Publication Date:
2020-06-22
Description:
Vergleichende biometrische und morphologische Daten wurden an den planktischen Foraminiferenarten Neogloboquadrina pachyderma (s), Neogloboquadrina pachyderma (d) und Turborotalita quinqueloba in Oberflächenproben und Sedimentkernen des Arktischen Ozeans, des Europäischen Nordmeeres und des Südatlantiks während der letzten 140.000 Jahre erhoben. Durch Größen-und Konzentrationsänderungen planktischer Foraminiferen können Rückschlüsse auf Veränderungen der entsprechenden Oberflächenwassermassen in Warm-und Kaltphasen gezogen werden.
In Oberflächenproben im Bereich der Framstraße zeichnet N. pachyderma (s) mit ihren starken Größen-und Konzentrationsschwankungen die hohe Variabilität der Oberflächenwassermassen in diesem Gebiet nach. Die Gehäusegrößen von N. pachyd_erma (s) in Oberflächenproben des Südatlantiks schwanken ebenfalls sehr stark und sind in den sehr unterschiedlichen Temperatur-und Salzgehaltsbedingungen der Oberflächenwassermassen nördlich und südlich der Antarktischen Polarfront begründet.
In Sedimentkernen des zentralen Arktischen Ozeans und des Weddellmeeres zeigt N. pachyderma (s) deutliche biometrische Unterschiede: Während im zentralen Arktischen Ozean das gesamte Größenspektrum von 100 bis 315 µm gleichmäßig vertreten ist und nur im Holozän die Anzahl an kleinen Individuen zwischen 100 und 150 µm zunimmt, bilden
N.pachyderma (s) im Weddellmeer in Kaltphasen große, in Warmphasen dagegen kleine Gehäuse aus. Sehr große Individuen mit maximalen Gehäusedurchmessern 〉 400 µm treten nur im Weddellmeer im glazialen lsotopenstadium 2 auf. Zurückgeführt wird dies auf die unterschiedliche rezente Lebensweise von N. pachyderma (s), die im Arktischen Ozean bei gleichbleibenden Salzgehalts-und Temperaturbedingungen in der Wassersäule lebt, im Weddellmeer dagegen extremen Salzgehalts-und Temperaturschwankungen im Meereis ausgesetzt ist.
N.pachyderma (d) ist in den Kernen aus beiden Polargebieten mit 3 bis 7 % Häufigkeit vertreten und weist ähnliche Größen-und Konzentrationsänderungen wie N. pachyderma (s)auf. Das deutet auf ein gemeinsames Habitat von N. pachyderma (s) und (d) in den
Polargebieten hin. Im Europäischen Nordmeer und im Südatlantik kommen N. pachyderma (s) in Kaltphasen mit größeren Gehäusen und in Warmphasen mit kleineren Gehäusen vor, die jedoch alle wesentlich kleiner sind als die durchschnittlichen Gehäusegrößen von Individuen aus den Polargebieten. Die Größenschwankungen spiegeln den wechselnden Einfluß wärmerer und kälterer Oberflächenwassermassen der Nordatlantischen Drift im Europäischen Nordmeer, bzw. des Agulhas-und des Zirkumantarktischen Stromes im Südatlantik wider. T. quinqueloba weist im Europäischen Nordmeer in Interglazialen größere Gehäuse und höhere Gehäusekonzentrationen auf als im letzten Glazial, während entsprechende Schwankungen im Südatlantik wesentlich schwächer ausgeprägt sind. Bei N. pachyderma (s) konnten drei verschiedene Gruppen von Phänotypen ausgegliedert werden: "Wurstkammer"-lndividuen mit stark verlängerter Endkammer, Kümmerformlndividuen mit stark reduzierter Endkammer und aberrante Individuen mit unregelmäßiger Gehäusemorphologie, bzw. verzwillingten Individuen. Wurstkammer-Individuen treten bevorzugt in der Fraktion 250 bis 500 µm auf, mit durchschnittlichen Häufigkeiten von 7 % im Arktischen Ozean und 10% im Weddellmeer und im Europäischen Nordmeer. In den beiden Polargebieten leben sie bevorzugt in den salzarmen Oberflächenwassermassen in Interglazialen, während im Europäischen Nordmeer auch Häufigkeitsmaxima während der Schmelzwasser-Ereignisse bei 55,45 ka, 9,7 ka und mit salzarmen Oberflächenwassermassen bei 7,5 ka zusammenfallen. Die anderen identifizierten Phänotypen ähneln in ihren Häufigkeitsverteilungen stark denen der Wurstkammer-Individuen und lassen ebenfalls eine deutliche Abhängigkeit zu den glazial-interglazialen Veränderungen in den Oberflächenwassermassen erkennen. Die morphologische Ähnlichkeit beider N. pachyderma (s)-Populationen im Arktischen Ozean/Weddellmeer und im Europäischen Nordmeer/Südatlantik lassen einen biogeographischen Austausch von Individuen beider Regionen vermuten: Möglich wäre eine Verdriftung von N. pachyderma (s) vom Südatlantik mit dem Benguelaund dem Südäquatorial-Strom über den Äquator hinweg in den Golfstrom und damit ins Europäische Nordmeer. Eine "pulsartige" Verdriftung von N. pachyderma (s) aus Auftriebszellen vor Namibia und NW-Afrika in die Verbreitungsgebiete in Nord- und Südatlantik könnte vor allem in Glazialen stattgefunden haben. Hinweise dafür liefern lokal begrenzte Vorkommen von N. pachyderma (s) in Auftriebsgebieten während des letzten Glazials.
Type:
Thesis
,
NonPeerReviewed
Format:
text
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