: Naturschutzverwaltungen, -verbände, -beauftragte, -beiträte, Politik, Einrichtungen<br />

der Bildung, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung<br />

Teilnahmebetrag: 25 Euro<br />

Information/Anmeldung: Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA), Hof Möhr, 29640 Schneverdingen,<br />

Tel.: 05199/989-0, Fax: 05199/989-46, eMail: nna@nna.niedersachsen.de, Inter<strong>net</strong>: http://<br />

www.nna.de<br />

FFH-Richtlinie, Methodik der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung anhand von Praxisprojekten<br />

(eintägiger Projekt-Workshop)<br />

jeweils am 5. Dezember 2002, 14. März 2003, 22. Mai 2003, Offenbach a.M.<br />

Veranstalter: Umweltinstitut Offenbach<br />

Teilnehmerkreis: keine Angaben<br />

Teilnahmebetrag: 295 Euro zzgl. MwSt., für Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung: 215 Euro zzgl.<br />

MwSt.<br />

Information/Anmeldung: Umweltinstitut Offenbach, Frankfurter Str. 48, 63065 Offenbach; Tel.: 069/<br />

810679, Fax: 069/823493, eMail: mail@umweltinstitut.de, Inter<strong>net</strong>: http://www.umweltinstitut.de<br />

Die Umweltverträglichkeitsprüfung in der täglichen Praxis<br />

20. Februar 2003, Camp Reinsehlen<br />

Veranstalter: Alfred Töpfer Akademie für Naturschutz (NNA) in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung<br />

Weser-Ems<br />

Teilnehmerkreis: Genehmigungsbehörden, Naturschutzverwaltung, Verbände, Fachbehörden, Planungsbüros<br />

Teilnahmebetrag: 50 Euro<br />

Information/Anmeldung: Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA), Hof Möhr, 29640 Schneverdingen,<br />

Tel.: 05199/989-0, Fax: 05199/989-46, eMail: nna@nna.niedersachsen.de, Inter<strong>net</strong>: http://<br />

www.nna.de<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 70


Termine<br />

Die Umsetzung des Bundesnaturschutzgesetzes in Landesrecht: Der Biotopverbund (§3<br />

BNatSchG)<br />

12.-13. März 2003, Camp Reinsehlen<br />

Veranstalter: Alfred Töpfer Akademie für Naturschutz (NNA) in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen<br />

Umweltministerium (MU)<br />

Teilnehmerkreis: Naturschutzverwaltungen, Verbände, Agrarstrukturverwaltungen, Fachbehörden, Planungsbüros,<br />

Wasserwirtschaft<br />

Teilnahmebetrag: 80 Euro<br />

Information/Anmeldung: Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA), Hof Möhr, 29640 Schneverdingen,<br />

Tel.: 05199/989-0, Fax: 05199/989-46, eMail: nna@nna.niedersachsen.de, Inter<strong>net</strong>: http://<br />

www.nna.de<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 71


Impressum<br />

Impressum<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - Online-Zeitschrift für <strong>Naturschutzrecht</strong> ISSN 1610-7837<br />

Herausgeber: Informationsdienst für Natur- und Umweltschutz Tübingen, A. & J. Schumacher GbR<br />

Postfach 21 02 29, 72025 Tübingen, Tel. 07071-6878161, Email: info@<strong>id</strong>-natur.de<br />

Schriftleitung und Redaktion: Anke Schumacher, Ursrainer Ring 81, 72076 Tübingen,<br />

Tel. 07071-6878161, Fax. 07071-6878162, Email: redaktion@naturschutzrecht.<strong>net</strong><br />

Erscheinungsweise: Naturschutz in Recht und Praxis erscheint kostenlos in loser Folge mit 3-4 Ausgaben pro Jahr,<br />

die Hefte werden online publiziert unter www.naturschutzrecht.<strong>net</strong>/Online-Zeitschrift.<br />

Alle Ausgaben sind im Inter<strong>net</strong> abrufbar.<br />

Rezensionsexemplare und Informationsmaterial senden Sie bitte an die Schriftleitung.<br />

Veranstaltungsankündigungen, Pressemitteilungen usw. bitte per Email an folgende Adresse: redaktion@naturschutzrecht.<strong>net</strong><br />

Manuskripthinweise:<br />

„Naturschutz in Recht und Praxis“ soll als interdisziplinäre Online-Zeitschrift den Bogen zwischen <strong>Naturschutzrecht</strong><br />

auf der einen Seite und ökologischer Forschung auf der anderen Seite spannen. Be<strong>id</strong>e Themengebiete werden<br />

zumeist getrennt voneinander abgehandelt, so dass häufig dem Juristen die naturschutzfachlichen Grundlagen<br />

und dem Ökologen die juristischen Ansätze fremd sind. Diese Lücke soll mit „Naturschutz in Recht und Praxis“<br />

geschlossen werden.<br />

Aufsätze, die diesem interdisziplinären Charakter gerecht werden, sind gerne willkommen. Es werden nur Manuskripte<br />

bisher unveröffentlichten Inhalts angenommen, über die Annahme des Beitrags wird der Autor schriftlich<br />

(z.B. per Email) informiert. Mit der Annahme überlässt der Autor dem Informationsdienst für Natur- und Umweltschutz<br />

das ausschließliche Verlagsrecht.<br />

Gezeich<strong>net</strong>e Artikel stellen die Ansicht des Verfassers dar, nicht unbedingt die der Schriftleitung. Die Schriftleitung<br />

behält sich vor, Form und Inhalt des Beitrags mit dem Autor abzustimmen und bei Leserbriefen eine eventuelle<br />

Kürzung vorzunehmen.<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte einschließlich aller seiner Teile wird keine Haftung übernommen.<br />

Urheberrecht und Verlagsrecht<br />

Die in dieser Online-Zeitschrift veröffentlichen Beiträge sind einschließliche ihrer Abbildungen urheberrechtlich<br />

geschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentsche<strong>id</strong>ungen, Nachrichten und Kommentare, soweit sie<br />

vom Einsender oder der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert worden sind.<br />

Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen; diese bedürfen zur Auswertung<br />

der Genehmigung des dem Informationsdienstes für Natur- und Umweltschutz.<br />

Dem Autor ist es nicht gestattet, seinen Beitrag anderen Zeitschriften in einem Zeitraum von 2 Jahren ab der Veröffentlichung<br />

in Naturschutz in Recht und Praxis anzubieten und dort in <strong>id</strong>entischer oder ähnlicher Form zu veröffentlichen.<br />

Ausgenommen davon ist die Veröffentlichung auf der eigenen Homepage im Inter<strong>net</strong>. In Absprache mit<br />

dem Informationsdienst für Natur- und Umweltschutz darf der Beitrag auf der eigenen Homepage im Inter<strong>net</strong> veröffentlicht<br />

werden, sofern er deutlich als Beitrag aus Naturschutz in Recht und Praxis gekennzeich<strong>net</strong> ist.<br />

Naturschutz in Recht und Praxis - online (2002) Heft 1, www.naturschutzrecht.<strong>net</strong> 72

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