Der exponentielle Irrtum

Worum geht es?

Mit der Corona-Pandemie ist "exponentielles Wachstum" vielen Menschen zu einem Begriff geworden. Während es bei Corona allerdings darum ging, eine exponentielle Entwicklung unbedingt zu verhindern, gilt sie in der Ökonomie als erstrebenswertes Ziel oder vielmehr: als Normalzustand. Eine gesunde Volkswirtschaft, so die Annahme, wächst um in etwa konstante Wachstumsraten und also exponentiell. Tatsächlich aber folgen nahezu alle modernen Volkswirtschaften nachweisbar einem linearen Trend und dies zumeist schon seit über sechzig Jahren. Damit einher gehen – mit mathematischer Zwangsläufigkeit – sinkende Wachstumsraten.

Es ist diese bemerkenswerte Abweichung zwischen Theorie und Realität, die überhaupt erst zu der Grundüberzeugung geführt hat, unsere Wachstumsdynamik lasse langfristig gesehen nach. Dementsprechend war die Politik der letzten Jahrzehnte von dem Primärziel geprägt, die ökonomischen Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass der Trend rückläufiger Wachstumsraten durchbrochen wird. Denn – so die Logik – nur mit höherem Wachstum können wir die Rente sichern, unser Gesundheitssystem finanzieren, die Infrastruktur ausbauen oder Armut und Ungleichheit bekämpfen.

Erst mehr Wachstum, dann schaffen wir auch den ganzen Rest – diese Rechnung kann in einer linear wachsenden Ökonomie nicht aufgehen. Die Bilanz war entsprechend ernüchternd, denn allen Reformen zum Trotz sind die durchschnittlichen Wachstumsraten weiter gesunken. Viele Wahlversprechen die explizit oder implizit auf höherem Wachstum aufbauten, konnten nicht eingelöst werden, ganze Bevölkerungsgruppen sind an den Rand gedrängt worden. Und nicht zuletzt dürften Forderungen nach einer entschlosseneren Klimapolitik auch deshalb über Jahre hinweg ins Leere gelaufen sein, weil sie als – vermeintlich zusätzliche – Wachstumsbremsen und daher Gefahr für den Wohlstand diskreditiert worden sind.

Diese Internetseite ist hervorgegangen aus dem ehemaligen „Institut für Wachstumsstudien“. Hier finden Sie eine Auswahl unserer ab 2005 veröffentlichten Aufsätze sowie Auszüge aus unserem 2018 erschienenen Buch „Die Scheinkrise“. Schrittweise planen wir das Angebot um Erklärvideos zu erweitern. So möchten wir auch künftig dazu beitragen, über den „exponentiellen Irrtum“ zu informieren. Sinkende Wachstumsraten sollten nicht länger als Beleg einer Fehlentwicklung gelten, sondern als das akzeptiert werden, was sie sind: der ökonomische Normalfall. Andernfalls dürfte die Angst vor "noch" niedrigerem Wachstum weiterhin einer der Gründe bleiben, warum die großen sozial- und klimapolitischen Herausforderungen nicht entschlossen genug angegangen werden und die Politik sie dem Ziel besserer Wachstumsbedingungen unterordnen. Ein Ziel, dass wir – wenn sich die Entwicklung der letzten sechs Jahrzehnte fortsetzt – ohnehin niemals werden erreichen können.

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